Erinnerungsstätten im Südwesten

Orte, die Demokratiegeschichte schrieben: Von Kaiserslautern zum Hambacher Schloss

Stand
Autor/in
Kerstin Bachtler

Um die Demokratie in Deutschland wurde in der Geschichte heftig gekämpft. Die Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ will an die historischen Prozesse erinnern, denen wir unsere freiheitlichen und sozialen Grundwerte verdanken. Zwei Orte in der Pfalz sind aktuell besonders wichtig: die Fruchthalle in Kaiserslautern und das Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße.

Fruchthalle in Kaiserslautern
Heute ist die Fruchthalle in Kaiserslautern einer der wichtigsten Veranstaltungsorte der Stadt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie zum bedeutenden Ort der Deutschen Revolution.

Tausende demonstrieren: Kaiserslautern als Schauplatz der Pfälzischen Revolution

Wenn die Regierung zur Rebellion geworden, werden die Bürger der Pfalz zu den Vollstreckern der Gesetze

Unter diesem Motto trafen sich Anfang Mai 1849 die demokratischen Volksvereine in der Fruchthalle. Das mehrstöckige Gebäude wurde 1843 als Markthalle im Stil eines florentinischen Palasts erbaut. Architekt war der junge Speyerer Zivilbauinspektor August von Voit, der gerade sein Architekturstudium in Florenz abgeschlossen hatte.

Am 2. Mai 1849 kamen in der Fruchthalle und um das Gebäude herum mehr als 10.000 Delegierte aus den politischen Vereinen aller Pfälzer Regionen zusammen, die eine Verfassung forderten. Dazu gesellten sich viele Frauen, die sich auch trauten, mit abzustimmen, wie ein Beamter vor Ort festhielt.

Am 17. Mai 1849 stimmten Delegierte aus der ganzen Pfalz für die Gründung einer pfälzischen Regierung. Diese begann sofort damit, Gesetze zu erlassen, etwa längere Öffnungszeiten am Abend für die Gastronomie. Diese waren vom bayrischen König aus Angst vor Aufständen stark eingeschränkt worden.

Orte der Demokratiegeschichte im Südwesten

Erinnerungsstätte Matthias Erzberger
Die Matthias-Erzberger-Gedenkstätte in Gomadingen-Buttenhausen bei Reutlingen erinnert an den Politiker, der1918 im Wald von Compiègne das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnete, das den Ersten Weltkrieg beendete. Bild in Detailansicht öffnen
Das Geburtshaus von Friedrich Hecker in Eichtersheim im Kraichgau
In Eichtersheim wurde 1811 der berühmte badische Freiheitskämpfer Friedrich Hecker geboren. Seine Ideale waren die bürgerlichen Freiheitsrechte, die sowohl in der Weimarer Verfassung als auch im Grundgesetz Aufnahme fanden. Bild in Detailansicht öffnen
Schloss Neuenstein
Das Landesarchiv Baden-Württemberg, zu dem das Hohenlohe-Zentralarchiv in Neuenstein gehört, ist das Gedächtnis des Landes. Es versteht sich als Ort der Transparenz von historischen Entwicklungen und politischen Verantwortlichkeiten. Bild in Detailansicht öffnen
Rathaus Worms
Worms blickt auf eine demokratische und liberale Tradition, die mindestens bis zur Französischen Revolution zurückreicht. Als ein Höhepunkt gilt 1848 die Wahl von Ferdinand Eberstadt zum wahrscheinlich ersten jüdischen Bürgermeister in Deutschland. Bild in Detailansicht öffnen
Spiesswoogtal nahe Fischbach bei Dahn
Wenige Tage nach der Erstürmung der Pariser Bastille am 14. Juli 1789 zogen Bauern und Gesellen des Dorfes Fischbach bei Dahn beim Fischbacher Aufstand in die herrschaftlichen Wälder des Freiherrn von Waldenburg, des Speyerer Hochstifts und des Zisterzienserklosters von Stürzelbronn. Bild in Detailansicht öffnen
Theater Koblenz Innenraum
Im Theater Koblenz wurden die Grundsteine des rheinland-pfälzischen Landtages gelegt. Am 22. November 1946 fand hier die konstituierende Sitzung der „Beratenden Landesversammlung“ statt. Bild in Detailansicht öffnen

Zivile Nutzung bis heute

Schon wenige Wochen später beendete die preußische Armee den Aufstand in der Pfalz. Die provisorische Regierung floh. Die bayrischen Behörden bezogen wieder ihre Positionen. Die Freischarenverbände der Pfälzer Republik flüchteten vor der Übermacht der Preußen über den Rhein zu ihren Verbündeten in die Badische Republik. Die Fruchthalle nutze man für kurze Zeit als Kaserne.

