Rund zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass in der Ortsgemeinde Gillenfeld im Kreis Vulkaneifel die Idee für eine ganz neue Wohnform entstand - das "Wohnen in einer sorgenden Gemeinschaft". In zwei Wohnhäusern in der Ortsmitte sollten 13 barrierefreie Wohneinheiten entstehen, dazu Gemeinschaftsbereiche.
39 Gillenfelder gründeten dafür eine Genossenschaft, kauften ein Grundstück und fingen mit dem Bau der Häuser für den "Florinshof" an. "Wir hatten es am Anfang schwer", erinnert sich Karl-Heinz Schlifter, Ortsbürgermeister und Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft. "Die haben uns alle für bekloppt erklärt, ehrenamtlich ein Projekt von zweieinhalb Millionen Euro zu stemmen." Aber jetzt "sind wir anerkannt und im Dorf angekommen".
Steigendes Interesse an gemeinschaftlichen Wohnformen
Inzwischen sind die Wohnungen alle bezogen, das Interesse an solchen Wohnformen hat deutlich zugenommen - nicht nur in Gillenfeld. Immer mehr Menschen könnten sich vorstellen, in einem Gemeinschaftsmodell zu wohnen, sagt Birgit Kasper von der Beratungsgesellschaft Forum Gemeinschaftliches Wohnen.
Die Ursachen hierfür seien vielschichtig, erklärt Kasper: Es gebe ein größeres Bewusstsein für sozialen Zusammenhalt und einen größeren Wunsch, dem Leben einen Sinn zu geben. Dazu hätten sich die "Wohnbiografien" in den letzten Jahrzehnten geändert. Es gebe mehr Singles und immer mehr Menschen in Arbeitsverhältnissen, die sich nicht mehr um Familienangehörige kümmern könnten. "Die wenigsten wollen ins Pflegeheim", betont Kasper. "Deshalb suchen die Menschen Alternativen."
RLP sieht Bedarf vor allem im ländlichen Bereich
Das sieht auch das Land Rheinland-Pfalz so. "Die Babyboomer sind eine aktive Generation, für die das gemeinschaftliche Wohnen attraktiv ist, weil sie nicht alleine leben möchten", sagte eine Sprecherin des zuständigen Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung dem SWR. "In den nächsten Jahrzehnten wird also der Bedarf an alternativen Gemeinschaften eher noch wachsen."
Das betreffe besonders den ländlichen Raum. "Dort sind die Wohnstrukturen stärker von Einfamilienhäusern geprägt, oft gibt es weniger altersgerechte und barrierefreie Wohnangebote." Die Menschen wollten jedoch in ihren angestammten Dörfern wohnen bleiben, auch mit Unterstützungs- und Pflegebedarf. "Gemeinschaftliche Wohnprojekte, Mehrgenerationenwohnen oder Wohn-Pflege-Gemeinschaften können hier eine Lösung für das ganze Dorf bieten."
Fachtagung in Mainz
Der gestiegenen Nachfrage steht aber noch kein entsprechendes Angebot gegenüber. "Insbesondere in ländlichen Räumen fehlen vielerorts Wohnangebote, die Menschen mit Pflege-, Assistenz- und Unterstützungsbedarf ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben ermöglichen", hieß es in der Einladung zur Fachtagung "Mit Neuen Wohnformen ländliche Räume entwickeln" am Mittwoch in Mainz.
Auf der Veranstaltung präsentierten sich erfolgreiche Wohnprojekte - wie das in Gillenfeld. Die Tagung richtete sich dabei nicht nur an Fachleute aus Politik und Wirtschaft. Angesprochen werden sollten vor allem auch "Engagierte mit Interesse an Neuen Wohnformen". Detaillierte Informationen und eine gute Förderung seien im Bereich gemeinschaftliches Wohnen besonders wichtig, sagte Kasper. "Denn das Thema nimmt nur Fahrt auf, wenn es eine gute Beratungsstruktur gibt."
Rheinland-Pfalz als Vorreiter
Bei der Beratung sah Kasper Rheinland-Pfalz in Deutschland ganz weit vorne. Das Land ist in diesem Bereich tatsächlich bereits sehr früh tätig geworden, schon 2015 wurde die Landesberatungsstelle Neues Wohnen gegründet. Aber bereits davor "gab es vom Land finanzierte Beratungsangebote für gemeinschaftliches Wohnen", betonte die Sprecherin des Arbeitsministeriums.
Wohnprojekte, "die gezielt gemeinschaftlichen Wohnraum auch für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen planen", könnten dafür eine Anschubförderung des Landes Rheinland-Pfalz beantragen. Zudem gebe es die Möglichkeit, "im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung über die Investitions- und Strukturbank auch für gemeinschaftlichen und genossenschaftlichen Wohnraum eine Förderung zu erhalten".
Wichtige Leuchtturmprojekte
Aber nicht nur Beratung und Förderung - auch Projekte wie das in Gillenfeld seien von großer Bedeutung, betonte Kasper - "denn Leuchtturmprojekte sorgten für Nachahmereffekte".
Allen, die an solchen gemeinschaftlichen Wohnformen interessiert sind, gab Kasper noch einen Tipp an die Hand: "Fangen Sie früh an, sich mit dem Thema zu beschäftigen."