Verschwörungsideologien und Waffen-Affinität

"Reichsbürger" in Rheinland-Pfalz - nur Einzelfälle?

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Umsturzphantasien und Terrorpläne: Die jüngste Großrazzia gegen "Reichsbürger" hat für Aufruhr gesorgt. Auch in Rheinland-Pfalz sind "Reichsbürger" bereits mehrfach aufgefallen.

Nach der bundesweiten Razzia gegen ein Netzwerk von "Reichsbürgern" Anfang Dezember sind die Anhänger dieser Verschwörungsideologien erneut in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Von den 25 Festnahmen im Zuge der Razzia war keine in Rheinland-Pfalz, hier wurden fünf Objekte von der Polizei durchsucht: in Neustadt an der Weinstraße, Bingen, Ingelheim, Kaiserslautern und Mainz. Die Ermittlungsbehörden gehen bundesweit von einem größeren Netzwerk von Mitwissenden und Unterstützern aus.

Sogenannte Reichsbürger sind in Rheinland-Pfalz jedoch bereits häufiger in Erscheinung getreten. 2019 etwa wurden bei einem Waffenhändler in Kordel in der Eifel Waffen und Sprengkörper beschlagnahmt. Behörden rechneten ihn der "Reichsbürgerszene" zu, daher war es ihm untersagt, Waffen zu besitzen oder mit ihnen zu handeln. Der Aufforderung, sie abzugeben, war er nicht nachgekommen.

"Querdenker" und "Reichsbürger" nach der Flutkatastrophe

Auch bei der Flutkatastrophe 2021 sind "Reichsbürger" in Erscheinung getreten: Der ehemalige Bundeswehroberst und "Reichsbürger" Maximilian E. hat zusammen mit einer Gruppe um den "Querdenker" Bodo Schiffmann in einer Grundschule ein "Versorgungszentrum" in Bad Neuenahr-Ahrweiler eröffnet - alles ohne Absprachen mit den Behörden. Schnell schlossen sich "Helfer" aus der rechtsextremen Szene an, darunter ein bekannter Holocaustleugner. In der Zeit nach der Flut zeigte sich der Ex-Soldat Maximilian E. in Bundeswehr-Uniform - obwohl das verboten ist. Das Tragen von Uniform und Abzeichen ohne Berechtigung ist Missbrauch von Abzeichen und strafbar. Im Oktober erging ein Strafbefehl gegen E., keine zwei Monate später wurde der in Bayern lebende E. im Zuge der Großrazzia festgenommen.

Im April hat es ebenfalls nach Durchsuchungen Festnahmen in der "Reichsbürgerszene" gegeben: Fünf Personen wurden als Kern einer extremistischen Chatgruppe identifiziert und festgenommen. Einer der Hauptbeschuldigten stammt aus Neustadt an der Weinstraße. Die Beschuldigten sollen Anschläge und die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben. Aus dem Umfeld dieser Gruppe wurde im Oktober zudem eine 75-Jährige festgenommen, die früher in Rheinland-Pfalz Lehrerin war. Sie soll Waffen und Sprengstoff besorgt haben.

In diesem Jahr gab es in Edenkoben in der Pfalz einen Polizeieinsatz, nachdem ein Anhänger der "Reichsbürgerszene" einen Gerichtsvollzieher bedroht hatte. Zuletzt publik wurden Ermittlungen gegen einen Mainzer Hofsänger. Gegen ihn wird im Zusammenhang mit der bundesweiten Razzia ermittelt.

Insgesamt gehen die Behörden davon aus, dass mehrere hundert Menschen im Land dieser Szene und den Ideologien zuzurechnen sind. Der Verfassungsschutz zählt in Rheinland-Pfalz etwa 850, 2020 waren es 700. Rund 100 davon sind demnach gewaltbereit.

13 "Reichsbürger" dürfen Waffen besitzen in RLP

13 sogenannte Reichsbürger hatten - Stand Ende August - eine waffenrechtliche Erlaubnis. Sieben von ihnen haben einen Kleinen Waffenschein, sechs eine Waffenbesitzkarte. Das waren mal mehr: Ursprünglich waren es in Rheinland-Pfalz 86 Personen. In 69 Fällen wurden den Personen die waffenrechtliche Erlaubnis mitsamt der Waffen entzogen, teilt das Innenministerium mit. Generell schätzt der Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz die "Reichsbürgerszene" als sehr Waffen-affin ein.

Wie viele Waffen unerlaubt im Umlauf sind - generell und in diesem Personenkreis - kann das Innenministerium nicht verlässlich beziffern. Erst am Donnerstag hat die Polizei in Landstuhl (Kreis Kaiserslautern) mehrere unerlaubte Waffen bei einem Ehepaar (63 und 65 Jahre) gefunden. Bislang gibt es in diesem Fall laut Polizei jedoch keine Hinweise darauf, dass der Mann und die Frau der "Reichsbürgerszene" angehören.

"Einzelfälle" finden sich im ganzen Land

Polizeipräsidien, Gerichte und Verwaltungen in ganz Rheinland-Pfalz berichten auf SWR-Anfragen, dass bei ihnen seit Jahren Anhänger der "Reichsbürger" auffallen. In manchen Regionen nehme das zu, das berichten etwa das Polizeipräsidium Westpfalz und das Amtsgericht Kaiserslautern. In anderen Regionen wie Trier sprechen die Behörden von Einzelfällen, die jedoch immer wieder vorkommen. Solche "Einzelfälle" finden sich über ganz Rheinland-Pfalz verteilt.

Verwaltungen und auch die Polizei sehen sich bei Anhängern der "Reichsbürger"-Ideologie häufig mit ausführlichen und umfangreichen Schreiben und Briefen konfrontiert, die mit abstrusen Behauptungen und Forderungen gespickt sind. Vereinzelt seien auch Drohungen und Anfeindungen dabei. Doch so krude diese Schreiben und Argumentationen oft sind: Sie müssen bearbeitet werden, was in Verwaltungen, Gerichten und Polizeipräsidien vermehrt Arbeit macht und Personal bindet.

Oft müssen die Behörden die Zuverlässigkeit dieser Personen überprüfen, wenn sie Waffen besitzen dürfen. Aktuell gibt es im Kreis Germersheim und im Kreis Bad Dürkheim jeweils ein Verfahren zum Entzug der Waffenerlaubnis gegen Menschen, die der "Reichsbürgerszene" zugeordnet werden. Beide Verfahren sind noch nicht abgeschlossen, weil die Betroffenen Widerspruch einlegt haben.

Behörden und der Experte beim DGB Pfalz für Rechtsextremismus, Rüdiger Stein, schätzen, dass es rund 80 bis 100 Personen in der Pfalz gibt, die zur "Reichsbürgerszene" gehören. Die einzelnen Akteure und Gruppen sind meist über soziale Medien vernetzt. Im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen traten sie mehrfach offen auf.

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