Unfälle mit hohen Promillewerten

Trierer Verkehrspsychologe erklärt Folgen von Alkoholfahrten

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Autor/in
Sebastian Grauer
Foto von Sebastian Gauer, Redakteur bei SWR Aktuell im Regionalbüro Traben-Trarbach

Immer wieder bauen betrunkene Autofahrer Unfälle, wie zuletzt in Lösnich. Die Polizei zieht dann den Führerschein ein. Ihn wiederzubekommen dauert, sagt Verkehrspsychologe Manfred Engelhardt.

Manfred Engelhardt arbeitet seit mehreren Jahren als Verkehrspsychologe. Er bereitet Menschen auf die sogenannte Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) der Behörden vor. Diese Untersuchung ist in einigen Fällen notwendig, um den Führerschein wieder zu bekommen, wenn die Polizei ihn beispielsweise wegen Alkohol oder Drogen im Straßenverkehr eingezogen hat.

Verkehrspsychologe Manfred Engelhardt
Verkehrspsychologe Manfred Engelhardt berät Menschen, die ihren Führerschein verloren haben und bereitet sie auf die sogenannte Medizinisch-Psychologisch Untersuchung, kurz MPU, vor.

Mit Manfred Engelhardt haben wir über besonders schwere Fälle gesprochen und darüber, wie lange es dauert, bis der Führerschein von den Behörden wieder ausgestellt wird.

SWR Aktuell: Wann genau wird eine MPU angeordnet?

Manfred Engelhardt: Eine MPU wegen Alkohol wird angeordnet, wenn Sie zweimal in zehn Jahren mit über 0,5 Promille im Straßenverkehr aufgefallen sind oder einmal mit 1,6 Promille - egal ob mit Auto, Fahrrad oder E-Roller. Die MPU kennt drei Abstufungen in Bezug auf Drogen oder Alkoholkonsum. Das ist einmal die Gefährdung, eine fortgeschrittene Problematik und dann die Abhängigkeit. Hier ist dann auch eine Therapie Pflicht.

Autofahrer teilweise stark betrunken

SWR Aktuell: Immer wieder sehen wir, dass die Polizei Fahrer mit hohen Promillewerten stoppt oder diese Unfälle bauen, wie das kürzlich in Lösnich der Fall war, wo ein Autofahrer mit 3,14 Promille in einen Kreisel fuhr. Wie kann man mit 3 Promille noch Auto fahren?

Lösenich

Mit 3,14 Promille Betrunkener Autofahrer kracht in Kreisel bei Lösnich

Ein betrunkener Autofahrer ist am Samstagabend mit 3,14 Promille in einen Kreisel bei Lösnich gefahren. Nach Angaben der Polizei wurde der Fahrer dabei leicht verletzt.

Engelhardt: Angenommen, der Klient ist mit über 1,6 Promille im Straßenverkehr aufgefallen. Bei so einem Promillewert hat man schon eine Menge getrunken. Und da kann man schon sagen, dass sich in den vergangenen Jahren eine gewisse Toleranz aufgebaut hat, sodass man überhaupt mit diesen Werten noch etwas koordiniert machen kann. Wenn die Person relativ jung ist, würde ich eine Alkoholgefährdung sehen.

Wenn Sie jetzt natürlich Werte wie 3 Promille oder höher erreichen, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Trinkmengen in den vergangenen Jahren enorm angestiegen sind. Es hat sich eine entsprechende Toleranz entwickelt. Nur so ist es möglich, dass ich mit diesen Werten überhaupt noch fahren oder mich bewegen kann und das sind dann schon massive Hinweise auf eine Abhängigkeit.

Psychologe: Klienten müssen Probleme erkennen

SWR Aktuell: Wie geht das weiter, wenn Sie eine Einordnung vorgenommen haben?

Engelhardt: Mit dieser Erkenntnis bereite ich die Klienten dann auf die MPU vor. Wir besprechen beispielsweise Regeln für den Umgang mit Alkohol. Wir besprechen, nicht für die Wirkung zu trinken, sondern für den Geschmack und den Genuss. Dazu klären wir natürlich auch die Frage, wie der Klient in Zukunft das Trinken und das Fahren trennen will. Das ist eine Frage, die der Gutachter auch in der MPU stellen wird. Gibt es darauf keine Antwort, kann der Gutachter nicht klären, ob es auch in Zukunft wieder zu Auffälligkeiten mit Alkohol im Straßenverkehr kommt. 

