Weniger Geburtsstationen

Viele Kreißsäle in Rheinland-Pfalz geschlossen: Hilfe, wo kriege ich mein Baby?

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Fridolin Skala
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In Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren etliche Geburtsstationen in Krankenhäusern geschlossen. Ob dadurch die Versorgung gefährdet ist, ist strittig. Doch eins steht fest: Werdende Mütter müssen immer länger fahren, um in die Klinik zu kommen.

Die Zahl der Krankenhäuser mit Geburtsstationen ist seit 2009 um knapp die Hälfte geschrumpft. Die Hebammen im Land sind alarmiert, Landesregierung und Krankenhausgesellschaft beschwichtigen. Und auch bei der Suche nach Gründen für das Kreißsaal-Sterben gibt es gegensätzliche Positionen.

Die Statistik erschlägt einen schon auf Seite Eins. 44 Prozent der Kliniken mit geburtshilflicher Abteilung wurden seit 2009 in Rheinland-Pfalz geschlossen. In absoluten Zahlen bedeutet das: 23 von 52 Krankenhäusern haben innerhalb von 14 Jahren ihre Geburtsstationen dicht gemacht. So steht es in der aktuellen Übersicht des Hebammen-Landesverbandes Rheinland-Pfalz.

Das jüngste Beispiel ist das Marienhaus-Klinikum in Bad Neuenahr. Hier kommt seit dem 5. Dezember 2022 kein Kind mehr zur Welt. Und so kann - besonders in ländlichen Regionen - bei werdenden Eltern die Frage aufkommen: Wo können wir unser Baby überhaupt bekommen?

2009 gab es in Rheinland-Pfalz noch 52 Krankenhäuser mit Kreißsaal.
2009 gab es in Rheinland-Pfalz noch 52 Krankenhäuser mit Kreißsaal. Bild in Detailansicht öffnen
2022 sind es nur noch 29 Kliniken mit Geburtsstationen in Rheinland-Pfalz.
2022 sind es nur noch 29 Kliniken mit Geburtsstationen in Rheinland-Pfalz. Bild in Detailansicht öffnen

40 Minuten Fahrt zum Kreißsaal sind werdenden Müttern zumutbar

Grundsätzlich sind Eltern bei der Wahl des Geburtsortes frei. Doch nur wenige Eltern entscheiden sich für ein Geburtshaus oder eine Hausgeburt. Laut dem Landeshebammenverband kommen rund 98 Prozent der Kinder in Rheinland-Pfalz in Kliniken zur Welt.

Dass die nächste Geburtshilfe-Abteilung nicht in unmittelbarer Nähe liegt, ist nach offizieller Lesart kein Problem. Um in eine Geburtsklinik zu gelangen, sind Eltern bis zu 40 Minuten Pkw-Fahrtzeit zumutbar. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) von Gesetzlichen Krankenkassen, Krankenhaus- und Ärztevertreterinnen und -vertretern festgelegt.

Ingrid Mollnar findet: "40 Minuten sind zu viel!" Die Vorsitzende des Hebammen-Landesverbandes sagt, es könne nicht sein, dass hochschwangere Frauen noch kilometerweit fahren müssten, wenn sie Wehen hätten oder beispielsweise zur Abklärung eines vorzeitigen Blasensprunges in die Klinik müssten.

Die geburtshilfliche Versorgung in Rheinland-Pfalz ist mittlerweile gerade noch ausreichend. Als Schulnote eine Vier.

Vor allem sei die 40 Minuten-Grenze nicht wissenschaftlich begründet, beklagt Mollnar und ergänzt, trotzdem sei "diese Erreichbarkeitszeit ein Faktor, der in alle Entscheidungen der Politik einfließt".

Für chirurgische und internistische Abteilungen gilt hingegen eine Erreichbarkeitsgrenze von 30 Minuten. "In der Geburtshilfe gibt es aber nicht mehr Sicherheit, was diesen Unterschied rechtfertigen würde. Diese Zeitangaben sind einfach nicht evaluiert", sagt Mollnar. Ihr Fazit: "Die geburtshilfliche Versorgung in Rheinland-Pfalz ist mittlerweile gerade noch ausreichend. Als Schulnote eine Vier."

Landesregierung macht sich bei Geburtskliniken in RLP keine Sorgen

Was sich bei Mollnar nach "dringend versetzungsgefährdet" anhört, klingt bei der rheinland-pfälzischen Landesregierung deutlich positiver. Landesgesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) sagte dem SWR: "Die Versorgung schwangerer Frauen in der Region bleibt gesichert, auch wenn die Fahrtstrecken und die Fahrtdauer sich ändern werden." Die gleiche Meinung vertritt auch die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz.

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Minister Hoch ist darüber hinaus der Meinung, dass "die zu erwartende Patientenbewegung" sogar zu einer Stärkung anderer Geburtshilfen führen kann. Am Beispiel der jüngst geschlossenen Abteilung in Bad Neuenahr rechnet Hochs Ministerium vor: Im Umkreis von Bad Neuenahr liegen acht Geburtshilfestationen, die mit einem Pkw innerhalb von 40 Minuten erreicht werden können.

Legt man aber die strengere 30-Minuten-Grenze zugrunde, kommen noch drei Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen in Frage. Und: Die Fahrtzeiten legen eine normale Verkehrslage zugrunde. Möglicher Berufsverkehr, Unfälle, Staus oder eine vorsichtige Fahrweise, weil eine Frau mit Wehen auf der Rückbank sitzt, sind da nicht mit eingerechnet.

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Doch woran liegt es, dass immer mehr Geburtshilfestationen geschlossen werden? Schaut man auf die Fälle der vergangenen Jahre und spricht man mit Menschen aus der Praxis, treten - auch über die Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz hinaus - zwei Hauptgründe hervor: der Fachkräftemangel und die schlechte Finanzierung von Geburtsstationen.

Der Fachkräftemangel betrifft sowohl Hebammen und Entbindungspfleger als auch Ärztinnen und Ärzte. Gerade in ländlichen Regionen findet sich den Krankenhausbetreibern zufolge nicht genügend Personal.

Studiengang für Hebammen soll Fachkräftemangel stoppen

So war es bei der Schließung des Kreißsaals in Bad Neuenahr. Hier konnten laut Klinik "trotz intensiver Maßnahmen zur Gewinnung neuer qualifizierter Mitarbeitender für die Abteilung" die Chefarztposition und einige Oberarztstellen nicht nachbesetzt werden. Allein in den vergangenen fünf Jahren war der Fachkräftemangel auch für die Schließung der Stationen in Bingen, Birkenfeld, Germersheim und Daun der ausschlaggebende Grund.

Dem Fachkräftemangel wirkt die rheinland-pfälzische Landesregierung nach eigenen Angaben an vielen Stellen entgegen. Prominenteste Stellschraube ist die Einrichtung des Studiengangs Hebammenwissenschaften an der Hochschule in Ludwigshafen. Mit dem kommenden Wintersemester soll das Studium auch an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz möglich sein. Dann soll es jährlich 76 Plätze für neue Hebammen und Entbindungspfleger in Rheinland-Pfalz geben.

Das lobt auch der Hebammenverband und bescheinigt der Landesregierung gute Arbeit. Den Kliniken wirft die Landesvorsitzende Mollnar hingegen vor, nicht ausreichend um Personal zu werben. Vor allem aber glaubt sie, dass der Fachkräftemangel bei der Schließung von Geburtsstationen oft nur als Argument vorgeschoben wird. Das klinge einfach besser als zu sagen, man schließe aus wirtschaftlichen Gründen, ist sich Mollnar sicher.

Mit natürlichen Geburten verdienen Kliniken kein Geld

Denn mit Geburtsstationen machen vor allem kleine Krankenhäuser mit geringen Geburtenzahlen Verluste. Das liegt vor allem an der Finanzierung von Krankenhausleistungen. Die ist in Deutschland weitestgehend über Fallpauschalen (DRGs) geregelt.

So gibt es in der Geburtshilfen wenige lukrative DRGs. Kliniken verdienen beispielsweise mit natürlichen, interventionsarmen Geburten weniger als beispielsweise mit Kaiserschnitten. Noch dazu haben Geburtshilfestationen hohe Vorhaltekosten, etwa beim Personal, weil nicht absehbar ist, wie lange eine Geburt dauert und ob möglicherweise doch noch ein größerer Eingriff notwendig wird. Gerade kleine Kliniken mit niedrigen Geburtenzahlen - so ist es von Politik-, Krankenhaus- und Hebammenvertreterinnen und -vertretern zu hören - haben deshalb defizitäre Abteilungen.

Das System der Krankenhausfinanzierung über DRG-Fallpauschalen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun reformieren und auch die Fixkosten von Abteilungen stärker in den Blick nehmen.

Während es im Gesundheitsministerium in Mainz dazu heißt, das Papier enthalte "gute Ansätze", die Vorschläge der Regierungskommission würden aber noch geprüft, zeigen sich die Hebammen im Land kritischer. Sie setzen einige Fragezeichen an die Pläne und rechnen damit, dass es noch lange dauert, bis eventuelle Reformen umgesetzt sind. Dass bis dahin weitere Geburtskliniken geschlossen werden, ist möglich.

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