Erste Frau an Landesspitze, freundlich, hart in der Sache

Malu Dreyer: Sie prägte einen neuen Politikstil

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch
Nils Salecker
Bild von SWR-Redakteur Nils Salecker

Die erste Frau, die Rheinland-Pfalz regiert, zugewandt und freundlich, aber bestimmt: Die scheidende Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat einen neuen Politikstil geprägt.

"Sympathisch" ist ein Attribut, das der immerzu lächelnd auftretenden Dreyer selbst politische Kontrahenten zuschrieben. Im direkten Kontakt mit den Menschen im Land, Amtskollegen und Landespolitikern versuchte sie in elf Jahren als Ministerpräsidentin auf Augenhöhe zu agieren.

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Sie gilt als freundlich und zugewandt, aber - wenn nötig - auch hart in der Sache. Dort, wo andere Ministerpräsidenten polterten, sich etwa in der Corona-Krise mit Vorschlägen zu Lockerungen oder Verschärfungen gegenseitig überboten, blieb Dreyer lösungsorientiert und vermittelnd.

Überraschende Nachfolge auf Kurt Beck

Ihre Art ist es wohl auch, die Dreyer einen steilen politischen Aufstieg beschert hat. In das Amt der Ministerpräsidentin war die bundespolitisch bis dato unbekannte Dreyer 2013 nach dem Rücktritt Kurt Becks (ebenfalls SPD) gekommen - für die meisten überraschend.

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Dreyer ließ sich kaum von MS-Erkrankung beeinträchtigen

Beck und die SPD-geführte Landesregierung waren 2013 wegen der Nürburgring-Affäre zunehmend unter Druck geraten. Statt der von der CDU kritisierten "Politik mit Bart" stand nun die plötzlich von Sozialdemokraten "Königin der Herzen" genannte Dreyer an der Spitze der Landesregierung.

Auch wegen ihrer Multiple-Sklerose (MS)-Erkrankung hatte die damals 51-Jährige niemand wirklich auf dem Zettel. Aus ihrer Krankheit machte Dreyer nie einen Hehl, bei manchen öffentlichen Auftritten saß sie im Rollstuhl. Augenscheinlich beeinträchtigen ließ sich die Ministerpräsidentin von der MS aber nie.

Bürgermeisterin, Jugenddezernentin, Sozialministerin

Dem Sprung an die Landesspitze war ein steiler politischer Aufstieg der 1961 in Neustadt an der Weinstraße geborenen Marie-Luise Dreyer vorausgegangen. Nach Abschluss ihres Jurastudiums und ersten Jahren im Beruf als Staatsanwältin in Bad Kreuznach trat sie 1995 mit Mitte 30 erst verhältnismäßig spät in die SPD ein.

Kurz darauf wurde sie Bürgermeisterin von Bad Kreuznach, ehe sie von 1997 bis 2002 als Sozial- und Jugenddezernentin in Mainz fungierte. 2002 folgte der Umstieg in die Landespolitik und mit der Übernahme des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit auch der nächste Aufstieg, der 2013 in der Nachfolge Kurt Becks an der Landesspitze gipfelte.

Siege bei Landtagswahlen 2016 und 2021

Mit der SPD gewann Dreyer die Landtagswahlen 2016 (mit 36, 2 Prozent) und 2021 (35,7 Prozent). Vor allem die Kampagne zur Landtagswahl vor drei Jahren spitzte die Partei stark auf Dreyer zu. Dies lag nahe, denn die Politikerin war durch zahlreiche TV-Auftritte inzwischen zu einem der bekanntesten SPD-Gesichter in Deutschland geworden.

Wahlplakat mit Malu Dreyer, SPD, 2021

Die von Dreyer initiierte Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP in Rheinland-Pfalz gilt zudem als Vorbild der ersten Ampel auf Bundesebene.

Auch die Ahrflut prägt Dreyers Amtszeit

Der dunkelste Moment in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin war sicherlich die Flutkatastrophe im Juli 2021, bei der 135 Menschen ums Leben kamen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt, um zu untersuchen, wer dafür verantwortlich ist. Auch Dreyer wurde als Zeugin angehört. Das Leid der Menschen im Ahrtal habe sie "bis ins Innere" getroffen, sagte Dreyer.

Die damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) und der damalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) waren als Konsequenz aus der Ahrflut zurückgetreten. Rücktrittsforderungen der CDU und AfD an Dreyer verhallten.

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Auch wenn ihre Zustimmungswerte nach der Ahrflut litten, galt Dreyer bei den Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzerinnen in elf Jahren im Amt als durchgehend beliebt.

Die Beliebtheitswerte von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Verlauf der vergangenen zehn Jahre

Die positiven Umfragewerte zeigten, "dass man sich gut und sicher und verlässlich regiert fühlt von Malu Dreyer", analysierte Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der Freien Universität Berlin anlässlich Dreyers zehnjährigem Dienstjubiläums im vergangenen Jahr. Dreyer habe trotz aller Krisen, die das Land erlebt habe - insbesondere der Pandemie -, das Gefühl vermitteln können, die Lage im Griff zu haben.

"Sozial" als oberste Leitlinie

Dabei galt das "Soziale" im Namen ihrer Partei für Dreyer in fast 30 Jahren in der SPD und in elf Jahren an der Landesspitze als oberste Leitlinie. Ein soziales Miteinander und Chancengleichheit gehörten zu ihren Kernthemen.

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Im Zuge ihres am Mittwoch verkündeten Rücktritts gab die 63-Jährige an, dass ihr die Energie fürs Weitermachen fehle.

Ich gehe mit schwerem Herzen, weil ich mir eingestehen muss, dass meine Kraft nicht mehr ausreicht, um dem Anspruch und auch dem Anspruch, den Bürger und Bürgerinnen an mich stellen können, gerecht zu werden.

Zu ihrem Dienstjubiläum im vergangenen Jahr hatte die Ministerpräsidentin noch betont, sich auf die kommenden zehn Jahre zu freuen und weiterhin voller Kraft und Energie zu sein.

Über einen nahenden Rückzug Dreyers war in jüngster Zeit dennoch fortwährend spekuliert worden – auch weil sie sich öffentlich nicht zu einer möglichen erneuten Kandidatur bei der nächsten Landtagswahl (voraussichtlich 2026) äußern wollte.  

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