Welcome to the Clubhouse!
In Live-Audio-Chat-Räumen (ohne Video!), sogenannten „Rooms“, können sich Clubhouse-User*innen treffen und zu bestimmten Themen oder einfach ins Blaue miteinander sprechen und diskutieren. Darunter Freund*innen und Bekannte, aber auch noch unbekannte und berühmte Menschen – wie man an der obigen Auflistung sieht: Alle genannten Personen sind bei Clubhouse aktiv.
In den Chaträumen können sich je nach Moderator*in und Einstellungen alle Teilnehmenden zu Wort melden und erhalten Gehör – eine Art Live-Podcast-Radio-Sendung mit Einspruch-Funktion! Das Versprechen außerdem: Die Diskussion bleibe im Raum, es würden keine öffentlich zugänglichen Aufnahmen gemacht – „what happens in the Clubhouse, stays in the Clubhouse!“ Nur wer dabei war, hat es echt erlebt!
Zwischen Feierabend-Bar, TED-Talk und Speaker's Corner
Grundsätzlich also eine tolle Sache, gerade in der Pandemie-Zeit, wo man Alternativen für das Feierabend-Getränk mit den Freund*innen sucht – wo bei Podiumsdiskussionen über Videoplattformen an der spannendsten Stelle die Übertragung ausfällt, Wortmeldungen nicht möglich sind und wo man auch sehr selten noch jemand außerhalb des persönlichen Bekanntenkreises kennenlernt und Networking betreiben kann.
Der Hype um Clubhouse ist jedoch nicht nur damit zu erklären, dass das Unternehmen hier mehr oder weniger in die pandemie-bedingte Bresche springt. Auch durch einen ganz einfachen Marketing-Trick haben die Entwickler der Firma Alpha Exploration Co. dafür gesorgt, dass über ihr Produkt gesprochen und gepostet wird: Momentan können sich nur Menschen mit iPhone und mit einem Einladungscode einen Account in der App einrichten, denn sie befindet sich noch in der Beta-Testphase. Eine Android-Version gibt es noch nicht.
Nur exklusiver Zugang mit Einladung
Wer also auf Clubhouse ist, gehört zur „In-Crowd“, so zumindest das Versprechen, und kann an diesen vielen spannenden Gesprächen mit spannenden Persönlichkeiten teilnehmen. Deshalb erscheint es aktuell auch wenig überraschend, dass Clubhouse-Einladungscodes bei Ebay-Kleinanzeigen für teilweise bis 100€ angeboten werden. FOMO, „fear of missing out“, ist auf Social Media ein starkes Kaufargument.
Datenschützer*innen sehen die App kritisch
Aber es gibt einen Haken – oder sogar mehrere: Als erstes wäre der Datenschutz zu nennen. Zwar kann man bei der ersten Anmeldung auf Clubhouse noch den Zugriff auf die im Telefon gespeicherten Kontaktdaten verweigern. Spätestens, wenn man aber die zwei Einladungen verschicken möchte, die jedem*r Nutzer*in zur Verfügung stehen, muss man diese Informationen mit der App teilen.
Problematisch und vermutlich ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung wäre dabei, dass das Unternehmen so auch an Telefondaten von Menschen kommt, die mit der Verwendung nicht einverstanden sind und im Vorfeld auch nicht über die Weitergabe informiert wurden.
Einmal im Clubhouse gesagt, für immer in der Welt?
Außerdem ist die Frage, was mit den Clubhouse-Gesprächen tatsächlich passiert: Zwar wird vor allem in den USA damit geworben, dass Gespräche in der App danach nicht mehr zugänglich seien und deshalb vor fremden Zugriffen geschützt. Allerdings ist es natürlich kein Problem für Teilnehmende, die Gespräche mitzuschneiden, und Alpha Exploration Co. legt selbst Mitschnitte an. Diese sollen dazu dienen, Verstöße gegen die Community-Richtlinien zu belegen und zu ahnden. Es ist unklar, wie lange die Mitschnitte gespeichert werden.
Ausweichplattform für Alt-Right-Bewegung in den USA
Das führt zu einem letzten – in den USA bereits häufig kritisierten – Punkt: Hate Speech auf Clubhouse. Da die Gespräche live geführt werden, ist es für Teilnehmende sehr schwer, Hate Speech von anderen Teinehmenden zu belegen. Sie können zwar die entsprechenden Personen im Room melden und blockieren – allerdings zieht dies erst eine längere Untersuchung nach sich. Und ähnlich wie in anderen Social Media-Netzwerken wie Twitter ist damit das Problem der weit verbreiteten Hassrede nicht gelöst. Außerdem erfordert die Auswertung der Gespräche noch mehr Kapazitäten als die Text- und Bildanalyse des Kurznachrichtendiensts.
Gerade in den USA hat sich auf Clubhouse die Alt-Right-Szene neu zusammengefunden, seit bisherige soziale Netzwerke stärker gegen Verstöße vorgehen. Oder wie „Parler“ ohne Hosting-Plattform dastehen: Das Netzwerk, auf dem sich vorrangig Trump-Anhänger*innen tummelten, wurde nach dem Sturm auf das US-Kapitol von den großen Tech-Unternehmen fallen gelassen. Mitglieder der Alt-Right vernetzen sich auf Clubhouse nach Berichten in frauenfeindlichen, antisemitischen und rassistischen Diskussionsgruppen, denen auch Verschwörungsmythen viel Gesprächsstoff bieten.
In Deutschland hat Clubhouse inzwischen ebenfalls seinen ersten kleinen Skandal: eine Diskussion zum Thema „Lügenpresse“ zwischen Journalist*innen und Publikum, in die sich auch die rechte Influencerin Anabel Schunke einschaltete wurde in den sozialen Medien heftig kritisiert.
Wie lange uns Clubhouse begleiten wird? Mal sehen...
Was aus der Hype-App Clubhouse auf lange Sicht wird, ist schwer zu sagen. Die App bietet interessante Ansätze, auch wenn viele bereits in Chat-Programmen und Podcast- und Webradio-Stationen realisiert sind. Die neue Zusammenmischung der Teilnehmenden sorgt aber sicher für Impulse. Als erstes müsste allerdings eine Version für iPhone UND Android her.
Kritisch ist die App aus Datenschutz-Sicht, außerdem ist abzuwarten, wie sie sich langfristig mit verfassungsfeindlichen und kriminellen Inhalten auseinandersetzt. Und wird sich die Barrierefreiheit weiterentwickeln? Momentan ist Clubhouse für gehörlose Menschen schlichtweg nicht zugänglich.
Twitter wiederum hat im Dezember außerdem ein ähnliches Projekt in der Beta-Phase geschickt: „Twitter Spaces“. Fraglich ist außerdem, ob in einer Zeit nach der Corona-Pandemie noch ausreichend Interesse an einer Live-Audio-Chat-App besteht.