Konfektionsgebäude in Gusterath-Tal

Vom Lost Place zum Kreativ-Campus: Neue Ideen für alte Romika-Schuhfabrik

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Autor/in
Martin Schmitt
Martin Schmitt am Mikrofon

Wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit steht das alte Romika-Konfektionsgebäude in Gusterath-Tal. Seit Jahren tut sich in und an dem Gebäude so gut wie nichts. Jetzt gibt es kreative Ideen für den imposanten Bau.

Zehn Kilometer von Trier entfernt im Ruwertal steht das ehemalige Konfektionsgebäude der Schuhfabrik Romika. 1929 im Stil des "Neuen Bauens" errichtet, war es jahrzehntelang der moderne Blickfang im weitläufigen Fabrikgelände an der Ruwer.

Noch bis 1994 wurden dort Schuhe und Stiefel verarbeitet. Seitdem hat das denkmalgeschützte Gebäude mehrfach den Besitzer gewechselt und ist nach und nach in einen Dornröschenschlaf gefallen - denn passiert ist wenig bis gar nichts.

Das ehemalige Konfektionsgebäude der Romika ist ein seltenes Zeugnis der modernen Industrie-Architektur der 1920er-Jahre.
Das ehemalige Konfektionsgebäude der Romika ist ein seltenes Zeugnis der modernen Industrie-Architektur der 1920er-Jahre.

Lost Place im Ruwertal

Der historische Bau verfällt immer mehr: Der Putz bröckelt von der Wand, Fensterscheiben sind eingeschlagen, das Dach ist undicht, es gibt weder Strom noch fließendes Wasser. Aus dem viergeschossigen Industriedenkmal ist fast so etwas wie ein Lost Place geworden - also ein "vergessener Ort".

Blick auf das ehemalige Werksgelände der Romika in Gusterath-Tal: Rund um das Konfektionsgebäude haben sich mehrere neue Betriebe niedergelassen.
Blick auf das ehemalige Werksgelände der Romika in Gusterath-Tal: Rund um das viergeschossige Konfektionsgebäude haben sich mehrere neue Betriebe niedergelassen. Bild in Detailansicht öffnen
Das Gebäude ist in keinem guten Zustand: Putz bröckelt von der Wand, Fensterscheiben sind eingeschlagen.
Das Gebäude ist in keinem guten Zustand: Putz bröckelt von der Wand, Fensterscheiben sind eingeschlagen. Bild in Detailansicht öffnen
Das ehemalige Konfektionsgebäude der Schuhfabrik Romika: Noch bis 1994 wurden hier Schuhe und Stiefel verarbeitet.
In dem ehemaligen Konfektionsgebäude der Romika wurden noch bis 1994 Schuhe und Stiefel verarbeitet. Bild in Detailansicht öffnen
In den vergangenen Jahren hat das denkmalgeschützte Gebäude mehrfach den Besitzer gewechselt.
In den vergangenen Jahren hat das denkmalgeschützte Gebäude mehrfach den Besitzer gewechselt. Bild in Detailansicht öffnen
Als er das Gebäude vor einem Jahr gekauft habe, sei es in einem "miserablen Zustand" gewesen, sagt der neue Besitzer Norbert Brakonier.
Als er das Gebäude vor einem Jahr gekauft habe, sei es in einem "miserablen Zustand" gewesen, sagt der neue Besitzer Norbert Brakonier. Bild in Detailansicht öffnen
Das farblich abgesetzte Treppenhaus aus Ziegelmauerwerk.
Das farblich abgesetzte Treppenhaus aus Ziegelmauerwerk. Bild in Detailansicht öffnen
Der alte Lastenaufzug funktioniert seit Jahren nicht mehr.
Der alte Lastenaufzug funktioniert seit Jahren nicht mehr. Bild in Detailansicht öffnen

Visionäre Architektur mitten auf dem Land

Damit das nicht so bleibt, haben Innenarchitektur-Studierende des Campus Gestaltung der Hochschule Trier Ideen für die künftige Nutzung des Gebäudes entworfen - und zwar im Rahmen einer Bachelor-Arbeit. Auf die Idee dazu kam Marcus Kaiser. Er ist Professor für Innenarchitektur am Campus Gestaltung der Hochschule Trier.

Das Gebäude ist schon außergewöhnlich.

Wenn Kaiser über das ehemalige Konfektionsgebäude in Gusterath-Tal spricht, gerät er ins Schwärmen: "Das Gebäude ist schon außergewöhnlich. Wir befinden uns mitten auf dem Land und da steht plötzlich ein Gebäude, was so ein bisschen an Bauhaus-Architektur erinnert." Das Bauwerk habe eine enorme architektonische Kraft.

Sein Kollege Prof. Martin Schroth, Fachrichtungsleiter Innenarchitektur der Hochschule Trier, sieht das ähnlich: "Das ist ein außerordentliches Zeugnis für die 1920er-Jahre. Der Architekt, der das gebaut hat, war ein Visionär." Die Regeln der modernen Architektur seien dort exemplarisch ablesbar.

