Motorradfahren ist ein tolles, aber auch riskantes Hobby. Allein im vergangenen Jahr gab es in Baden-Württemberg über 3.300 Motorradunfälle, bei denen Menschen verletzt wurden. Medienberichte über Unfälle werden hin und wieder auch in Gruppen bei Facebook, WhatsApp und Co. verlinkt. Ob das richtig ist oder nicht, sorgt immer wieder für kontroverse und teils hitzige Diskussionen. In der öffentlichen Facebook-Gruppe um den beliebten Biker-Treffpunkt in Löwenstein (Kreis Heilbronn) "Die Platte" hat Administrator Sven Kupfer die gut 8.600 Mitglieder gebeten abzustimmen.
"Möchten wir Unfallberichte teilen, um daraus zu lernen und Sicherheitstipps zu geben? Oder möchten wir uns lieber auf positive Erfahrungen, Bilder von der Platte und gegenseitige Unterstützung konzentrieren", fragte Kupfer. Am Ende stimmten 80 Prozent gegen das Posten von Unfallberichten.
Was spricht dafür und was dagegen?
Die Argumente in den Kommentarspalten und einer SWR-Umfrage ähneln sich. Befürworter wie Horst Hofmann aus Heidelberg (Rhein-Neckar-Kreis) finden es wichtig, um immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass vernünftig gefahren wird. "Ob ich mit dem Auto oder dem Motorrad unterwegs bin, man erlebt einfach unglaublich viele Dinge, wo einem die Haare zu Berge stehen [...] insofern finde ich es gut, dass man immer mal wieder den Finger in die Wunde legt". Wenn der Bericht sachlich analysiert wird, sagt jemand aus Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg), dann sei es gut, denn so könne man aus Fehlern von anderen lernen. "Es wird ja auch niemanden davon abhalten, Motorrad zu fahren, sondern nur erinnern, dass man vorsichtiger fährt", meint Katharina aus Öhringen (Hohenlohekreis).
Monica aus Berglen (Rems-Murr-Kreis) ist Fahranfängerin auf dem Motorrad. "Man liest es ja auch so und bekommt viel mit, da weiß ich nicht, ob man das jetzt in einer Motorradgruppe auch noch posten muss", sagt sie. In den Gruppen gehe es doch hauptsächlich um den Spaß, um Fahrtipps und darum neue Leute kennenzulernen. "Von daher finde ich es etwas fehl am Platz, wenn man da jetzt irgendwelche Todesnachrichten liest." Ein Gruppen-Mitglied gibt zu bedenken, dass es für die Angehörigen und Freunde traurig und verstörend sein könne, vor allem wenn Kommentare darunter verletzend sind. Ein No-Go sind "Gaffer", die ihre Bilder einstellen, da sind sich viele einig.
Verkehrspsychologe: Wirkung von Schockbildern wird überschätzt
Horst Verheyden vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen ist Verkehrspsychologe und fährt selbst Motorrad. Er sagte dem SWR, die abschreckende Wirkung von Unfallbildern werde überschätzt. Nachhaltige Verhaltensänderungen seien davon nicht zu erwarten. Das sei wie bei den Schockbildern auf den Zigarettenschachteln.
Auch der Versuch, das Unfallgeschehen anhand eines Artikels zu beurteilen, sei schwierig. Denn in Medienberichten oder Veröffentlichungen der Polizei stehe in der Regel wenig zu den genauen Unfallursachen. Angaben wie "überhöhte Geschwindigkeit", "geriet in den Gegenverkehr" oder "bekam die Vorfahrt genommen" seien zu allgemein. Darüber hinaus sei fraglich, wer einen langen und ausführlichen Bericht, der etwas bringen würde, im Internet überhaupt komplett lese, so Verheyden.
Wer einen Artikel oder ein Bild poste, um darauf aufmerksam zu machen, dass hier ein Freund verunglückte, quasi als Todesanzeige, sollte lieber andere Bilder und Texte wählen. In den Todesanzeigen der Zeitungen sei ja auch nicht das Bild des zerfetzten Fahrrades, Autos oder was auch immer zu sehen, erklärt der Verkehrspsychologe.
Auf das Urheberrecht sollte man achten
Wer fremde Inhalte auf Social-Media-Plattformen hochlädt oder postet, muss allerdings aufpassen, dass er oder sie nicht gegen das Urheberrecht verstößt. Deshalb rät das Ministerium für Verbraucherschutz in Stuttgart davon ab. Das reine Verlinken von Medienberichten zu den Originalquellen ist laut Verbraucherportal Baden-Württemberg in den meisten Fällen erlaubt.
Das sagt die Polizei
Für Motorradpolizist Ricky Lowag ist es okay, Unfallberichte zu verlinken, sofern alle Persönlichkeitsrechte der Unfallbeteiligten gewahrt bleiben. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn Berichte aus der Presse in eine Gruppe verlinkt werden. Eigene Bilder vom Unfallort sollte man nach Möglichkeit nicht posten, meint Lowag.
Er kann als Motorradpolizist verstehen, dass Menschen bei ihrem Hobby nicht ständig mit den negativen Seiten konfrontiert werden wollen, so Lowag. Gleichwohl sei es wichtig, sich die Gefahren des Motorradfahrens immer wieder bewusst zu machen.