Alle Zahlungen der Stadt müssen über städtische Konten laufen. Diese Regel hat die Stadt Neustadt an der Weinstraße nicht beachtet, weil jeder Ortsvorsteher verbotenerweise ein eigenes Girokonto für seinen Ortsteil geführt hat. Eine eklatante Missachtung des Haushaltsrechts schreibt der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz.
Stadt Neustadt: "Keine Betrügereien"
Die Stadt Neustadt hat die Existenz dieser Konten eingeräumt und nach eigenen Angaben schon damit angefangen, die Konten aufzulösen und das Geld auf das zentrale Konto der Stadt zu überweisen. "Zum neuen Jahr werden wir mit einem einzigen Konto arbeiten", sagt der Verwaltungsleiter der Stadt Neustadt dem SWR.
"Die Konten dienten sowieso nur dazu, möglichst flexibel Weinfeste und andere Veranstaltungen in den Ortsteilen zu organisieren." Es habe keinerlei Betrügereien gegeben, betont er. Ob wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen ist, muss die Stadt selbst prüfen, sagt ein Sprecher des Landesrechnungshofs.
"Für Mußbach kann ich definitiv ausschließen, dass Schindluder mit dem Geld getrieben wurde", sagt der Mußbacher Ortsvorsteher Dirk Herber dem SWR. "Und auch für meine anderen Kollegen würde ich die Hand ins Feuer legen. Da ist nichts Schlimmes passiert."
Rechnungshof: Mit Kassen Rechnungen bezahlt
Die Konten hätten die Organisation von Festen erleichtert, sagt die Stadt. Betreiber von Essens- oder Getränkeständen hätten auf diese grauen Kassen ihre Standmiete eingezahlt. Mit dem Geld hätten die Ortsvorsteher auf der anderen Seite dann Rechnungen des Ortsbezirks bezahlt. Zum Beispiel für Musikdarbietungen bei Volksfesten, Handwerkerrechnungen, Geschenke für offizielle Geburtstage im Ortsbezirk oder für Werbeartikel.
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Nur eine Kasse erlaubt - die Stadtkasse
Der Rechnungshof sagt: Für den Umgang mit kommunalem Geld gelten strenge Regeln. Das Geld müsse zum Beispiel wirtschaftlich eingesetzt werden, es sollte sparsam ausgegeben werden, bei Geldgeschäften sollte das Vier-Augen-Prinzip gelten. Um diese strengen Regeln einzuhalten, schreibe die Gemeindeordnung grundsätzlich eine zentrale Kasse vor. In einer kreisfreien Stadt sei das die Stadtkasse. Parallele Kassen in den Ortsbezirken seien verboten.
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Gegen Prinzipien der ordnungsgemäßen Kassenführung
Weil es die in Neustadt an der Weinstraße aber trotzdem gab, wurde gegen sämtliche Prinzipien der ordnungsgemäßen Kassenführung verstoßen. Die Ortsvorsteher hätten Überweisungen und Bargeldabhebungen allein machen können. In einigen Fällen wären die Ortsvorsteher sogar selbst Kontoinhaber gewesen. Heißt: Zahlungen des Ortsbezirks wurden über private Girokonten abgewickelt.
Darüber, dass diese Art der Kassenführung verboten ist, ärgert sich Dirk Herber, Ortsvorsteher in Mußbach. "Es war eine pragmatische Lösung, so ein Konto zu haben. Wir haben daran ja weder etwas verdient, noch verloren. Aber Zahlungen konnten schnell und flexibel abgewickelt werden." Das sei jetzt anders, wenn alles über das zentrale Neustadter Konto laufen soll. "Für unsere Feste werden wir jetzt stattdessen einen Förderverein gründen", sagt Herber. "Der übernimmt dann die Zahlungsabwicklung anstelle der Stadt."
Relikte aus alten Zeiten
Die Konten seien von einem Ortsvorsteher zum nächsten weitergegeben worden, man habe das nie hinterfragt, sagt Claus Schick, Ortsvorsteher des Ortsteils Lachen-Speyerdorf. "Die stammen aus der Zeit vor der Eingemeindung der Ortsteile." Auch Schick sagt, die Konten seien nur ein formelles Problem, es sei daraus niemandem ein Schaden entstanden.
Graue Kassen nie regelmäßig von der Stadt geprüft
Mindestens ein Ortsvorsteher hat laut Rechnungshof nach seinem Ausscheiden aus dem Amt die Kontoauszüge mit nach Hause genommen. Eine Kontrolle sei damit nicht mehr möglich gewesen. Ungeachtet von diesem speziellen Fall seien diese grauen Kassen auch nie regelmäßig von der Stadt geprüft worden. Heißt im Klartext: Wenn über diese grauen Kassen städtisches Geld verschwunden wäre, hätte die Stadtverwaltung davon vermutlich nichts mitbekommen.
Darüber hinaus hat der Rechnungshof festgestellt: Die Standmieten, die auf diese Kassen eingezahlt wurden, hätten informelle Gremien festgelegt, obwohl das Aufgabe des Stadtrates gewesen sei.
Nichts von grauen Konten gewusst?
Als der Rechnungshof die Stadtverwaltung mit den Feststellungen konfrontierte, hat die laut Kommunalbericht zunächst behauptet, sie wisse gar nichts von den grauen Konten. Der Rechnungshof widerspricht dem. Die Stadtkasse selbst habe den Ortsvorstehern sogar Geld auf ihre grauen Kassen überwiesen. Schon allein deshalb sei bekannt gewesen, dass dort städtisches Geld verwaltet wurde.
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