Ob Feld, Wald oder Vorgarten – Wildschweine finden vielerorts in Rheinland-Pfalz hervorragende Lebensbedingungen und ausreichend Nahrung. Natürliche Feinde hingegen haben sie nicht. Immer häufiger werden Wildschweine auch auf Feldern, in Gärten, auf Friedhöfen und in der Innenstadt gesehen. Die Schäden für Betroffene sind teils erheblich. Auf der Suche nach Futter verwüsten die Tiere Wiesen, Gärten und sogar Gräber.
Seit Wochen suchen Wildschweine immer wieder den Friedhof in Budenheim bei Mainz heim. Die Folge: Zerstörte Gräber, umgewühlte Erde und wütende Angehörige. Auch der Budenheimer Bürgermeister Stephan Hintz ist betroffen. Er ist oft auf dem Friedhof, sagt er, um das Grab seines Vaters zu besuchen. "Und wenn sie da morgens kommen und sehen, dass es hier verwüstet ist, dann ist das schon eine emotionale Sache", so Hintz.
Bis zu 100 Gräber wurden hier in den letzten Wochen beschädigt. Gerade jetzt im Frühling stehen Regenwürmer und Engerlinge auf dem Speiseplan der Wildschweine - und die finden sie auf dem Friedhof reichlich.
Wildschweine mussten Neubaugebiet weichen
Warum die Borstentiere auf den Friedhof ausgewichen sind, ist für Revierjagdmeister Thomas Köhrer relativ klar. In Budenheim wurden für ein Neubaugebiet riesige Flächen gerodet und den Tieren ein Stück ihres Reviers genommen.
Mensch und Tier rücken also immer näher zusammen. Weil im Stadtgebiet aus Sicherheitsgründen nicht gejagt werden darf, gibt es in Budenheim nur eine Lösung: Prävention. Auf Empfehlung des Revierjagdmeisters will die Gemeinde Budenheim nun einen Zaun um den Friedhof errichten. Kostenpunkt: Rund 30.000 Euro.
Ideale Bedingungen für Wildschweine im Mittelrheintal
Auch in Boppard im Mittelrheintal kennt man die Probleme mit dem Schwarzwild. Schon seit Jahren fühlen sich die Wildschweine hier sozusagen sauwohl. Der Ort biete einfach ideale Bedingungen, erklärt der erste Beigeordneter Helmut Schröder: "Wir haben hier einen so genannten befriedeten Bezirk im Jagdrevier Buchenau. Und da ruht die Jagd. Es ist zu gefährlich, in der Bebauung zu bejagen." Aber manche Betroffene hätten dafür kein Verständnis, sagt Schröder.
Statt Jagd gibt es jetzt Beratung. Die Stadt hat sich mit Horst Gaß einen Wildtier-Manager zugelegt. Seit Ende der 1970er-Jahre ist Horst Gaß als Revierbetreuer in den Bopparder Jagdrevieren unterwegs und ist ein erfahrener Jäger. Er berät Anwohner bei Fragen und Problemen rund um das wühlende Schwarzwild. Einer davon ist Winfried Knopp, in dessen Garten die Wildschweine schon seit Jahren vorbeischauen. Auf Anraten des Wildtiermanagers hat er nun einen Stabmatten-Zaun errichtet. Zu oft haben ihm die Schweine den ganzen Garten durchwühlt.
Früher kamen sie nur in der Nacht. Doch dann wurden die Tiere immer mutiger, jetzt kommen sie auch am Tag - auch dann, wenn Knopp selbst in seinem Garten ist. Einmal hat er sich aufs Dach der Gartenhütte geflüchtet und gewartet, bis die Tiere wieder in sicherer Entfernung waren.
Wildschwein in der Mainzer Innenstadt
Wiesen, Gärten, Friedhöfe - alles noch halbwegs natürliche Umgebung für Wildtiere. Aber was will ein Wildschwein mitten in der Mainzer Innenstadt? Im März hielt ein Schwarzkittel mehrere Tage Anwohner und Polizei auf Trab. Auch Christian Korte staunte nicht schlecht über die Begegnung der besonderen Art.
Ein bisschen ängstlich sei er schon gewesen, erzählt er. "Ich wusste nicht, wie man überhaupt darauf reagiert". Als das Tier erstmal weg war, sei er schon erleichtert gewesen. Mit Helikopter und Wärmebildkamera wurde eine große Suchaktion gestartet. Eine Wärmebilddrohne entdeckte den Keiler schließlich im Bereich der Theodor-Heuss-Brücke. Weil von dem Tier eine Gefahr für Menschen und den Straßenverkehr ausging, wurde in Absprache mit der Jagdbehörde und dem Tiernotdienst entschieden, das Wildschwein zu erschießen. In den Sozialen Medien löste das teils heftige Debatten aus.
Jagd auf Wildschweine gehört zur Prävention
Die Jagd auf Wildschweine gehört für Revierjagdmeister Thomas Köhrer allerdings genauso zur Prävention wie Aufklärung und Zäune. Im Lennebergwald tummelten sich vor 30 Jahren noch gar keine Wildschweine, mittlerweile gebe es eine massive Überpopulation.
Gerade im städtischen Bereich fehle das Großraubwild, so Köhrer. "Den Wolf haben wir hier nicht, wir haben keinen Luchs." Und wenn gegen den Zuwachs nichts getan werde, dann "kriegen wir wirklich große Probleme."
Zum Glück sind solche Zwischenfälle wie in Mainz eher selten. Wo - wie im Lennebergwald zwischen Mainz und Budenheim - die Grenzen von Stadt und Wald verschmelzen, rückt der Lebensraum von Mensch und Wildschwein immer näher zusammen. Da hilft am Ende nur eins, so Revierjagdmeister Köhrer: