Asylpolitik

Flüchtlinge in Trier: Schlaflose Nächte wegen Dublin-Verfahren

Stand
Autor/in
Jutta Horn
Jutta Horn arbeitet als Reporterin für SWR Aktuell im Studio Trier

Viele Geflüchtete in Trier sind über Länder mit EU-Außengrenze eingereist. Dort müssten sie laut Dublin-Verfahren Asyl beantragen. Das bereitet ihnen schlaflose Nächte.

Auf dem Papier klingt es ganz einfach: Das Dublin-Verfahren soll regeln, welches Land für die Asylprüfung zuständig ist. Meist ist es das Land der Ersteinreise nach Europa. Also in erster Linie die Staaten an der EU-Außengrenze. Da Deutschland umringt ist von EU-Staaten, dürfte am Ende hier fast niemand Asyl beantragen.

Die Realität ist eine andere. Im Oktober wurden fast 20.000 Erstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entgegengenommen. Den Flüchtlingen, die in einem anderen europäischen Staat registriert wurden, droht aber die Abschiebung in dieses Land. So will es das Dublin-Verfahren.

Geflüchtete haben Angst vor Abschiebung ins Einreiseland

Eigentlich wollte eine ganze Clique Geflüchteter erzählen, was das Dublin-Verfahren für sie bedeutet. Am Ende erklären sich nur zwei Cousins aus Afghanistan zum Interview bereit. Die anderen schweigen aus Angst vor der Polizei, aus Angst vor der Abschiebung.

Jetzt können wir die ganze Nacht nicht schlafen.

Die beiden jungen Männer sind über Kroatien nach Europa gekommen. Von dort ging es weiter zu Fuß nach Deutschland. In Kroatien wurden ihnen Fingerabdrücke genommen, ihre Registrierung. Inzwischen haben sie einen Dublin-Bescheid. Sie sollen ihren Asylantrag in Kroatien stellen.

Seitdem ist nichts wie vorher, erzählen sie: "Jetzt können wir die ganze Nacht nicht schlafen." "Die Polizei kommt oft hierher. Wir wissen nicht, wofür sie da ist. Aber wenn wir die Polizei sehen, dann denken wir, dass die Polizei für uns da ist und uns festnimmt."

Auch an Schule und Sprachunterricht sei nicht mehr zu denken, meinen sie. "Wenn wir die ganze Nacht nicht schlafen, dann können wir natürlich nichts in der Schule lernen. Jetzt fehlt auch die Lust. Wir haben nicht mehr Lust, die Sprache zu lernen, weil wir hier nicht sicher sind."

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Die lange Flucht zu Fuß nach Deutschland

Dann erzählen die beiden Afghanen von ihrer Flucht. Drei Tage lang in Kroatien im Wald - ohne Wasser, ohne Essen. Später in einer Stadt seien sie festgenommen und in ein Flüchtlingscamp gebracht worden. Dort habe man ihnen Fingerabdrücke genommen und sie registriert.

Nur drei Tage seien sie in der kroatischen Flüchtlingsunterkunft gewesen. Das sei keine Unterkunft wie in Deutschland, sondern nur eine Hütte mit Bänken, auf denen man auch schlafen musste. Nachts seien sie bei Regen nass geworden. Es habe nichts zu essen gegeben, nur manchmal Schokolade. Die beiden Cousins reisen weiter zu Fuß nach Deutschland - ihrem eigentlichen Ziel.

Viele Flüchtlinge hätten Traumatisches in Einreiseländern erlebt

Diejenigen, die sich nicht zu unserem Gesprächstermin trauten, haben einen Offenen Brief geschrieben. Darin schildern die afghanischen Flüchtlinge, die in der Aufnahmeeinrichtung in Trier leben, von dem, was sie bei ihrer Einreise nach Europa erlebt hatten: Von Schlägen, Prügel und Drohungen in Kroatien, Bulgarien oder Griechenland.

Ich wurde mit allem, was ich hatte, auf die Straße gesetzt.

Einer berichtet, wie es ihm in Belgien, seinem Einreiseland, ergangen sei: "Ich habe vier Jahre lang dort gelebt, die Sprache gelernt, gearbeitet, eine Ausbildung abgeschlossen und Steuern gezahlt. Dann wurde mein Asylantrag abgelehnt. Ich wurde mit allem, was ich hatte, auf die Straße gesetzt und war von einem Moment auf den anderen obdachlos. Ich hatte keine Rechte, keine Perspektive, alles war weg." Dann ist er nach Deutschland geflohen.

Ein anderer berichtet von dem, was ihm in Schweden passiert sei: "Ich war neun Jahre lang in Schweden. Ich habe eine Ausbildung zum Mechaniker und zum Holzarbeiter dort gemacht und gearbeitet. Ich hatte Familie und ein gutes Gefühl. Auf einmal habe ich einen Brief bekommen, in dem stand, dass ich das Land verlassen muss."

Für die Menschen bleibt das Gefühl, dass sie überall unerwünscht sind. Sie sagen, es gäbe nicht genug Hilfe für Flüchtlinge in diesen Einreiseländern, auch, wenn das in Deutschland anders gesehen werde.

Flüchtlinge suchen Zukunftsperspektive

Fragt man die beiden Afghanen aus der Trierer Flüchtlingsunterkunft, warum sie Angst haben, nach Kroatien gebracht zu werden, um dort Asyl zu beantragen, dann sprudelt es aus ihnen heraus: "Dort gibt es keine Arbeitserlaubnis. (...) Wir haben keine Chancen uns weiterzubilden. Man bekommt keinen Aufenthaltstitel. Sie geben uns nur das Papier, dass wir in Kroatien angekommen sind und sonst nichts."

Wenn Träume zerplatzen

Die Beiden hatten gehofft, in Deutschland eine Ausbildung machen zu können und Arbeit zu finden, am liebsten im Bereich Elektronik.

Wir sind auch Menschen und wir bitten, uns zu verstehen, dass wir auch ein Herz haben.

Ihre Träume sind die, die andere junge Menschen auch haben. Sie wollen eine Familie und ein normales Leben. Sie bitten: "Wir sind auch Menschen und wir bitten, uns zu verstehen, dass wir auch ein Herz haben."

Doch sechs Monate lang können sie nach Kroatien überstellt werden, sobald Kroatien zugestimmt hat. Nur wenn sie nicht innerhalb der Fristen überstellt werden, geht die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags automatisch auf Deutschland über.

Im September gab es bundesweit 450 Überstellungen nach dem Dublin-Verfahren in die Mitgliedsstaaten, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Anfrage. Die meisten Überstellungen erfolgten nach Frankreich (69), Kroatien (68) und Österreich (62).

In den ersten neun Monaten gab es 4.414 Überstellungen. Das sind 618 mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Ein Hinweis darauf, dass konsequenter abgeschoben wird. Und das sind keine guten Aussichten für die beiden jungen Männer aus Afghanistan.

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