Dieter Hahn blickt auf das Gebäude, das das Stadtbild in Idar-Oberstein seit 50 Jahren entscheidend prägt. "Es ist nicht schön. Aber Schandfleck ist die falsche Bezeichnung", sagt der 84-Jährige, der in der Schmuckstadt nach eigenen Angaben die älteste Diamantschleiferei Deutschlands betreibt.
Weltweit erste Diamant- und Edelsteinbörse
Das Börsenhochhaus, 21 Stockwerke und rund 75 Meter hoch, sorgt in Idar-Oberstein schon lange für Diskussionen. Für viele ist der Bau aus der Zeit gefallen, für andere bleibt er ein geschichtsträchtiges Wahrzeichen.
Rückblick ins Jahr 1974: Die Börse in Idar-Oberstein wurde am 29. März offiziell eröffnet. Sie sollte mit dem größten Edelsteinangebot der Welt eine Marktlücke schließen. Rund 100 Händler aus dem In- und Ausland hatten sich in dem Gebäude eingemietet.
Unter ihnen waren auch viele Idar-Obersteiner wie Dieter Hahn. Er war einer der Mitinitiatoren des Börsenvereins, der in den kommenden Jahrzehnten im Hochhaus seinen Sitz haben sollte.
Damals sei zunächst in Frankfurt die Idee entstanden, die deutschlandweit erste Diamantbörse zu eröffnen. "Und dann sagten die Idar-Obersteiner, das geht überhaupt nicht! Wenn eine Diamant- und Edelsteinbörse nach Deutschland kommt, dann muss sie nach Idar-Oberstein mit der Schmuck- und Edelsteinindustrie im Hintergrund", erzählt Hahn.
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Börsenverein gehört zum Weltverband der Diamantbörsen
Die Börse in Frankfurt war nur wenige Jahre später Geschichte. Der Börsenverein in Idar-Oberstein wurde dagegen 1975 in den Weltverband der Diamantbörsen aufgenommen. Mitglieder wie Dieter Hahn hatten damit Zugang zu Fachhändlern in Diamantbörsen in Antwerpen,Tel Aviv und New York. Noch heute vertritt der Verein die Interessen seiner Mitglieder in der Edelstein- und Diamantindustrie. Damals wurde durch die Börse auch der Handelsplatz in Idar-Oberstein internationaler.
Edelstein- und Schmuckhändler aus Indien, Pakistan, Sri Lanka und Ghana kamen in den 1970er und 1980er Jahren nach Idar-Oberstein. "Wir hatten hier auch Besucher aus aller Welt", erinnert sich Dieter Hahn, "aber das Börsengeschehen hat sich ja weltweit geändert."
Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung
Im Laufe der Zeit verlor das Börsenhochhaus als Handelsplatz seine Bedeutung. Immer mehr Büroräume standen leer. Die internationale Konkurrenz war gewachsen. Handel und Schmuckproduktion verlagerten sich ins Ausland. In den 1990er Jahren wurde das Gebäude unter Zwangsverwaltung gestellt. Wegen fortlaufender finanzieller Probleme musste es 2006 zwangsversteigert werden.
Heute gibt es im Hochhaus unter anderem ein Hotel und einige Wohnungen, aber nur noch wenige Edelsteinhändler. Unter ihnen ist Familie Mohammed. Großvater Nazeer ist vor 50 Jahren auf Einladung des Börsenvereins nach Idar-Oberstein gekommen. Heute führt er das Geschäft mit seinem Sohn und seinem Enkel.
Nur noch weniger Händler geblieben
Früher sei zwar deutlich mehr los gewesen, aber auch heute ist das Börsenhochaus für Familie Mohammed ein wichtiger Standort, erzählt Enkel Fayez Ansari Mohammed: "Wenn jemand aus dem Ausland kommt und er nicht weiß, wohin er gehen soll, um seine Rohsteine zu verkaufen, dann kommt er hierhin und geht hier durch die Büros in der Börse", erzählt er.
Für die indischen Händler sei das gut. So würden sie immer noch mit neuen Kunden in Kontakt kommen. Auch deshalb, so erzählt es Fayez Ansari Mohammed, halten sie als einer der letzten Edelsteinhändler der Börse auch nach 50 Jahren die Treue.