Regenbogenflaggen schwingen im Himmel, es ist bunt, laut, fröhlich. Große Wagen fahren langsam durch die Menge, die ihnen tanzend folgt. Aus den Wagen ertönt laute Musik, gespielt von DJs. Es ist ein fröhliches Fest, alle sind bunt angezogen und geschminkt. Es ist der Christopher Street Day. Aber was wird da eigentlich gefeiert?
Heute ist der Juni der „Pride Month“
Jedes Jahr im Juni, dem sogenannten „Pride Month“, feiert die LGBTQIA*-Community mit bunten Paraden überall in Europa auf den Straßen der Städte.
Aischylos beschreibt in der Tragödie „Orestie“ das griechische Konzept des „pathei mathos“: durch das Leiden lernen. Die Community hat sich dieses Konzept zu eigen gemacht und etwas angepasst: Aus dem Schmerz Freude verbreiten, aus einem Widerstand ein Fest machen. Aber es war nicht immer alles bunt und fröhlich, diese Rechte mussten hart erkämpft werden.
Christopher Street: Ein Treffpunkt für die queere Community
Die Geschichte des CSD geht auf das Jahr 1969 zurück. Es war der 28. Juni, viele Menschen der queeren Community trafen sich in der Bar „Stonewall Inn“, einem Szene-Treffpunkt für Schwule, Lesben und Transsexuelle im New Yorker Stadtviertel Greenwich Village. Die Bar lag in der Christopher Street.
In den frühen Morgenstunden startete die New Yorker Polizei eine Razzia. Es war eine von vielen, die sie dort regelmäßig durchführten. Gleichgeschlechtliche Beziehungen waren zu dieser Zeit illegal und die queere Community erlebte seitens der Gesellschaft und der Polizei Diskriminierung und Gewalt.
Ein Widerstand, der für die queere Community Geschichte schrieb
Aber etwas kommt anders an diesem Tag: Die Community rebelliert, will sich behaupten und es kommt zur folgenschweren Stonewall-Revolte. Steine und Flaschen fliegen gegen die Polizei, Widerstand gegen Verhaftungen wird geleistet. Der Aufruhr wird drei Tage andauern. Tage, in denen sich immer mehr Menschen den Protesten anschließen.
„Gay Liberation Front“: Erste politische Bewegung der Community
Es waren vor allem Schwarze und Lateinamerikaner*innen, die den meisten Schikanen ausgeliefert waren und sich verstärkt mit Diskriminierung konfrontiert sahen. Sie gaben den Anstoß für die Revolte, die die Geschichte der LGBTQIA*-Community für immer verändern sollte.
Ab diesem Moment versteht sich die Community selbst auch als politische Gemeinschaft, die für Toleranz und mehre Rechte stehen will. Gleich danach wird die „Gay Liberation Front" gegründet, die erste politische Gruppe.
28.06.1969: Schwule demonstrieren in der Christopher Street
Die Minderheiten innerhalb der Community waren nicht nur Zielschiebe einer auf Sexualität basierenden Diskriminierung, sie erlebten auch Rassismus. Es waren die Tage des Widerstands und der öffentlichen Demonstration: Wir sind da und sind stolz darauf, wie wir sind – das war die Kernbotschaft.
Stolz, „Pride“ auf Englisch: Daher heißt in vielen Ländern diese Feier auch heute oft „Gay Pride“ oder einfach „Pride“, wie in Italien und Frankreich.
Im deutschsprachigen Raum hingegen hat sich der Name Christopher Street Day etabliert, um genau daran zu erinnern, wo die Bewegung ihren Lauf nahm. In den meisten Städten in Deutschland findet die Feier verlagert auf verschiedenen Wochenenden von April bis Oktober statt.
Drags of Monnem: Drag Queens zwischen Bühne und Politik
Die Feier des CSD spielt heute nicht nur eine wichtige Rolle im Gedenken daran, wie die LGBTQIA*-Community damals behandelt wurde, sondern sie ist auch ein Tag des Kampfes für Rechte, die immer noch nicht überall anerkannt werden.
LGBTQIA*-Rechte bedroht vom Rechtsruck in Europa
In Italien sind beispielsweise gleichgeschlechtliche Ehen nach wie vor nicht erlaubt, es gibt dort lediglich die Möglichkeit zu sogenanntene „Zivil-Verbindungen“. In Polen polemisierten konservativen Parteien im Wahlkampf gegen eine „LGBTQIA* Ideologie“, nach wie vor herrscht dort ein unfreundliches Umfeld für queere Menschen.
In Deutschland kann man sich noch gut an die ganzen Kritiken und Attacken konservativer Parteien gegen eine Lesung von Drag Queens für Kinder in München im vergangenen Jahr erinnern. Dies sind nur einige Beispiele, die man in Europa leider bis heute finden kann.
Nicht zuletzt zu erwähnen ist auch die katholische Kirche: Aus einer Sitzung der Kardinäle mit Papst Franziskus wurde bekannt, dass sich der Papst wünsche, „Schwuchteln“ würden von Priesterseminaren ferngehalten. Es scheint vielerorts noch ein weiter Weg bis zur Akzeptanz queerer Menschen.
Mit dem Rechtsruck in Europa werden hart erkämpfte Rechte der LGBTQIA*-Community immer mehr bedroht. Konservative fordern eine homogene und patriarchalisch strukturierte Gesellschaft, in der es keinen Platz für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu geben scheint.
Gestern wie heute soll jeder Tag ein Christopher Street Day sein – gerade auch am Ende des Pride Month.