Nach jahrelangem Boom schwächelt die Baubranche. Unternehmen müssen in die Insolvenz und reißen zum Teil Wohnungskäufer und Häuslebauer mit in finanzielle Schwierigkeiten. Lösungen liegen seit Jahren in Berlin auf dem Tisch, doch werden nicht genutzt.
Fast wöchentlich schaut Peter Ganzer aus Neuwied auf seiner Baustelle vorbei. Doch seit gut einem halben Jahr passiere hier gar nichts. Die Fassade ist nicht verputzt, überall liegt Bauschutt herum und Rohre ragen aus dem Gebäude. Wohnen kann er in dem Haus noch lange nicht. Eigentlich sollte hier seine Traumwohnung gebaut werden. Um sich die 250.000 Euro teure Wohnung leisten zu können, hat der Rentner seine alte Immobilie verkauft und einen Bauträger beauftragt, die Immobilie zu bauen. Jetzt steht er vor dem Nichts, denn dieser Träger steckt in finanziellen Schwierigkeiten.
Ein riesiges Problem: Ein Bauträger, erwirbt im Auftrag des Kunden ein Grundstück und bebaut es. Erst mit Schlüsselübergabe bekommen die Käufer auch Wohnung und Grundstück endgültig überschrieben. Die Leidtragenden sind Peter Ganzer und noch sieben weitere Käufer. Der Unternehmer schreibt dem ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ auf Anfrage, dass er gerade Grundstücke verkaufe, um wieder liquide zu werden und weiterbauen zu können. Außerdem seien die hohen Baukosten und gestiegenen Zinsen schuld an der Misere. Der Bausektor sei zum Erliegen gekommen.
Insolvenzen im Baugewerbe – Tendenz steigend
Diese Einschätzung teilen Branchenverbände und Experten. Bundesweit kommt es vermehrt zu Insolvenzen. Bauunternehmer, Bauträger und Projektentwickler gehen bankrott. Insgesamt meldeten im vergangenen Jahr 81 von 10.000 Unternehmen aus dem Baugewerbe Insolvenz an. Deutlich mehr als im Durchschnitt, der am häufigsten betroffenen Branchen. Und das könnte laut Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut in München erst die Spitze des Eisbergs sein. Denn die Stimmung und die Aussicht sind so schlecht wie noch nie. Das Geschäftsklima gab Anfang des Jahres noch einmal nach, wie er mit seiner monatlichen Umfrage herausfand. Der niedrigste jemals gemessene Wert: "Insbesondere der Ausblick ist wirklich düster. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in der nahen Zukunft weitere Baufirmen Pleite gehen, weil die Aufträge zurückgehen, sie Stornierungen haben und die Finanzierungskosten hoch sind. Es kann sein, dass das ein oder andere Unternehmen, das nicht überleben wird."
Torsten Theiß: "Ich verfluche den Tag, an dem ich unterschrieben habe"
Wenn Bauträger Pleite gehen, können sich die Verfahren über Jahre hinziehen. Wie in Mannheim. An die hundert Wohnungseigentümer protestieren hier immer wieder vor ihren nicht fertiggebauten Wohnungen.
Der Bauträger meldete vor drei Jahren Insolvenz an. Doch noch immer können sich Banken und ein neues Bauunternehmen nicht auf ein Vorgehen einigen, erzählt Torsten Theiß. Er hat auch eine Wohnung im Mannheimer Postquadrat gekauft und wartet seitdem auf die Fertigstellung. Wahrscheinlich ist, dass es für alle hier teurer wird. Auch für das Ehepaar Theiß, glaubt Torsten Theiß: "Man steht damit auf, man geht damit ins Bett, sieben Tage die Woche. Das belastet mich nervlich, so dass ich Blutdrucktabletten nehmen muss. Ich verfluche den Tag, an dem ich unterschrieben habe." Mit einem Einzug rechnen sie frühestens nächstes Jahr - wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt.
Rechtsanwältin: "Familien kommen in existenzielle Notlagen."
Rechtsanwältin Manuela Reibold-Rolinger, Fachanwältin für Baurecht, kennt solche Probleme. Die meisten Käufer würden im Voraus und nach jedem Baufortschritt zahlen. Bei Insolvenz sei dieses Geld meist unversichert und weg. Hier müsse das Bauvertragsrecht geändert werden, so die Rechtsanwältin: "Der Schutz privater Bauherren, also der Verbraucher, ist vor allen Dingen in der Insolvenz überhaupt nicht gegeben. Meines Erachtens besteht vor allen Dingen im Bauträgerrecht großer Handlungsbedarf, weil ein Verbraucher bei einer Insolvenz eines Bauträgers wirklich Schiffbruch erleidet."
Bereits vor zehn Jahren wollte man in Berlin das Thema angehen. Das Bundesjustizministerium setzte eine Arbeitsgruppe daran, Vorschläge zu machen. Doch die Arbeiten wurden ausgesetzt. Erst unter der nächsten großen Koalition kam das Thema wieder auf die Agenda. Und wurde sogar im damaligen Koalitionsvertrag aufgenommen. Die Arbeitsgruppe gab 2019 eine Empfehlung ab, wie das Gesetz zu reformieren sei. Doch das damals SPD-geführte Ministerium schaffte es nicht, ein Gesetz auf den Weg zu bringe. 2020 wollte die FDP, damals in der Opposition wissen, was los ist. Die Antwort: "Die Arbeiten an dem Vorhaben sind noch nicht abgeschlossen."
Fast vier Jahre später bekommt das ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ auf seine Anfrage von FDP-Minister Marco Buschmann fast dieselbe Antwort: Man prüfe noch und die Überlegungen seien noch nicht abgeschlossen: "Das geltende Bauvertrags- und Bauträgervertragsrecht enthält bereits einen weitreichenden Schutz für den Fall, dass (…) der Unternehmer während der Bauphase insolvent wird. Verbesserungspotential gibt es womöglich (…) in dem Fall, dass das Bauvorhaben wegen Insolvenz des Unternehmers von diesem nicht fertiggestellt wird."
Für Peter Ganzer und Torsten Theiß bedeutet diese Antwort, dass sie vorerst auf sich selbst gestellt sind - ohne eigene Wohnung. Dafür aber mit mehr Schulden.