Netzkultur

iPhone-App Clubhouse: Revolution der Gesprächskultur oder kurzlebiger Hype?

Stand
Autor/in
Franziska Gromann

Treffen sich die Politiker*innen Christian Lindner und Dorothee Bär, die Influencer*innen Caro Dauer und Fynn Kliemann, Moderator Joko Winterscheidt und Journalist Sascha Lobo auf eine gemütliche Gesprächsrunde… und ihr könntet dabei sein? Paris Hilton und Oprah Winfrey übrigens auch. Nach diesem Prinzip funktioniert die neue App „Clubhouse“, die in den letzten Tagen in Deutschland für einen Social-Media-Hype gesorgt hat.

Welcome to the Clubhouse!

In Live-Audio-Chat-Räumen (ohne Video!), sogenannten „Rooms“, können sich Clubhouse-User*innen treffen und zu bestimmten Themen oder einfach ins Blaue miteinander sprechen und diskutieren. Darunter Freund*innen und Bekannte, aber auch noch unbekannte und berühmte Menschen – wie man an der obigen Auflistung sieht: Alle genannten Personen sind bei Clubhouse aktiv.

Sonntage sind ja eigentlich für #Podcast 🎧 Aber diese Woche: Keine Zeit. Bin auf @joinClubhouse 🚀 https://t.co/94x9V3Ybkt

In den Chaträumen können sich je nach Moderator*in und Einstellungen alle Teilnehmenden zu Wort melden und erhalten Gehör – eine Art Live-Podcast-Radio-Sendung mit Einspruch-Funktion! Das Versprechen außerdem: Die Diskussion bleibe im Raum, es würden keine öffentlich zugänglichen Aufnahmen gemacht – „what happens in the Clubhouse, stays in the Clubhouse!“ Nur wer dabei war, hat es echt erlebt!

Zwischen Feierabend-Bar, TED-Talk und Speaker's Corner

Grundsätzlich also eine tolle Sache, gerade in der Pandemie-Zeit, wo man Alternativen für das Feierabend-Getränk mit den Freund*innen sucht – wo bei Podiumsdiskussionen über Videoplattformen an der spannendsten Stelle die Übertragung ausfällt, Wortmeldungen nicht möglich sind und wo man auch sehr selten noch jemand außerhalb des persönlichen Bekanntenkreises kennenlernt und Networking betreiben kann.

Der Umstand, dass wir alle zu Hause sind und physical Distancing betreiben – und Wochenende ist, ist der perfekte Zeitpunkt für @joinClubhouse

Der Hype um Clubhouse ist jedoch nicht nur damit zu erklären, dass das Unternehmen hier mehr oder weniger in die pandemie-bedingte Bresche springt. Auch durch einen ganz einfachen Marketing-Trick haben die Entwickler der Firma Alpha Exploration Co. dafür gesorgt, dass über ihr Produkt gesprochen und gepostet wird: Momentan können sich nur Menschen mit iPhone und mit einem Einladungscode einen Account in der App einrichten, denn sie befindet sich noch in der Beta-Testphase. Eine Android-Version gibt es noch nicht.

Nur exklusiver Zugang mit Einladung

Wer also auf Clubhouse ist, gehört zur „In-Crowd“, so zumindest das Versprechen, und kann an diesen vielen spannenden Gesprächen mit spannenden Persönlichkeiten teilnehmen. Deshalb erscheint es aktuell auch wenig überraschend, dass Clubhouse-Einladungscodes bei Ebay-Kleinanzeigen für teilweise bis 100€ angeboten werden. FOMO, „fear of missing out“, ist auf Social Media ein starkes Kaufargument.

Datenschützer*innen sehen die App kritisch

Aber es gibt einen Haken – oder sogar mehrere: Als erstes wäre der Datenschutz zu nennen. Zwar kann man bei der ersten Anmeldung auf Clubhouse noch den Zugriff auf die im Telefon gespeicherten Kontaktdaten verweigern. Spätestens, wenn man aber die zwei Einladungen verschicken möchte, die jedem*r Nutzer*in zur Verfügung stehen, muss man diese Informationen mit der App teilen.

Aber gut, dass CoronaApp für die Katz war, weil Datenschutz so wichtig. #Clubhouse https://t.co/9AWlNy0OT6

Problematisch und vermutlich ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung wäre dabei, dass das Unternehmen so auch an Telefondaten von Menschen kommt, die mit der Verwendung nicht einverstanden sind und im Vorfeld auch nicht über die Weitergabe informiert wurden.

Gut: #Clubhouse pinnt Zertifikate. Schlecht: wenn das Pinning fehlschlägt, reportet es diesen Fakt mit ordentlich Metadaten an random Third-Parties (Data Theorem, Amplitude). Mal PII in die mitmproxy-CA packen und GDPR rausholen? 🙃 https://t.co/vQa0Bj6Ro1

Einmal im Clubhouse gesagt, für immer in der Welt?

