Bio war immer schon Bio. So kommt es einem zumindest vor, wenn man seine ersten Fernsehauftritte wiedersieht. 1976 bekam Alfred Biolek eine eigene Talkshow im WDR, den „Kölner Treff“.
Seit 1976 moderierte Biolek den „Kölner Treff“
Anfang vierzig ist er damals. Die runde Brille gibt es schon. Auch die Glatze zeichnet sich bereits deutlich ab. Nur das Haar ist noch dunkler. Und die Kleidung etwas mehr Dandy als Studienrat. Unter den Schlaghosen ragen Lederstiefel hervor. Aber das sind Äußerlichkeiten.
In der ersten Sendung ist Ingrid Steeger zu Gast. Das Gespräch könnte besser laufen: Die Schauspielerin ist ein wenig einsilbig, unsicher. Heute würde man sagen: es cringed. Fast zumindest. Säße da nicht Biolek neben ihr auf dem Sofa, der mit seiner verschmitzten Beiläufigkeit die Situation rettet. Offenbar ein Meister darin, es den anderen angenehm zu machen. Auf Augenhöhe.
Ursprünglich soll Biolek Jurist werden
Biolek war sowas wie die Mensch gewordene vertrauensstiftende Maßnahme. Möglicherweise erklärt das, wieso er so vieles im deutschen Fernsehen anders machen konnte und das Publikum ihm trotzdem überallhin folgte.
Dabei sollte aus Biolek eigentlich etwas ganz anderes werden. Der Stuttgarter Juristensohn schlägt selbst die Juristenlaufbahn ein, schließt sogar mit Prädikatsexamen ab. Drittbester seines Jahrgangs in Baden-Württemberg.
1963 steigt er beim ZDF ein, arbeitet als Justitiar in der Rechtsabteilung. Doch es zieht ihn ins redaktionelle Geschäft. Biolek will Fernsehen machen, nicht prüfen. Tun kann er das ab 1970 bei der Bavaria Film in München. Als Produzent der Sendung „Am laufenden Band“ mit Rudi Carell gelingt ihm der Durchbruch.
Zwischen Bürger und Bohemien
Aber auch persönlich ist der Umzug nach München einschneidend für ihn. Biolek wird Teil der hiesigen Künstlerszene, gerät in den Kreis um den Filmemacher Rainer Werner Fassbinder. Und entdeckt seine Homosexualität, auch wenn er erst ab 1991 offen schwul lebte, öffentlich geoutet von Rosa von Praunheim. Der bürgerliche Biolek, wie sein Vater Mitglied der CDU, verwandelte sich in einen Bohemien.
Er habe damals all seine Krawatten verbrannt, hat er mal in einem Interview mit der WELT erzählt. Stattdessen trägt er fortan eine getönte Pilotenbrille, Lederjacke und Skinny Jeans. Vom einen Extrem gelange man eben erst über den Umweg des anderen in die Mitte, hat er später dazu gesagt. Und darin lag wahrscheinlich ein zweites Geheimnis seines Erfolgs: dass er so elegant zwischen beiden Rollen balancieren konnte.
Seine äußere Erscheinung dürfte ihm da geholfen haben. Auch von heute aus hat es einen charmanten Überraschungseffekt, wenn man sieht, wie dieser Mann, der eher die Ausstrahlung eines Bahnhofskioskbesitzers besaß, ganz selbstverständlich mit internationalen Stars parlieren konnte. Vor allem in „Bio‘s Bahnhof“ (1978-82) lässt sich das beobachten, dieser etwas chaotischen Show, abgedreht in einem Eisenbahn-Depot, die wie keine Sendung zuvor E- und U-Musik zusammenbrachte.
Sowas habe er in seinen 53 Jahren im Showgeschäft nicht erlebt, bekannte sogar Sammy Davis Jr. nach einem Besuch im Jahr 1982. „Ich muss gestehen, dass ich noch nie in so einer einzigartigen und wunderbar gemischten Sendung war“, bekannte er.
Mit „alfredissimo!“ erfindet Biolek die Kochshow neu
Dass Biolek den Bahnhof nach vier Jahren wieder aufgab, hatte allein den Grund, dass er ständig auf der Suche war, Neues zu machen. Etwa seine Kochshow „alfredissimo!“, die er ab 1994 präsentierte. Die erste ihrer Art. Kochen im Fernsehen war zwar auch damals nichts Neues. Bei Bio ging es allerdings weniger ums Kochen, als um die Gäste, die sich an Pfanne und Herd anders präsentieren konnten (und mussten!), als in den samtenen Sesseln von Talkrunden.
Unvergesslich ist die Hemdsärmligkeit, mit der Kanzlergattin Hannelore Kohl die Wurstmasse für ihren Pfälzer Saumagen durchknetete. Mit bloßen Händen und hochgekrempeltem Karosakko. Oder die Flamboyanz, mit der der Schauspieler Helmut Berger den Kochlöffel schwang – ganz so, als wollte er mit dem Knoblauch fechten antstatt ihn zu braten.
Und dazwischen Bio, der fröhlich zu viel Wein servierte, Pfeffer aus seiner gigantischen Pfeffermühle dazugab und so gut wie jedem Gericht sein berühmt gewordenes „Mhmmm“ angedeihen ließ. Besser kann es im deutschen Fernsehen nie geschmeckt haben.