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Elon Musk und Twitter: Was wird aus dem Kurznachrichtendienst?

Stand
Autor/in
Franziska Kiedaisch und Samira Straub

Die Twitter-Übernahme durch Elon Musk schlägt immer höhere Wellen. Die Angst vor einer Vereinnahmung des Kurznachrichtendienstes durch rechte Gruppierungen und vor gezielten Desinformationskampagnen wächst. Zahlreiche Twitter-Mitarbeitende verlassen nach einem Ultimatum das Unternehmen und es wird gar über das Ende der Plattform diskutiert.
Eine Zusammenfassung der dynamischen Lage.
 

Twitter-Chef Elon Musk
Was wird aus dem Kurznachrichtendienst unter der Führung des Tech-Millardärs? Die Lage auf Twitter verändert sich rasant.

Twitter & Elon Musk: Ein holpriger Start

Im April 2022 kündigte Elon Musk erstmals an, den Kurznachrichtendienst für rund 44 Milliarden Dollar kaufen zu wollen. Wenige Wochen später zog er sein Angebot zurück und begründete dies mit der angeblich viel zu hohen Anzahl an Fake-Accounts auf der Plattform, die den Angaben des Unternehmens widerspräche und die potenzielle Werbeeinnahmen signifikant senken könnte.

Twitter bestand jedoch auf der Einhaltung des Kaufvertrags und klagte gegen Musk, der mit einer Gegenklage reagierte, die Twitter wiederum gravierende Mängel im Bezug auf Sicherheit der Nutzerdaten unterstellte.

Wie kam Musk an so viel Macht?

Schließlich kaufte Elon Musk Twitter doch: Ende Oktober übernahm er die Plattform für umgerechnet 44 Milliarden Euro. Zuvor hatte der Multimilliardär, Tesla- und SpaceX-Chef bereits umfassende Veränderungen beim Kurznachrichtendienst angekündigt.

Gespräch mit Simon Hurtz vom Social Media Watchblog nach der Twitter-Übernahme durch Elon Musk

Kritische Stimmen befürchteten, dass unter Elon Musk Desinformationskampagnen und Hassreden auf Twitter zunehmen könnten, da der neue Twitter-Chef selbst in der Vergangenheit durch zweifelhafte Tweets aufgefallen war.

Außerdem sei die Macht, die Musk mit dem Twitter-Kauf erlange, in ihrem Ausmaß bedenklich – denn auch wenn zahlreiche Investoren den Kauf cofinanzierten, ist Musk in seiner Funktion als Chef niemandem Rechenschaft schuldig. Auf einer Plattform mit rund 450 Millionen Usern monatlich berge dies enorme Risiken.

Exodus von Mitarbeitenden befürchtet

Direkt nach der Übernahme entließ der neue Twitter-Chef knapp die Hälfte der bis dato rund 7.500 Mitarbeitenden, etwa den Verwaltungsrat oder Content-Moderator*innen, deren Aufgabe es ist, unwahre oder menschenverachtende Kurznachrichten auf der Plattform zu löschen. Außerdem löste Musk das Human Rights Team auf.

Anschließend bat Musk zwar einige der Mitarbeitenden um eine Rückkehr, stellte die Twitter-Angestellten aber vor ein Ultimatum. Sie sollten sich auf „lange Arbeitstage mit hoher Intensität“ einstellen, schrieb Musk in einem Memo an seine Angestellten. „Nur außergewöhnliche Leistung wird als ausreichend bewertet", hieß es darin weiter. Wer nicht bis zum 17. November ein entsprechendes Arbeitsbekenntnis ablege, werde mit drei Monaten Gehalt als Abfindung gefeuert.

Twitter-Account von Elon Musk
Die neue Twitter-Biographie von Musk: „Twitter Complaint Hotline Operator", Ort: Hölle.

In einer am 18. November veröffentlichten Umfrage der App Blind wollten 42 Prozent der 180 Teilnehmer das Unternehmen verlassen. Ein weiteres Viertel bleibe nur widerwillig, heißt es. Befürchtet wird nun, dass durch den Exodus von Mitarbeitenden auch wichtiges technisches Knowhow verloren geht, das für den reibungslosen Betrieb der Plattform unerlässlich ist.

