In einer Pressemitteilung teilte die Stadt Ludwigshafen mit, dass man vergangene Woche die "illegalen" Schlafplätze entdeckt hatte. Man habe einen Mann dort darauf aufmerksam gemacht, dass er seinen Schlafplatz räumen müsse. Matratzen und andere Gegenstände hätten darauf hingedeutet, dass offenbar mehrere Menschen in der Nähe des Messplatzes und des Hauptbahnhofes in Ludwigshafen wild campieren würden.
Die Stadt betont auf SWR Anfrage, die Obdachlosen-Lager hätten sich ausschließlich auf städtischem Baustellen-Gelände befunden. Dieses sei umzäunt gewesen und Fremde hätten sich gewaltsam Zugang verschafft. Auch hätten Unbekannte unter der Brückenkonstruktion offenes Feuer gemacht und Kabel gestohlen. Zudem verweist die Stadtverwaltung darauf, dass das Lagern auf öffentlich zugänglichen Plätzen oder in Grünanlagen generell verboten ist und einen Platzverweis zur Folge hat.
Stadtreinigung hat Matratzen der Obdachlosen entsorgt
Vor der Räumungsaktion legten städtische Mitarbeiter Zettel an die "illegalen" Schlafplätze, so die Stadtverwaltung. Diese hätten darauf hingewiesen, dass die Lager aufzulösen sind. Da man dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen sei, seien dann zwei Tage später unter anderem mit Hilfe der Stadtreinigung und einem Team des Bereichs Öffentliche Ordnung, Matratzen, Sperr- und Hausmüll in einer mehrstündigen Aktion entsorgt worden. Persönliche Gegenstände habe man an den Lagerplätzen keine gefunden.
Kirchliche Träger wussten von der Aktion nichts
"Das ist nicht die erste Aktion dieser Art der Stadt Ludwigshafen", erklärt Vera Klaunzer von der Evangelischen Kirche der Pfalz. Sie engagiert sich in der Suppenküche an der Apostelkirche. Dort habe sie mehr oder weniger zufällig von der Räumung der Lager erfahren, sagt Klaunzer. Und weiter: "Ein Gast hat uns den Zettel der Stadt gezeigt und erzählt, dass er von zwei Männern wisse, die so ihren Schlafplatz verloren haben".
Extremer Mangel an Schlafplätzen für Obdachlose
"Wir wünschen uns grundsätzlich einen anderen Umgang mit obdachlosen Menschen in Ludwigshafen", erklärt Vera Klaunzer. In der Stadt gebe es einen massiven Mangel an kurzfristig beziehbaren Schlafplätzen, gerade jetzt in der kalten Jahreszeit.
Die Kirchenmitarbeiterin zählt auf: Die Caritas biete im Haus St. Martin fünf Schlafplätze, die immer belegt seien. Aktuell also keine Chance, dort unterzukommen. Das "Sleep in", das insbesondere Schlaf-Angebote für suchtkranke Menschen bereit hielt, habe schon lange geschlossen. Auch geschlossen sei aktuell die Kältewohnung in der Bayreuther Strasse in den städtischen Notunterkünften.
Einen Kältebus gibt es nicht in Ludwigshafen
Einen Kältebus gibt es in Ludwigshafen auch nicht. Den hat man laut Stadtverwaltung abgeschafft, da das Angebot in der Vergangenheit zu wenig genutzt worden sei. Lediglich das Team der "Rohrlachstube", ein Tagestreff für obdachlose Menschen der Jona-Kirchengemeinde, bringt den Betroffenen einmal in der Woche warme Kleidung und bei Bedarf Decken und eine warme Suppe an den Berliner Platz.
"Wir fragen ständig bei der Sozialdezernentin Beate Steeg nach, ob und wie man für mehr Schlafplätze für die obdachlosen Menschen in Ludwigshafen sorgen könne, doch bisher vergeblich", erklärt Kirchenmitarbeiterin Klaunzer.
Ordnung wichtiger als Unterstützung?
Nun hat sich auch Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bähr zur Räumungsaktion geäußert. "Hier wird durch eine Verwaltungsbehörde der Ordnungsgedanke über den Unterstützungsgedanken gestellt. Das schockiert uns" so Bähr.
Ein Schlafsack, eine Decke, das stelle für manche Menschen in unserer Gesellschaft das Mindestmaß an Privatheit und Schutz da.
Dass Betroffene nicht immer sofort zu bewegen sind, diesen Raum aufzugeben, sei menschlich nachvollziehbar. In letzter Konsequenz die Schlafstätten zu entsorgen, könne man nicht gutheißen, kommentiert der Landesdiakoniepfarrer das Vorgehen der Stadtverwaltung.
Armut stellt nicht unmittelbar eine Gefahr dar
"Mittellosigkeit darf nicht automatisch gleich gesetzt werden mit einer Gefahr für den öffentlichen Sektor", ist die Meinung von Albrecht Bähr.
Auch Mitarbeiter anderer sozialer Träger kritisieren das Vorgehen der Stadt. Man wolle beim Bürger den Eindruck erwecken, man "räume auf", so die Mitarbeiterin eines Sozialträgers, die anonym bleiben möchte. Aber es handle sich nicht um illegal abgelagerten Müll, sondern um Menschen.
Die Stadtverwaltung betont, man habe die Lager im Baustellengelände für die zukünftige Helmut-Kohl-Allee räumen müssen. Auch zum Schutz der Menschen, die sich auf dem Baustellengelände befunden hätten.