4.611 Fälle von Straftaten mit mindestens einem tatverdächtigen Kind wurden im vergangenen Jahr gezählt, wie das rheinland-pfälzische Innenministerium auf eine parlamentarische Anfrage der AfD-Fraktion in Mainz mitteilte. 2021 lag die Zahl noch bei 3.396 Fällen. Im Vor-Corona-Jahr 2019 wurden 3.787 Fälle von noch strafunmündigen Kindern in Rheinland-Pfalz gezählt.
Mehr Fälle wurden nach Angaben des Innenministeriums gerade bei der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte sowie den Bereichen Körperverletzung, Bedrohung, Ladendiebstahl und Sachbeschädigung registriert. Die Steigerung bei der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte dürfte weit überwiegend auf die Entwicklungen im Bereich der sogenannten NCMEC-Verfahren zurückzuführen sein, erklärte das Ministerium.
Mehr Fälle von Kinderpornografie
NCMEC steht für die US-amerikanischen Nicht-Regierungsorganisation "National Center for Missing and Exploited Children" (Deutsch: Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder). Amerikanische Internetanbieter sind verpflichtet, Verdachtsfälle von Kinderpornografie an dieses Zentrum zu melden. Diese Hinweise werden an die Polizei weitergeleitet. Geht es um IP-Adressen in Deutschland, wird das Bundeskriminalamt informiert, das wiederum die Landeskriminalämter in den Bundesländern einbezieht.
Strafbarkeit von Minderjährigen Der Fall Luise: Was bedeutet "Strafmündigkeit"?
Eine 12- und 13-Jährige werden verdächtigt, eine 12-Jährige erstochen zu haben. Wie sieht das rechtlich aus, wenn Minderjährige straffällig werden?
Debatte um das Absenken der Strafmündigkeit
Nach dem gewaltsamen Tod von Luise und dem Todesfall im bayerischen Wunsiedel war auch in Rheinland-Pfalz eine Debatte um das Absenken der Strafmündigkeit aufgeflammt. Die mutmaßlichen Täter in diesen Fällen sollen zwischen 11 und 13 Jahre als sein.
Der erste stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Jan Bollinger, machte sich nun wegen des Anstiegs der Zahlen für eine Absenkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre stark. Gerade bei jugendlichen Intensivtätern sei bekannt, dass deren kriminelle Karrieren oftmals schon sehr früh starteten. "Es ist für die Jugendlichen selbst wie für unsere Gesellschaft sehr schlecht, wenn hier auf Grund einer zu hoch gesetzten Strafmündigkeitsgrenze zu spät angesetzt und nicht gegengesteuert werden kann."
Die Freien Wähler in Rheinland-Pfalz hatten kurz nach der Ermordung von Luise für Strafmündigkeit ab 12 Jahren geworben. Der Generalsekretär der Freien Wähler, Christian Zöpfchen, sagte, das Strafrecht müsse der Lebenswirklichkeit angepasst werden. Man müsse davon ausgehen, dass auch 12-Jährige wüssten, dass man andere Menschen nicht töten dürfe.
Expertin: Viele Kinder können ihr Handeln nicht richtig einschätzen
Birgit Kothen vom Haus des Jugendrechts in Neuwied, die in der Einrichtung für die Jugendhilfe im Strafverfahren zuständig ist, sprach sich klar gegen eine Absenkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre aus. Die Entwicklung der Kinder und die Pubertät träten in der Regel auch später ein. Viele der betroffenen Kinder seien in ihrer Entwicklung noch gar nicht in der Lage, ihr Handeln richtig einzuschätzen und zu erkennen, welche Folgen die Vergehen haben können, betonte die Expertin.
Justizminister Mertin fordert erst empirische Daten
Die Frage, ob das derzeit geltende Strafmündigkeitsalter noch zeitgemäß ist, sei in erster Linie eine wissenschaftliche und dann erst eine rechtliche Frage, erklärte Justizminister Herbert Mertin (FDP). Erst wenn eine solide empirische Basis vorhanden sei, wäre ein Vorschlag für eine gesetzliche Änderung des Strafmündigkeitsalters seriös. "Ich hätte nichts dagegen, wenn es eine solche Untersuchung geben würde", sagte der Minister. "Aber ohne eine solche Untersuchung würde ich kein Gesetzgebungsverfahren einleiten."