Cecilie Hollberg, die Direktorin des Kunstmuseums Galleria dell'Accademia in Florenz, hat mit Äußerungen über die Stadt für Kritik gesorgt: „Wenn eine Stadt erst einmal zu einer Hure geworden ist, ist es für sie schwierig, wieder Jungfrau zu werden“, sagte Hollberg vor Journalisten. Damit bezog sie sich damit auf den Massentourismus in der italienischen Stadt. Florenz sei sehr schön, ergänzte Hollberg. Sie würde sich daher wünschen, dass die Stadt wieder an ihre Bewohner gehe und nicht vom Tourismus zerquetscht werde.
Rücktrittsforderungen werden laut
Die deutsche Kunsthistorikerin Cecilie Hollberg ist Direktorin des Akademiemuseums in Florenz. Dort, wo Michelangelos nackter David steht. Der Vergleich der Arnostadt mit einer “meretrice”, einer Hure, schlägt hohe Wellen.
Alessia Bettini, Vizebürgermeisterin von Florenz, vermutet, dass Hollberg sich im „Delirium“ befindet. Verschiedene Politiker fordern ihren Rücktritt. Der stammrechte Kulturminister Gennaro Sangiuliano erklärte am Montag, dass Florenz eine wunderbare Stadt sei, weshalb die „Beleidung durch die Deutsche Folgen haben werde.“
Florenz ist nicht alleine Opfer des Massentourismus
Cecilie Hollberg versuchte noch am gleichen Tag ihre Wortwahl zu rechtfertigen. Sie habe doch nur sagen wollen, so die Museumsdirektorin, dass Florenz ein Beispiel für einen verantwortlicheren Tourismus werden müsse.
Hollbergs Kritik trifft ins Schwarze. Florenz, Rom und Venedig sind in den vergangenen Jahren zu Opfern des so genannten “Overtourism”, des Massentourismus geworden.
Forum Teure Mieten, Müll, Verkehr – Was hilft gegen den Massentourismus?
Marion Theis diskutiert mit
Prof. Dr. Alfred Bauer, Bayerisches Zentrum für Tourismus
Dr. Dörthe Jakobs, Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg
Susanne Matthiessen, Bürgernetzwerk „Merret reicht's - aus Liebe zu Sylt"
Die Folgen des Massentourismus sind für alle spürbar
Massimo Lensi, Präsident der Bürgervereinigung Progetto Firenze zu den Aussagen Hollbergs: „Unsere Kunststädte sind mit Touristen übersättigt. Die Folgen dieses touristischen Tsunamis: immer weniger und immer teurerer Wohnraum für Einheimische, immer mehr B&B’s, immer mehr Lokale, die Schliessung handwerklicher Geschäfte, die sich die hohen Mieten nicht mehr erlauben können. Von den Folgen dieses Massentourismus sind ja sogar Touristen betroffen, die über Menschenmassen klagen.“
So denken inzwischen zahllose Bürger, Kunsthistoriker, Intellektuelle, Künstler und Kulturpolitiker. Seit Jahren fordern sie deshalb eine radikale Begrenzung des Massentourismus und seiner urbanistichen, wirtschaftlichen und kulturellen Folgen.
Die Politik handelt nur halbherzig
Auch dem deutschen Kunsthistoriker Eike Schmidt, bis vor kurzem von Direktor der Uffizien in Florenz, schien die touristische Entwicklung der Stadt gegen den Strich zu gehen. Immer wieder lag er deshalb im Clinch mit dem Bürgermeister.
Seit Jahren versichern Bürgermeister italienischer Kunststädte den Massentourismus und seine Folgen in den Griff zu bekommen. Recht halbherzig allerdings. Nur auf Druck der UNESCO entschied beispielsweise Venedigs Bürgermeister, Kreuzfahrtschiffe nicht mehr in der Nähe des Dogenpalastes ankern zu lassen und ein Eintrittsgeld für Tagestouristen zu kassieren.
Alle wollen das Gleiche sehen
„Wir bitten Sie, still zu sein” verkündet alle paare Minuten ein Lautsprecher in der stets heillos überfüllen Sixtinische Kapelle im Vatikan. Die vatikanischen und andere berühmte Museen Italiens sind das ganze Jahr über so voll mit Besuchern, dass an ein entspanntes Besichtigen nicht zu denken ist.
Der römische Reiseführer Marcello Vanni sagt dazu: „In Rom gibt es doch so viel zu besichtigen, aber die Touristen wollen immer nur das gleiche sehen: die Galleria Borghese, vor vatikanischen Museen. Alle steuern nur die klassischen Ziele an“.
Der Rubel rollt und Hollberg legt den Finger in die Wunde
Die Kritiker dieser Situation in ganz Italien fordern, dass die Besuchermassen reduziert werden müssen. Doch wie? Und vor allem warum?
Die Hotel-, Ferienwohnungs-, Gaststätten- und Nippesbudenbesitzer verdienen doch glänzend an dieser Situation.
Und die Kommunen nehmen viel Geld dank der Steuern aus dem Tourismus ein. Klar, dass die sicherlich undiplomatische aber treffende Kritik der deutschen Direktorin des Akademiemuseums da enorm störend wirkt.