Sie müssen wissen, dass der Gutachter, der darüber entscheidet, ob Sie den Führerschein wiederbekommen, sich nicht wirklich für Ihren Führerschein interessiert. Im Gegenteil, je öfter Sie bei der MPU über Ihren Führerschein reden, desto mehr vermutet er, dass Ihre Verhaltensänderung beispielsweise kontrolliert mit Alkohol umzugehen oder das komplette Verzichten auf Alkohol davon motiviert ist, den Führerschein wieder zu bekommen.

In allen Fällen ist die Voraussetzung, sein Verhalten zu ändern. Das kann ich nur dann verändern, wenn ich das Verhalten mit meiner Person in Verbindung bringe und wenn ich mich mit den Ursachen des Alkoholkonsums auseinandersetze. Ich muss für mich selbst die Ursachen für das Trinken erkennen, nur dann kann ich auch mein Verhalten verändern.

SWR Aktuell: Was ist die größte Herausforderung?

Engelhardt: Die Menschen kommen für die Vorbereitung zur MPU zu uns. Sie haben ihren Führerschein verloren, das tut weh, weil es eine Mobilitätseinschränkung ist. Dann ändern sich die Menschen. Sie wollen alles tun, um den Führerschein wieder zurückzubekommen. Sie wollen beispielsweise keine Drogen mehr konsumieren und anders mit Alkohol umgehen. Sie wollen sich regelkonform verhalten. Das ist in der Regel aber nicht von Dauer. Unsere Aufgabe ist es dann zu bewirken, dass die Änderung von Dauer ist. Dass die Änderungen auch von der jeweiligen Person selbst gewollt eintreten, weil sie damit merken, auch zufriedenstellend leben zu können, ohne Drogen und mit weniger Alkohol. Diese Wandlung herbeizuführen, das ist die größte Herausforderung.

Das geht nur über gewisse Stunden, die man mit den Klienten verbringt, sodass ein gewisses Nachdenken und eine gewisse Reflexion einsetzt. Das heißt: Die Menschen müssen erst erkennen, warum sie Alkohol oder Drogen konsumieren. Was ist der Grund dafür?

Nicht jeder bekommt den Führerschein wieder

SWR Aktuell: Was waren denn Ihre schwierigsten Fälle?

Engelhardt: Das war jemand, der in der Alkoholabhängigkeit gelandet ist. Er hat gegen zahlreiche Verkehrsbestimmungen verstoßen. Es war unklar, ob bei ihm nicht wieder ein Rückfall zu erwarten ist. Und dann gab es neben den psychologischen Bedenken auch noch medizinische Fragen, die sich stellten. Darunter, ob er aufgrund seiner chronischen Alkoholerkrankung und seiner angegriffenen Bauchspeicheldrüse überhaupt noch in der Lage ist, ein Fahrzeug zu führen. Der Klient wollte aber seinen Führerschein unbedingt wieder haben. Er hat mehrere Anläufe genommen. Aber am Ende hat es nicht funktioniert.

In einem anderen Fall hat ein Klient gedroht, in der Führerscheinstelle um sich schießen zu wollen. Das war auch nur drei Tage nachdem das Urteil zur Amokfahrt in Trier gesprochen wurde. Da war ich total geschockt und komplett fertig. Daraufhin wurde die Polizei alarmiert, sie hat eine Hausdurchsuchung gemacht und nach Schusswaffen bei dem Klienten gesucht. Den Klienten habe ich seither nicht mehr gesehen.

SWR Aktuell: Bekommen Sie denn mit, wenn Ihre Klienten den Führerschein bekommen?

Engelhardt: Ja, das bekommen wir mit. Und wir wollen das auch wissen von jedem. Und wenn es klappt, freut uns das sehr. Das ist ja das Endergebnis unserer Arbeit. Es gibt aber auch solche Fälle, da sind wir nicht sicher, ob es klappt oder wie lange die Klienten ihren Führerschein behalten.

SWR Aktuell: Was ist ihr Tipp für Autofahrer?

Engelhardt: Am besten ist es nur Auto zu fahren, wenn man nichts getrunken hat. Wenn man Alkohol getrunken hat, sollte man sich ein Taxi nehmen. Das ist günstiger als alles, was kommt, wenn man seinen Führerschein verloren hat. Außerdem kann es länger als ein Jahr dauern, bis der Führerschein wieder ausgestellt wird.

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