September 1975 in der Pfalz. In der Grundschule Schauernheim erteilt der Pfarrer Günter Müller Religionsunterricht. An diesem Tag weicht er allerdings vom Thema ab. Ein Junge und ein Mädchen müssen sich ausziehen und auf einen Tisch stellen, erinnert sich Klaus L.. Pfarrer Müller erklärt an den nackten Kindern den Unterschied zwischen Mann und Frau. Eines der Kinder war Klaus L.. So nennen wir ihn, denn er will anonym bleiben.
Er habe sich sehr geschämt, erzählt er dem Politik-Magazin "Zur Sache Rheinland-Pfalz". "Wir mussten uns drehen und auch die Beine spreizen und das alles vor den Augen der versammelten Klasse." Sie seien auch angefasst worden, sagt Klaus L.. Dieselbe Art von Aufklärungsunterricht mussten an diesem Tag in Schauernheim auch Erstklässler über sich ergehen lassen.
Missbrauchsopfer fordert vom Bistum Speyer Informationen
Die Vorfälle werden publik und das Bistum Speyer beurlaubt den Pfarrer kurz danach und versetzt ihn 1977 als Seelsorger an das damalige Krankenhaus in Dahn. 1978 wird Pfarrer Günter Müller vom Landgericht Frankenthal rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und Kindern verurteilt. Er muss 7.500 DM Strafe zahlen. Der Täter bleibt weiter im Dienst der Kirche als Krankenhaus-Seelsorger und hilft auch in den Nachbarorten bei Gottesdiensten aus.
Klaus L. findet das skandalös. "Das ist für mich noch schlimmer als das, was er eigentlich bei uns gemacht hat. Also die Versetzung an einem Krankenhaus als Krankenhaus-Seelsorger von einem Sexualstraftäter, der pädophile Neigungen hat, da kann ich mir gar nicht ausmalen, welche Möglichkeiten der Pfarrer hatte, sich da zu vergehen."
Klaus L. will vom Bistum wissen, ob der Priester nach den Vorfällen in Schauernheim weitere Kinder missbraucht hat. Und ob die Einrichtungen, in denen Müller danach eingesetzt wurde, über seine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs informiert wurden? Wie das Bistum auf SWR-Anfrage mitteilte, finden sich in den Personalakten dazu keine Hinweise.
Aufarbeitungskommission unzufrieden mit Verzögerung
Im Bistum Speyer soll eine Unabhängige Aufarbeitungskommission (UAK) seit anderthalb Jahren Fälle von sexuellem Missbrauch durch die katholische Kirche aufarbeiten. Seit Sommer 2022 hat die UAK nun zumindest ein Konzept, wie das Thema im Bistum Speyer untersucht werden könnte. Doch das Bistum sieht den Datenschutz gefährdet und zögert.
Um welche konkreten Bedenken es sich dabei handelt, konnte der Speyrer Bischof Karl-Heinz Wiesemann im SWR-Interview nicht sagen. "Da geht es sicher auch darum, in welcher Weise die Personalakten zur Verfügung gestellt werden können. Dürfen die eingescannt werden? Und auch andere Fragen, bei denen es wichtig ist, dass man sie vor dem Projekt klärt." Man könne hier aber wirklich nicht von Verzögerung sprechen. "Erst gegen Ende des Jahres ist das Projekt vorgestellt worden und wir haben sofort versucht, zu reagieren", betont Wiesemann.
"Wir können das nicht lange akzeptieren", sagte der Stellvertretende UAK-Vorsitzende Karl Kunzmann. Die Universität Mannheim habe den Datenschutz überprüft und halte das Forschungskonzept für vergabereif. "Wir brauchen diese Unterschrift im Februar, spätestens im März, um dann noch einigermaßen vernünftig in unserer Studie weitermachen zu können."
Missbrauchsstudie im Bistum Speyer hat noch nicht begonnen
Vom Weitermachen kann strenggenommen keine Rede sein. Denn bisher hat die UAK mit ihrer Studie ja noch gar nicht begonnen und ist keinen einzigen Tag in den Archiven des Bistums Speyer gewesen. Die Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Schutzbefohlenen im Bistum Speyer steht also noch ganz am Anfang.
Die anderen Bistümer in Rheinland-Pfalz sind offenbar weiter. Im Bistum Trier liegen die Ergebnisse einer ersten Teilstudie schon länger vor und seit Februar 2022 wird der Zeitraum zwischen 1946 und 2021 untersucht. Im Bistum Mainz soll das Gutachten im März vorgestellt werden. Das Bistum Limburg hat 2020 eine Studie mit überwiegend externen Fachleuten durchgeführt.