Die Deutsche Bahn (DB) wirft der GDL vor, sie handle "unverantwortlich", indem sie den Konflikt verschärfe, statt zu verhandeln. Die Gewerkschaft hält dagegen: Das aktuelle Angebot der Bahn sei "keine Verhandlungsgrundlage". Beide Seiten steuern damit auf einen Rekordstreik zu, was die Dauer angeht. Er soll von Mittwoch bis Montag dauern.
Die Strategie der GDL ist auch aus Sicht von Experten ungewöhnlich. "Das widerspricht ja der normalen Abfolge von Tarifverhandlungen", sagt etwa Sozialwissenschaftler Stefan Sell von der Hochschule Koblenz, der sich schon lange mit Arbeitskämpfen befasst.
Lokführer-Ausstand bis Montag Stillstand - Wie Pendler in Rheinland-Pfalz vom Streik bei der Bahn betroffen sind
Der Streit zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Bahn ist in der nächsten Runde. Seit der Nacht auf Mittwoch streiken die Lokführer im Personenverkehr. Auch viele Züge in RLP fallen aus.
Sell: Problematisch, dass bisher kaum verhandelt wurde
Laut Sell haben Deutsche Bahn und GDL seit Beginn des Tarifkonfliktes im November erst 14 Stunden verhandelt, ansonsten sei viel gestreikt worden. Das sei problematisch. "Das ist unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit - aufgrund der Drittwirkung - die wir haben, mindestens diskussionsbedürftig", so Sell im Gespräch mit dem SWR.
Er hätte erwartet, dass sich die Gewerkschaft mit der DB an den Verhandlungstisch setze, um über das neueste Angebot zu reden. Wenn man dann nach mehrtägigen Tarifgesprächen zu dem Ergebnis komme, wir kriegen keine Einigung, "dann kann man so einen Hammer rausholen", meint Sell mit Blick auf den sechstägigen Streik. Ohne Verhandlungen sei "diese Eskalation problematisch". Auch wegen der Auswirkungen auf den Güterverkehr und damit die Wirtschaft sowie die Millionen Pendler, die auf die Bahn angewiesen seien.
Eisenkopf: Es geht hier um so eine Alles-oder-Nichts-Logik der GDL
Die GDL sei traditionell immer widerborstig, meint Alexander Eisenkopf, Professor für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Das spiegele sich auch in der Person ihres Vorsitzenden Claus Weselsky wider. Der verfolge eine "Alles-oder-Nichts-Logik", nach dem Motto: "Wir wollen das jetzt und wenn ihr da nicht mitspielt, dann ziehen wir das durch." Eisenkopf ist überzeugt, dass es für den sechstägigen Streik wenig Verständnis gibt: "Das hat Null Sympathien in der Bevölkerung."
Auch mit Blick auf andere Berufsgruppen - beispielsweise Erzieherinnen und Beschäftigte in der Krankenpflege, die nicht so eine große Wirkung mit Streiks entfachen können -, wirkt das Vorgehen der Lokführer für viele überzogen. "Wenn man sich anschaut, was ist die Forderung der Gewerkschaft? Was ist das Angebot der Deutschen Bahn? Dann scheint das irgendwie aus den Fugen geraten zu sein, dass man da so einen Streik anzettelt", meint Alexander Eisenkopf.
Mit 35 Stunden wären Lokführer die privilegiertesten Bahnbeschäftigten
Er halte es für nicht nachvollziehbar, dass die GDL über das jüngste Angebot der Bahn, das ein Lohnplus und mit 37 Stunden eine Stunde weniger Arbeitszeit vorsieht, nicht einmal verhandeln will. Die Gewerkschaft fordert, die Arbeitszeit für die Lokführer auf 35 Stunden zu senken - bei vollem Lohnausgleich. "Mit der 35-Stunden-Woche wären sie dann die privilegiertesten Bahnbeschäftigten", stellt Eisenkopf klar.
Sollte die Bahn dieser Forderung nachgeben, hätte sie aus Sicht von Eisenkopf und Sell die nächsten großen Probleme am Hals. Zum einen würden sie dann noch mehr Lokführer benötigen, von denen es schon jetzt zu wenige gibt. Zum anderen würde die größere Bahngewerkschaft EVP die tariflichen Verbesserungen auch für ihre Mitglieder fordern.