Kommentar

Leb wohl, Christian Streich: Mehr als nur ein Bundesligatrainer

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Autor/in
Karsten Umlauf

Am 18. Mai endet die laufende Saison der Fußballbundesliga und in Freiburg eine Fußball–Ära: Nach über 12 Jahren hört Christian Streich als Cheftrainer des SC Freiburg auf. Mit seiner klaren Haltung, seinen deutlichen Worten (in deutlich südbadischem Akzent) und seiner unprätentiösen Art fand Streich weit über den Fußball und weit über Freiburg hinaus (Be-) Achtung.

Der „Chrischdian“ geht

„Es ist Zeit, Adieu zu sagen“ bzw Ádieu mit Betonung auf der ersten Silbe – welcher andere Fußballtrainer würde wohl dieses Wort zum Abschied in den Mund nehmen? Allenfalls vom Fußballpoeten Pep Guardiola könnte man sowas noch erwarten, in der katalanischen Version des Adéu.

Und vielleicht sind die Vorgebirsgvölker der Katalanen und der Alemannen ja sogar wesensverwandt. Das alemannisierte „Adieu“ passt auf jeden Fall zu Christian Streich – oder „dem Chrischdian“, wie er zwischen Freiburg und seiner Heimat Eimeldingen an der Schweizer Grenze genannt wird, es ist viel mehr als nur eine Abschiedsfloskel. Sowie Christian Streich auch viel mehr ist als nur ein Bundesligatrainer. 

Phrasengeschwurbel? Nicht mit Streich!

Von ihm konnte man viel lernen in den letzten zwölf Jahren, in denen er als Trainer besonders im Medieninteresse stand. Zum Beispiel nicht zu viele und wenn, dann die richtigen Worte zu verlieren. Ein Phrasengeschwurbel hat man von Christian Streich jedenfalls nie bekommen.  Weshalb er manche dämliche Reporterfrage ins Leere laufen gelassen oder sich darüber respektvoll lustig gemacht hat.

Oft hat er beim Sprechen mit den Achseln gezuckt als wollte er mit dem ganzen Körper ausdrücken, dass man in den Sport, ob Sieg oder Niederlage, nicht zu viel hineininterpretieren müsse. Wer seine Arbeit macht, mit Demut und Ernsthaftigkeit, wird irgendwann belohnt.

Spiel’sch - üb’sch!

Alte Schule, junges Herz

Keinesfalls durfte man aus dem Achselzucken eine Gleichgültigkeit herauslesen. Egal ist Christian Streich nichts, vor allem nicht die jungen Menschen, mit denen er über viele Jahre zusammengearbeitet hat, schon früher als A-Jugendtrainer. 

Während Jürgen Klinsmann damals großspurig beim FC Bayern angetreten ist mit der Ansage, die Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen zu wollen und dafür erstmal Buddhastatuen aufstellen ließ, hat Christian Streich genau das getan: als persönliches Vorbild, als Eins-zu-Eins-Inspirator, hat er junge Menschen geprägt. 

Weil er sie nie als „Spielermaterial“, sondern zuerst als Menschen gesehen hat, und weil er den Fußball auch als Lernen fürs Leben begreift: sich nicht zu wichtig nehmen, höflich sein, respektvoll für den anderen, Zusammenarbeit als Team. Alte Schule könnte man sagen, aber verbunden mit einem jungen Herzen. Großer sportlicher Ehrgeiz und überaus soziale Einstellung sind die zwei Seiten der einen Christian Streich-Medaille. 

Klare Haltung in vielen Themen

Und wahrscheinlich ist es genau diese Mischung aus Bescheidenheit und Glaubwürdigkeit, die Christian Streich so beliebt gemacht hat, verbunden mit einer klaren Haltung, die viele sich so von Politikern und Politikerinnen wünschen würden oder von sogenannten Respektspersonen im Allgemeinen.  

Für Demokratie, gegen Ausgrenzung und mit kritischem Abstand gegenüber dem „Gott des Geldes“, der droht, nicht nur den Sport aufzufressen.

Eine Ausnahmeerscheinung im Sport

Weil Christian Streich bei allem Rummel im großen Fußballgeschäft gezeigt hat, dass es wichtig ist, einen weiteren Horizont zu haben, weil er sich seinen Schwarzwälder Witz und seine kindliche Begeisterung zum Beispiel für neue Städte und Kulturen erhalten hat, ist er so eine Ausnahmeerscheinung im Sport geblieben.

Als Fan des SC Freiburg und darüber hinaus hat er einem so viele Möglichkeiten zur Identifikation geboten und da war es dann auch gar nicht mehr so schlimm, wenn der Verein knapp verloren oder der Trainer gefühlt die Auswechslung viel zu spät vorgenommen hat.

Nun geht er bewegt, aber selbstbestimmt vom Platz und dafür gebührt ihm Respekt und Dank. Und ein wörtlich gemeintes Lebwohl, Christian Streich.

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