Das Ende von Twitter?

Nicht nur das fehlende Wissen innerhalb des Unternehmens scheint eine greifbare Bedrohung für den Kurznachrichtendienst zu sein. Elon Musk selbst befeuert vielmehr noch die aufkeimenden Spekulationen um ein möglicherweise zeitnah eintretendes Ende von Twitter. Ein rätselhafter Tweet, der eine Fotomontage von einem Grab und dem Twitter-Symbol zeigt, wirft in der Community die Frage auf, ob der letzte Tag Twitters bereits bevorstehe.

Reichweitenstarke Nutzer*innen kehren Twitter den Rücken

Der Schaden, den Musk der Plattform zugefügt hat, scheint jedenfalls unumkehrbar zu sein. Auch sein Aufruf am Tag vor den Midterm-Elections in den USA führte zu Empörung. Musk hatte auf seinem Twitter-Account unentschlossene Wähler*innen dazu aufgerufen, ihre Stimme den Republikanern zu geben.

Ferner führten Debatten rund um den blauen Verifizierungshaken zu Verwerfungen. Als Reaktion auf die Ankündigung, diesen künftig nur noch gegen Bezahlung anzubieten, twitterten einige Personen, darunter amerikanische Comedians und Schauspieler*innen unter dem Namen von Elon Musk. Nach einer kurzfristigen Ankündigung, Accounts mit Fake-Profilen zu löschen, wurden mehrere Konten, etwa das der US-Comedian Kathy Griffin, gesperrt. 

Zahlreiche reichweitenstarke Twitter-Nutzer*innen kehrten in den vergangenen Tagen der Plattform den Rücken und machten in Statements auf die prekäre Lage aufmerksam:

I'm shocked and appalled at some of the "free speech" I've seen on this platform since its acquisition. Hate speech under the veil of "free speech" is unacceptable; therefore I am choosing to stay off Twitter as it is no longer a safe space for myself, my sons and other POC.

Die Werbeeinnahmen brechen ein

Auch Pianist Igor Levit löschte seinen vielbespielten Account. In einem sechsteiligen Post verabschiedete er sich von der Kurznachrichtenplattform und begründete seinen Abschied mit den Entwicklungen auf Twitter nach dem Kauf durch den Multimilliardär.  

Die Liste der Kritiker*innen ist lang und reicht von US-Präsident Joe Biden bis hin zu UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk. Die klare Botschaft dahinter: Musks Schritte auf Twitter seien ein Angriff auf Meinungsfreiheit und Demokratie.

Neben den kritischen Stimmen beendeten zahlreiche Firmen ihre Werbepartnerschaften mit Twitter, was die Umsätze im Bereich der Werbung einbrechen ließ – die einzige Einnahmequelle des Kurznachrichtendienstes.

Wie geht es für Twitter weiter?

Nach den Massen-Abwanderungen zu anderen, dezentralen Mitteilungsdiensten wie zum Beispiel Mastodon ist die Lage für Twitter ernst. Die gravierenden Einbußen bei den Umsätzen zeigen schon jetzt, dass sich die Schlinge aus unternehmerischer Sicht für Musk zuzieht. Damit Twitter finanziell lukrativ bleibt, müsste Musk eine 180 Grad Wende in seinem Umgang mit der Plattform hinlegen.

Nachdem Musk bereits im April und August Tesla-Aktien im Wert von insgesamt 15,4 Milliarden Dollar verkauft hatte, um die Übernahme von Twitter zu finanzieren, wird am 9. November bekannt, dass der Unternehmer erneut Tesla-Aktien im Wert von knapp vier Milliarden Dollar verkauft hat. Bei einem Auftritt vor Mitarbeitenden schloss Musk zuletzt eine Twitter-Insolvenz nicht aus.

Die Frage bleibt, was Musk wichtiger ist: Seine ideologischen Veränderungen an der Plattform oder der Erhalt ihres Marktwertes. Die Lage beim Kurznachrichtendienst verändert sich aktuell stündlich und es ist alles andere als klar, ob Musk nicht auch jetzt wieder zurückrudert. Auf Twitter scheint nichts mehr unmöglich – im Guten wie im Schlechten.

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Franziska Kiedaisch und Samira Straub