Bis 1910 wurde die Fruchthalle als Markthalle genutzt. Doch durch den flächendeckenden Ausbau der Eisenbahn verlor der Kaiserslauterer Markt seine Grundlage und die Halle wurde geschlossen. Das Haus ist heute ein wichtiger Veranstaltungs- und Konzertsaal in der Stadtmitte von Kaiserslautern und gilt noch immer als architektonisches Schmuckstück.

Fassade Hambacher Schloss mit wehenden Fahnen
Bis heute weht die schwarz-rot-goldene Flagge Deutschlands auf dem Hambacher Schloss. Erstmals wurde sie am 1. Juni 1832 beim Hambacher Fest geschwenkt.

Das Hambacher Schloss – Wiege der deutschen Demokratie

Die aus dem 11. Jahrhundert stammende Burgruine am Rand des Haardtgebirges im Pfälzerwald war Schauplatz des Hambacher Festes. Die wachsende politische Unruhe machte sich in Deutschland vor allem im französisch beeinflussten Südwesten bemerkbar.

Nationale, liberale und demokratische Forderungen wurden von der akademischen Jugend und breiteren Kreisen des Kleinbürgertums und der Handwerkerschaft erhoben. Ein beeindruckender Ausdruck dieser wachsenden Volksbewegung war das Hambacher Fest vom 27. bis 30. Mai 1832.

„Hinauf, Patrioten, zum Schloss, zum Schloss!“

20.000 bis 30.000 Menschen aus den deutschen Bundesstaaten, aus Polen, Frankreich und Großbritannien kamen auf dem Hambacher Schloss zusammen. Es war die bis dahin größte politische Massenveranstaltung in Deutschland. 

Die Demonstrierenden zogen in Gruppen durch die engen Gassen des Neustadter Stadtteils Hambach zum Schloss hinauf und protestierten dabei für Grundrechte in einem geeinten und demokratischen Nationalstaat. Das Hambacher Fest wurde zum europäischen Freiheitsfest.

Johann Georg August Wirth, einer der geistigen Väter des Hambacher Festes
Johann Georg August Wirth war einer der geistigen Väter der deutschen Demokratie-Bewegung. 1832 gehörte der damals 33-Jährige zu den Initiatoren des Hambacher Fests.

Ein Hoch auf Europa

„Hoch! Dreimal hoch leben die vereinigten Freistaaten Deutschlands! Hoch! Dreimal hoch das conföderirte republikanische Europa!“ Mit diesen Worten rief der pfälzische Journalist Johann August Wirth zu einem Nationalfest auf. Der Deutsche Bund reagierte mit verschärften Unterdrückungsmaßnahmen, politische Vereine und Versammlungen wurden verboten.

Dreizehn „Hambacher“ kamen vor Gericht, darunter die Initiatoren Wirth und Philipp Jakob Siebenpfeiffer. Der Prozess endete zwar mit Freisprüchen, Wirth und Siebenpfeiffer wurden dennoch später wegen Beamtenbeleidigung zu Haftstrafen verurteilt und emigrierten nach Frankreich und in die Schweiz.

Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1832)
Gemeinsam mit Wirth organisierte der Jurist und Journalist Philipp Jakob Siebenpfeiffer das Hambacher Fest. Anschließend wurde er wegen Beamtenbeleidigung zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Auszeichnung als europäisches Kulturerbe und für demokratische Verdienste

Aufgrund seiner wichtigen Rolle für die europäische Entwicklung wurde das Hambacher Schloss 2015 mit dem europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet. Hier wurde erstmals eine schwarz-rot-goldene Fahne gehisst, die heute als Nationalflagge nach wie vor für Freiheit, Einheit und Demokratie steht.

Hambacher Tuch anlässlich des Hambacher Fests 1832
Solidarisches Souvenir: Das Hambacher Tuch mit den Abbildungen von 16 bekannten Liberalen wurde für Unterstützer der Demokratie-Bewegung zum Erinnerungsstück.

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