Bei der Einschulungsfeier einer Grundschule hängen am Zaun Zettel mit dem Alphabet. In Worms kritisiert ein Flüchtlingsverein, dass Kinder an Wormser Grundschulen zu wenig Deutsch lernen.

Offener Brief an Bildungsministerin

Zu wenig Deutschunterricht für Flüchtlingskinder in Worms?

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Autor/in
Lucretia Gather

Flüchtlingskinder leiden darunter, dass sie an Wormser Grundschulen zu wenig Deutsch lernen. Das sagt der Helferkreis Asyl und hat sich in einem offenen Brief an die rheinland-pfälzische Bildungsministerin gewandt.

Der kleine Lulu ist acht Jahre alt und besucht eine Grundschule in Worms. Seine Eltern sind mit ihm aus Syrien nach Deutschland geflohen, als er gerade geboren war. Lulu fühlt sich wohl hier, hat Freunde gefunden. "Ich spiele am liebsten draußen Fußball, dann gehe ich nach Hause schlafen, dann spiele ich wieder Fußball", erzählt er. Er geht in die zweite Klasse - schon zum zweiten Mal. Denn die Schule hat entschieden, dass Lulu die Klasse wiederholen muss.

Flüchtlingsverein sorgt sich um Zukunft der Schulkinder

Lulu kann sich auf Deutsch zwar verständigen, aber Lesen und Schreiben fällt ihm schwer, erläutert Goran Alhussein vom Helferkreis Asyl Worms. Der Achtjährige sei nicht in der Lage, Texte zu verstehen. Und auch in Mathematik habe er Probleme. Rechnen falle ihm zwar leichter, aber oft verstehe Lulu die Textaufgaben sprachlich nicht.

Die Entscheidung der Schule kann Alhussein zwar nachvollziehen. Er macht sich trotzdem große Sorgen um Lulus Zukunft: "Wenn er nicht besser Deutsch lernt, dann wird er die nächste Klasse auch wiederholen müssen. Das bringt so nichts." So wie ihm gehe es vielen Flüchtlingskindern in Worms.

"Ich mache mir Sorgen um die Zukunft der Kinder."

Offener Brief an Bildungsministerin Hubig

Der Helferkreis Asyl hat schon vor der Sommerpause einen offenen Brief an die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) geschrieben. Darin heißt es, das Ministerium räume der Förderung von "Deutsch als Zweitsprache" einen "hohen Stellenwert" ein. Der entsprechende "Maßnahmenplan" werde aber nur teilweise umgesetzt. Es gebe viele Kinder und Jugendliche in Wormser Grundschulen, die dem Regelunterricht nicht folgen könnten und deren Bildungschancen dadurch "erheblich verringert" seien.

Schüler mit keinen oder nur sehr geringen Sprachkenntnissen würden in einigen Schulen nur zwei bis vier Wochenstunden Sprachförderunterricht angeboten. Vorgesehen seien aber zehn bis fünfzehn Wochenstunden. Häufig falle der Förderunterricht sogar ganz aus.

Schulleitung: Förderunterricht fällt fast dauerhaft aus

Die Schulleitung der Grundschule von Lulu bestätigt im Gespräch mit dem SWR, dass der Förderunterricht für Geflüchtete an der Schule "nahezu dauerhaft" ausfallen müsse. Die sei sehr bedauerlich, aber in der Realität nicht anders zu machen. Grund sei Lehrermangel.

Die Lehrer, die Förderunterricht machen könnten, würden meist gebraucht, um Ausfälle zu kompensieren. Die Situation sei für die Schulleitung und für die Kinder sehr unbefriedigend, doch die Vorgaben des Ministeriums seien schlicht nicht umzusetzen. An anderen Wormser Grundschulen sei die Situation ähnlich.

Bildungsministerium: Genug Personal eingeplant

Das Ministerium weist die Kritik zurück und teilt auf SWR-Anfrage mit, für den Sprachförderunterricht sei grundsätzlich ausreichend Personal eingeplant. An den Grundschulen in Worms werde mit Ausnahme von drei Grundschulen Sprachförderunterricht in "Deutsch als Zweitsprache" erteilt. Ein Ministeriumssprecher betont, Sprachförderung sei grundsätzlich "Aufgabe jeder Lehrkraft im Rahmen der individuellen Förderung im Unterricht".

Rheinland-Pfalz investiere in die Sprachförderung von Kindern rund 66 Millionen Euro, im kommenden Jahr sogar 68 Millionen Euro. Zum Sprachförderkonzept komme auch Hausaufgabenhilfe an drei Tagen pro Woche dazu. Für die Organisation der Sprachkurse und anderer Angebote seien die einzelnen Schulen zuständig. Das Ministerium sei offen für ein Gespräch mit den Beteiligten in Worms.

Flüchtlingsverein wünscht sich Chancen auf bessere Bildung

Goran Alhussein vom Wormser Helferkreis Asyl ist ernüchtert und möchte für Lulu eigentlich nur eins: "Er muss einfach Deutsch lernen, damit er eine bessere Bildung erfährt als seine Eltern und bessere Chancen im Leben hat."

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