So sah das Konfektionsgebäude der Romika kurz nach der Fertigstellung 1929 aus.
So sah das Konfektionsgebäude der Romika kurz nach der Fertigstellung 1929 aus (links). Foto: Werner Mantz, Rheinisches Bildarchiv Köln

Studierende sollen "Romika-Campus" entwerfen

Die Aufgabe der Architektur-Studierenden lautete: Schafft einen "Romika-Campus". In dem ehemaligen Konfektionsgebäude soll das Herzstück eines Kreativ-Campus entstehen. "Wir wollen dort Räume schaffen, die möglichst viel Freiraum für Kreativität bilden und dadurch kreative Menschen anziehen", erläutert Professor Kaiser die Aufgabenstellung.

Und die Ergebnisse der Studierenden können sich sehen lassen: "Es ist ein richtig bunter Blumenstrauß an möglichen Lösungsansätzen entstanden", so Kaiser. "Sie alle haben das Potential, dass man mit dem Ort sehr, sehr viel machen kann."

Die Arbeit von Milla Herrmann mit dem Titel "Inbox".
Ein Campus im Grünen: Ein Entwurf aus der Bachelor-Arbeit von Milla Herrmann mit dem Titel "Inbox". Bild in Detailansicht öffnen
So stellt sich Studentin Mascha Meet den "Romika Campus" vor. Ihre Arbeit lautet "Vernetzt".
So stellt sich Studentin Mascha Meet den "Romika Campus" vor. Ihre Arbeit lautet "Vernetzt". Bild in Detailansicht öffnen
Arbeiten im "Romika Campus". Ein Entwurf von Studentin Mascha Meet.
Arbeiten im "Romika Campus". Ein Entwurf von Studentin Mascha Meet. Bild in Detailansicht öffnen
Viel Platz für kreative Menschen.
Viel Platz für kreative Menschen. Bild in Detailansicht öffnen
Modernes Arbeiten im "Romika Loft": Ein Entwurf von Leo Adams mit dem Titel "New Work Gusterath".
Modernes Arbeiten im "Romika Loft": Ein Entwurf von Leo Adams mit dem Titel "New Work Gusterath". Bild in Detailansicht öffnen
Ein Entwurf von Kim Henkes mit dem Titel "Freiraum".
Ein Entwurf von Kim Henkes mit dem Titel "Freiraum". Bild in Detailansicht öffnen
Die Arbeit von Jana Ingrid Mieskes mit dem Titel "The Versatility Space".
Die Arbeit von Jana Ingrid Mieskes mit dem Titel "The Versatility Space". Bild in Detailansicht öffnen

Es hängt sehr viel Geschichte an diesem Bau.

Der Heimatverein Gusterath verfolgt das Hochschulprojekt mit großem Interesse. Dem Verein ist vor allem wichtig, dass das Gebäude als Mahnmal erhalten bleibt - auch vor dem Hintergrund der bewegten Vergangenheit der Schuhfabrik Romika. "Es hängt sehr viel Geschichte an diesem Bau", sagt der Vorsitzende des Heimatvereins, Frank Reuter.

Daher sei es wichtig, dass der Bau nicht - wie in jüngster Vergangenheit - als Lagerhalle für Sperrmüll oder alte Autos genutzt werde. Der Heimatverein könne sich "unendlich viel" darin vorstellen, sagt Reuter: Ob Theatervorführungen, Co-Working-Space, Kletterhalle, Ausstellungsflächen oder Pop Up Stores - das alles sei in dem Konfektionsgebäude machbar.

Freuen sich über die gelungenen Arbeiten der Studierenden: Frank Reuter und Annette Massing vom Heimatverein Gusterath sowie Prof. Martin Schroth von der Hochschule Trier (v.l.n.r.)
Freuen sich über die gelungenen Arbeiten der Studierenden: Frank Reuter und Annette Massing vom Heimatverein Gusterath sowie Prof. Martin Schroth von der Hochschule Trier (von links).

Besitzer der Immobilie ist offen für Ideen

Bleibt die Frage: Wie steht der Besitzer der Immobilie zu den Plänen? Der Unternehmer Norbert Brakonier hat das Konfektionsgebäude vor einem Jahr gekauft. Er betreibt eine Möbelmanufaktur mit Sitz in Luxemburg und eine dazugehörige Werkstatt in Gusterath-Tal.

Wir stehen der Sache positiv gegenüber.

Er unterstütze die Arbeiten der Studierenden. "Wir stehen der Sache positiv gegenüber", so Brakonier auf SWR-Anfrage. Es werde aber eine Zeit dauern, bis in dem Konfektionsgebäude überhaupt etwas umgesetzt werden könne. Als er das Gebäude gekauft habe, sei es in einem "miserablen Zustand" gewesen.

"Wir werden jetzt erstmal ziemlich viel Zeit und Geld in die Hand nehmen, um daraus etwas zu machen", so der Unternehmer. "Dann schauen wir, was bei den Konzepten der Studierenden herausgekommen ist und was davon umsetzbar ist."

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