Außerdem ist die Frage, was mit den Clubhouse-Gesprächen tatsächlich passiert: Zwar wird vor allem in den USA damit geworben, dass Gespräche in der App danach nicht mehr zugänglich seien und deshalb vor fremden Zugriffen geschützt. Allerdings ist es natürlich kein Problem für Teilnehmende, die Gespräche mitzuschneiden, und Alpha Exploration Co. legt selbst Mitschnitte an. Diese sollen dazu dienen, Verstöße gegen die Community-Richtlinien zu belegen und zu ahnden. Es ist unklar, wie lange die Mitschnitte gespeichert werden.

Moin, wie ich gestern schon mal gesagt habe bitte bedenkt das ihr bei #Clubhouse öffentlich sprecht. Die Gespräche sind mit einfachen Mitteln aufzunehmen ohne das die App das mitbekommt. Also immer bitte immer dran denken ihr sprecht in der Öffentlichkeit. https://t.co/mp4jPH4wHV

Ausweichplattform für Alt-Right-Bewegung in den USA

Das führt zu einem letzten – in den USA bereits häufig kritisierten – Punkt: Hate Speech auf Clubhouse. Da die Gespräche live geführt werden, ist es für Teilnehmende sehr schwer, Hate Speech von anderen Teinehmenden zu belegen. Sie können zwar die entsprechenden Personen im Room melden und blockieren – allerdings zieht dies erst eine längere Untersuchung nach sich. Und ähnlich wie in anderen Social Media-Netzwerken wie Twitter ist damit das Problem der weit verbreiteten Hassrede nicht gelöst. Außerdem erfordert die Auswertung der Gespräche noch mehr Kapazitäten als die Text- und Bildanalyse des Kurznachrichtendiensts.

Ein Punkt, der mir in Kritik und Diskussion zu #Clubhouse bislang immer noch zu kurz kommt: die akute Gefahr, misinformiert zu werden. Wer sich aktuell durch Räume bewegt, stellt fest, dass dort teils viel Halbwissen geteilt wird und Aussagen teils unbelegt stehen bleiben.

Gerade in den USA hat sich auf Clubhouse die Alt-Right-Szene neu zusammengefunden, seit bisherige soziale Netzwerke stärker gegen Verstöße vorgehen. Oder wie „Parler“ ohne Hosting-Plattform dastehen: Das Netzwerk, auf dem sich vorrangig Trump-Anhänger*innen tummelten, wurde nach dem Sturm auf das US-Kapitol von den großen Tech-Unternehmen fallen gelassen. Mitglieder der Alt-Right vernetzen sich auf Clubhouse nach Berichten in frauenfeindlichen, antisemitischen und rassistischen Diskussionsgruppen, denen auch Verschwörungsmythen viel Gesprächsstoff bieten.

Here’s some more from the top room on Clubhouse tonight: The men are discussing how women fake rape accusations and black people fake racism and hate crime accusations for attention. “I don’t know of any noose hate crime that’s actually real.” https://t.co/mpZFxWhTdS

In Deutschland hat Clubhouse inzwischen ebenfalls seinen ersten kleinen Skandal: eine Diskussion zum Thema „Lügenpresse“ zwischen Journalist*innen und Publikum, in die sich auch die rechte Influencerin Anabel Schunke einschaltete wurde in den sozialen Medien heftig kritisiert.

Ja, was ist los im Journalismus, wenn die Kolleg*innen hier mit Anabel Schunke reden als wäre nichts? https://t.co/ZCjvDBmml9

Wie lange uns Clubhouse begleiten wird? Mal sehen...

Was aus der Hype-App Clubhouse auf lange Sicht wird, ist schwer zu sagen. Die App bietet interessante Ansätze, auch wenn viele bereits in Chat-Programmen und Podcast- und Webradio-Stationen realisiert sind. Die neue Zusammenmischung der Teilnehmenden sorgt aber sicher für Impulse. Als erstes müsste allerdings eine Version für iPhone UND Android her.

Kritisch ist die App aus Datenschutz-Sicht, außerdem ist abzuwarten, wie sie sich langfristig mit verfassungsfeindlichen und kriminellen Inhalten auseinandersetzt. Und wird sich die Barrierefreiheit weiterentwickeln? Momentan ist Clubhouse für gehörlose Menschen schlichtweg nicht zugänglich.

Twitter wiederum hat im Dezember außerdem ein ähnliches Projekt in der Beta-Phase geschickt: „Twitter Spaces“. Fraglich ist außerdem, ob in einer Zeit nach der Corona-Pandemie noch ausreichend Interesse an einer Live-Audio-Chat-App besteht.

Top 3 Sätze auf #clubhouse 3. Entschuldige, du wolltest noch was sagen. 2. Was meint ihr, wie sich die Plattform entwickeln wird? 1. Und Hate Speech?

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Franziska Gromann