2023 haben in Deutschland Männer deutlich häufiger Suizid begangen als Frauen.

Zahl der Suizide in RLP ist gesunken

Dreimal so viele Männer wie Frauen nehmen sich das Leben

Stand

2023 haben sich in Rheinland-Pfalz 495 Menschen das Leben genommen. Wieder waren es deutlich mehr Männer, die keinen anderen Ausweg aus ihrer Situation fanden.

Insgesamt haben sich in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr 495 Menschen das Leben genommen (2022: 566). Und wie in allen Jahren davor - deutlich mehr Männer als Frauen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes begingen 372 Männer Suizid. Das sind etwa dreimal so viele Fälle wie bei den Frauen (123). Sozialverbände, Ärzte und Hilfsorganisationen versuchen, auf das Thema aufmerksam zu machen, zum Beispiel am Welttag der Suizidprävention.

In RLP haben sich mehr Männer das Leben genommen als Frauen.

Männern fällt es schwerer, über ihre Gefühle zu sprechen, erklärt Dr. Gerd Wagner vom Universitätsklinikum Jena die auffälligen Zahlen. Es falle ihnen schwerer, sich Hilfe zu holen. "Aber sie greifen auch zu härteren Suizidmethoden. Dadurch können sie auch seltener gerettet werden als Frauen, die sogenannte weichere Methoden wählen." Eine Rolle spiele auch, wie weit die Menschen sozial eingebunden seien, erklärt Prof. Wolfram Schulze, Sozialwissenschaftler an der Hochschule Koblenz. "Männer profitieren oft von den sozialen Kontakten ihrer Frauen. Und wenn die Frau stirbt, brechen oftmals auch soziale Kontakte ab."

Suizidfälle verteilt auf die Altersgruppen in RLP
Dr Gerd Wagner von der Uni Jena: "Männer greifen zu härteren Suzizid-Methoden und werden dadurch seltener gerettet."
Dr. Gerd Wagner, Universität Jena

Suizidrate in RLP im Rhein-Hunsrück-Kreis am höchsten

In Rheinland-Pfalz ist die Suizidrate, also die Zahl der Suizide je 100.000 Einwohner, im Rhein-Hunsrück-Kreis mit 21,7 Prozent landesweit am höchsten. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm ist sie mit 3,8 Prozent am niedrigsten.

Bundesweit starben 2023 rund 10.300 Menschen durch Selbsttötung. Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Das waren mehr als dreimal so viele Todesfälle wie beispielsweise in Folge von Verkehrsunfällen. Jeder 100. Todesfall in Deutschland ist ein Suizid. Anders als in Rheinland-Pfalz nahm die Zahl der Suizide gegenüber dem Vorjahr bundesweit um 1,8 Prozent zu. Im Jahr 2019, dem Jahr mit dem historischen Tiefststand von gut 9.000 Fällen, betrug der Anstieg 14 Prozent.

Prof. Wolfram Schulze von Hochschule Koblenz fordert bessere Suizidprävntion in RLP
Prof. Wolfram Schulze von der Hochschule Koblenz appelliert an die Politik, mehr Geld für Suizidprävention bereitzustellen.

Wie erkennt man, ob jemand suizidgefährdet ist?

Suizidalität ist fast immer mit sozialem Rückzug verbunden!

"Wenn sich jemand ohne ersichtlichen Grund zurückzieht, sollte man hellhörig werden", rät Prof. Wolfram Schulze. Der Wissenschaftler der Hochschule Koblenz ist Mitherausgeber der Zeitschrift Suizidprophylaxe. Trennung, Erkrankung oder Arbeitsplatzverlust sind Lebenskrisen, die Menschen in Verzweiflung stürzen können. "Wenn die Betroffenen dann keine Perspektive mehr für sich sehen, kann das zu Suizidgedanken führen", sagt Schulze. "Ich weiß gar nicht, ob das alles noch Sinn macht", seien Schlüsselsätze, die Betroffene dann manchmal äußerten und die auf Suizidgedanken hinweisen könnten.

Wie kann man Menschen bei Suizidgefahr helfen?

"Auf jeden Fall auf die Menschen zugehen", meint Schulze. Fragen, wie es dem Betroffenen geht, ins Gespräch kommen - das seien die ersten Schritte. Wenn der oder die Betroffene sich öffne, sei es auch okay, direkt nachzufragen, ob es Suizidgedanken gibt. "So eine Frage erhöht keinesfalls das Risiko für einen Suizid, wie manche vielleicht denken. Im Gegenteil: Es eröffnet die Möglichkeit, darüber zu sprechen, wo es Hilfe gibt."

Lebenshilfe Suizid verhindern – Was Fachkräfte und Laien tun können

Pro Jahr töten sich 10.000 Menschen selbst, das sind mehr als im Verkehr, durch Gewalttaten, durch illegale Drogen und Aids zusammen.

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Wie sollte die Suizid-Prävention verbessert werden?

"Das Wichtigste ist, dass die Menschen frühzeitig angesprochen werden", sagt Schulze. "Dafür muss es mehr aufsuchende Sozialarbeit geben, denn Einsamkeit ist ein entscheidender Faktor für Suizidgefahr." An Schulen müsse es mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter geben, die direkt auf die Jugendlichen zugehen könnten. Für alte Menschen, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen, könne ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe oder ein Stadtteil-Projekt ein Angebot sein.

Generell brauche es mehr Sensibilität, meint der Soziologe Schulze. "Hausärzte und Pflegedienste, die einen Verdacht haben, dürfen aber auch mit dem Problem nicht allein gelassen werden. Es gibt viel zu wenige Krisendienste, die in einem konkreten Fall informiert werden können."

Welches gelungene Suizid-Präventionsprogramm gibt es?

Die Caritas bietet Jugendlichen über die Online-Suizidprävention [25] Hilfe. Jugendliche unter 25 Jahren können sich dort per Mail rund um die Uhr melden. Und das Besondere: Die Beraterinnen und Berater sind speziell geschulte Jugendliche. Die Hürde für die Betroffenen, sich Hilfe zu suchen, soll so niedrig wie möglich sein.

"Jugendliche, die in einer Krise sind, müssen niemanden fragen, ob er sie zu einer Beratungsstelle bringen kann", erklärt Schulze. "Sie müssen sich nicht direkt an Erwachsene wenden, sondern können zunächst mit jemandem aus ihrer Peergroup sprechen." Jugendliche seien über solche Online-Angebote am besten zu erreichen. Bei älteren Menschen müssten es dagegen andere, persönlichere Angebote sein - wie etwa Hausbesuche oder Stadtteil-Treffpunkte.

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