Gunnar Kessler ist unter anderem Chirurg im Verbundkrankenhaus in Wittlich. Er behandelt auch schwerverletzte Motorradfahrer. Im Mai sind das besonders viele. Der Grund: Die Motorradsaison beginnt.
Im SWR Interview erzählt der Arzt, welche Verletzungen typisch bei verunglückten Motorradfahrern sind und wie sich Biker dagegen schützen können.
SWR Aktuell: Herr Kessler, was sind typische Verletzungen bei einem Motorradunfall?
Gunnar Kessler: Wir haben zuletzt viele Motorradunfälle gehabt, die gingen von einer Verrenkung des Sprunggelenks bis hin zu dem Bruch eines Oberschenkels oder Unterarms. Bei Motorradunfällen kommt es häufig zu Knochenbrüchen an Armen und Beinen, aber auch am Brustkorb und Becken, die, wenn sie verletzt sind, große Probleme bereiten können. Auch Wirbelsäulenverletzungen kommen vor.
SWR Aktuell: Welches sind denn die schweren Unfälle, wie sehen da die Verletzungen aus?
Gunnar Kessler: Die Motorradfahrer verletzen sich besonders schwer, wenn sie mit anderen Verkehrsteilnehmern zusammenstoßen. Sie verletzen sich auch schwer, wenn sie vom Motorrad wegrutschen und gegen eine Leitplanke, einen Baum oder Steine prallen. Dabei entstehen dann besonders schwere Verletzungen, die zum Beispiel mit der Zerreißung des Beckens einhergehen oder mit Verletzungen des Brustkorbs und dem Zusammenfall der Lunge sowie inneren Blutungen.
Experte: Schockbilder werden überbewertet Motorradfahrer diskutieren - Unfälle auf Social Media posten oder nicht?
In Social-Media-Gruppen zum Thema Motorrad kommt immer mal wieder die Diskussion auf, ob dort Unfallberichte verlinkt werden sollten oder nicht. Was spricht dafür und was dagegen?
Diese schweren Verkehrsunfälle sind nicht selten mit offenen Verletzungen versehen, beispielsweise der Durchspießung der Haut durch gebrochene Knochen oder Pfosten. Diese schweren Unfälle überleben Motorradfahrer oft nicht.
Ich mache seit über 20 Jahren Chirurgie und man hat regelmäßig schlimme Verletzungen, beispielsweise an Beinen, die dann im Verlauf leider amputiert werden müssen. Die Motorradfahrer sind dort so schwer verletzt, dass sich über die Zeit herausstellt, dass sich das Bein trotz aller Bemühungen nicht mehr retten lässt.
SWR Aktuell: Warum enden denn Motorradunfälle oft mit solch schlimmen Verletzungen?
Gunnar Kessler: Das, was immer fehlt, ist die Knautschzone, die gibt es ja einfach nicht. Und wenn man dann fällt, liegt man halt direkt auf der Straße. Und dort ist man dann nicht nur den Folgen des Sturzes ausgeliefert: Es kommt nicht selten vor, dass Pkw nicht mehr ausweichen können oder der Körper direkt gegen einen Baum oder eine Leitplanke prallt.
SWR Aktuell: Wie oft behandeln Sie verunglückte Motorradfahrer?
Gunnar Kessler: Wir hatten beispielsweise am Wochenende nach Vatertag vier Operationen, die aufgrund eines Motorradunfalls notwendig waren. Das war die Hälfte aller Eingriffe.
Der Mai ist dabei immer ein besonders hervorzuhebender Monat, in dem auch besonders viele Unfälle sind. Das hängt auch mit dem Wetter zusammen, das wieder schöner wird. Die Leute holen dann ihre Maschinen aus dem Keller und fahren. Darunter auch Motorradfahrer, die lange nicht gefahren sind und jetzt wieder anfangen.
SWR Aktuell: Was können Sie als Arzt Motorradfahren mit auf den Weg geben?
Gunnar Kessler: Wichtig ist, dass man sich selbst nicht überschätzt und seine Geschwindigkeit anpasst. Das kann in den meisten Fällen die Unfälle verhindern - aber auch das Tragen von Protektoren, von Stiefeln, von einem Helm, von einem Kopf-Nacken-System, können mehr Sicherheit bieten. Vielleicht sollte man auch, bevor man in die neue Saison startet, ein Fahrsicherheitstraining absolvieren.