"Der Herbst, die Weinlese, ist natürlich immer eine arbeitsreiche Zeit", sagt Winzer Steffen Müller vom Weingut Schneider Müller in Nierstein-Schwabsburg. Aber so kraftraubend wie dieses Jahr habe er es noch nie erlebt.
Oft nur vier Stunden Schlaf
Oft mussten wenige Stunden Schlaf ausreichen. Mehrere Nächte hintereinander habe er bis Mitternacht gearbeitet, um dann um 4 Uhr wieder loszulegen, erzählt der Winzer und Kellermeister.
Doch warum gab es in diesem Jahr so extrem wenig Zeit für die Weinlese? Der Grund war - wie so oft - das Wetter. Durch die hohen Temperaturen im August und September, auch nachts, waren die Trauben schneller reif geworden als errechnet und mussten deshalb deutlich früher gelesen werden.
Viele Trauben wurden frühzeitig faul
Die Witterung habe alle Winzer vor große Probleme gestellt, bestätigt Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband und sie sowohl personell als auch technisch an die Grenzen gebracht. Die Trauben seien gerade reif gewesen und dann habe örtlich schon Fäulnis eingesetzt. Deshalb habe es nur ein sehr kurzes Zeitfenster gegeben, um sie einzusammeln.
Bei Steffen Müller sind vor allem bei den Burgunderweinen viele Trauben faul geworden. Sein Handlese-Team musste deshalb in diesem Jahr eine sogenannte "Negativlese" machen.
Robuste Sorten sind gefragt Wie sich der Klimawandel auf den Anbau von Wein im Westen der Pfalz auswirkt
Der Klimawandel macht auch den Winzern im Zellertal zu schaffen. Diese stellen sich mit neuen Sorten darauf ein. Federweißer spielt im Alsenz- und Zellertal kaum eine Rolle.
Bei der Handlese werden normalerweise reife Früchte geerntet, während unreife Weintrauben am Rebstock bleiben und später eingesammelt werden. Diesmal allerdings war die Handlese-Truppe vor allem damit beschäftigt, verfaulte Trauben rauszuschneiden, berichtet Müller.
Warme Temperaturen beschleunigen auch die Gärung
Nach der Vorsortierung fuhren dann die Vollernter durch die Rebzeilen. Sie starteten meist in den frühen Morgenstunden, oft schon gegen halb 2, sammelten die noch nicht verfaulten, reifen Trauben ein und brachten sie zu Steffen Müller in den Keller.
Und da musste es dann alles schnell gehen. Denn durch die warmen Temperaturen drohte die Maische zu schnell zu gären, deshalb muss sie mit viel Aufwand runtergekühlt werden. "Das hat in jeder Hinsicht viel Energie gekostet", sagt Steffen Müller.
Auch dieses Problem hatten viele Winzer. Der Verein Maschinenring e.V. in Alzey berichtet, dass es in diesem Herbst in Rheinhessen ungewöhnlich viele Anfragen nach Hefefiltern gab. Mit diesen Filtern kann der Prozess der Gärung verlangsamt werden. Deshalb bieten sie eine Alternative oder Ergänzung zu aufwendigen Kühlsystemen.
2023 könnte ein guter Wein-Jahrgang werden
Jetzt aber ist die Weinlese so gut wie geschafft. "Seit ein paar Tagen haben wir das Gefühl, es ist nicht mehr nur alles Chaos", freut sich Steffen Müller und ist mittlerweile richtig optimistisch.
Am Sonntag, dem 1. Oktober, soll im Weingut Schneider Müller die Handlese beendet werden. Dann kehrt bei Steffen Müller und seiner Familie wieder ein bisschen Ruhe ein und er hofft, dass er irgendwann zurückblickend sagen kann: "Das war ein echt sauanstregender Herbst, aber es hat sich gelohnt und die Weine machen richtig Spaß!"