SWR Aktuell: Herr Hetjes, Sie sind Oberbürgermeister in Bad Homburg bei Frankfurt - seit 1971 ist der Pharmakonzern Lilly in der Stadt - wie sehr profitiert Bad Homburg denn davon?
Alexander Hetjes (CDU): In unserer Stadt gibt es ein Cluster aus mehreren Pharma-Unternehmen. Und da spielt Lilly natürlich eine herausragende Rolle. Wir sind sehr, sehr dankbar, dass Lilly schon so lange den Standort hier in Bad Homburg schätzt und sich hier auch wohl fühlt und auch hier bleiben möchte.
SWR Aktuell: Inwiefern gibt ein Unternehmen wie Lilly ihnen als Kommune aber auch andere Gestaltungsmöglichkeiten? Stichwort Gewerbesteuereinnahmen.
Hetjes: Lilly hat einen elementaren Anteil am Aufschwung von Bad Homburg in den vergangenen Jahrzehnten. Wir sind eine Stadt, die sehr abhängig ist von der Gewerbesteuer. Wir sind ein sehr starker Wirtschaftsstandort im Rhein-Main-Gebiet und haben bei knapp 60.000 Einwohnern 35.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hier vor Ort. Das ist eine ganze Menge.
In dieser Gesamtgemengelage ist es so, dass Lilly da wirklich eine ganz herausragende Rolle spielt und uns in der Vergangenheit natürlich auch Sachen ermöglicht hat, die ohne Lilly bestimmt so nicht möglich gewesen wären.
SWR Aktuell: Zum Beispiel?
Hetjes: Das lässt sich so genau nicht sagen. Wir teilen die Gewerbesteuer ja nicht auf und können dann sagen: Das, was von Lilly kommt, stecken wir jetzt da oder dort rein. Was man aber sagen kann: Wo Lilly sehr stark unterstützt, ist durch die "Lilly Deutschland Stiftung". Ich bin auch Schirmherr dieser Stiftung. Sie hat den Zweck, Medizin in Bad Homburg aber auch in Deutschland greifbarer und zugänglicher zu machen.
SWR Aktuell: Und was bedeutet das für die Infrastruktur in Ihrer Stadt?
Hetjes: Für die Infrastruktur sind die Gewerbesteuereinnahmen natürlich von großer Bedeutung, weil wir uns Projekte und auch einen gewissen Service leisten können, den es in anderen Städten nicht gibt - zum Beispiel beim Thema Kita-Betreuung. Bei den Drei- bis Sechsjährigen ist die Kita-Betreuung bei uns den ganzen Tag kostenlos. (In Hessen ist die Betreuung ansonsten nur sechs Stunden am Tag kostenlos, Anm. d. Red..)
Das könnten wir natürlich nicht, wenn wir nicht so Firmen wie Lilly hätten. Das gilt auch für die ganzen Baumaßnahmen, die Sportstätten und die Vereinshäuser. Jeder Verein kriegt bei uns kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Das sind alles so Vorteile, von denen die Bevölkerung auch ganz direkt profitiert.
Unternehmen investiert 2,3 Milliarden Euro US-Pharmariese Lilly will 1.000 Arbeitsplätze in Alzey schaffen
Der US-Pharmakonzern Eli Lilly plant eine neue Produktionsstätte in Alzey. Bereits ab 2024 soll sie gebaut werden und 2027 in Betrieb gehen.
SWR Aktuell: Also können auch alle in der Stadt Alzey von Lilly profitieren?
Hetjes: Ich denke schon, dass Alzey davon profitieren wird, dass die Stadt als Produktionsstandort ausgesucht wurde. Denn das könnte auch eine Sogwirkung haben für andere Unternehmen, die im High-Tech-Bereich produzieren wollen. In diese Richtung kann man sich in Alzey bestimmt spezialisieren. Das war mit unserem Pharma-Cluster hier genauso. Das ist auch gewachsen mit Viatris und Fresenius, das als Dax-Unternehmen sein weltweites Headquarter hier in Bad Homburg hat. Das kann in Alzey genauso passieren.
Und was die möglichen Gewerbesteuereinnahmen angeht, ist es ein bisschen, wie in eine Glaskugel zu schauen. Das hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass da auch etwas hängen bleibt.
SWR Aktuell: Aber stellt eine solche Ansiedlung eine Stadtverwaltung nicht auch vor die Herausforderung, so einem Unternehmen gerecht zu werden, zum Beispiel was die Schul- und Kitaplätze angeht?
Hetjes: Ja, je höherwertiger die Unternehmen am Standort sind, desto höher sind auch die Ansprüche. Das merken wir auch. Die Anspruchshaltung in Bad Homburg ist schon sehr hoch. Damit können wir auch umgehen, weil es über die Jahrzehnte auch schon immer so war.
Aber die Gewerbesteuer ist keine gleichbleibende Steuereinnahme, wie wir jetzt auch in Bad Homburg derzeit schmerzlich merken. Sie kann auch mal runter gehen und dann reißt es sehr, sehr schnell Löcher in den Haushalt. Und dann stehen natürlich die Ansprüche der Bevölkerung, die sich an einen gewissen Standard gewöhnt hat, den niedrigeren Einnahmen gegenüber. Da muss man dann irgendwo auch Kompromisse finden. Das ist nicht immer einfach.
SWR Aktuell: Sie haben es angesprochen. Ihre Stadt gilt und galt lange Zeit als finanzstark. Zuletzt gab es bei ihnen aber wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs Einbrüche bei der Gewerbesteuer und sie mussten sparen.
Hetjes: Da kommen uns aber auch die goldenen Jahre unter anderem der 2000er-Jahre zugute, wo wir eine relativ hohe Rücklage bilden konnten. Wir haben uns dann natürlich damit auseinandergesetzt, wie wir das Haushaltsloch stopfen wollen. Und da war für uns klar, dass wir einen Dreiklang machen.
Das heißt, wir nehmen ein Drittel aus der Rücklage, ein Drittel wird im Haushalt gespart und ein Drittel muss durch Steuererhöhungen finanziert werden. Davon war bei uns insbesondere die Grundsteuer betroffen.
SWR Aktuell: Was wünschen sie der Stadt Alzey zum Spatenstich des neuen Lilly-Produktionsstandorts in Alzey?
Hetjes: Also erstmal einen reibungslosen Baustellenverlauf. Das ist, glaube ich, in erster Linie das Wichtigste. Dass alles so klappt, wie man sich das vorgestellt hat. Und dass es dann gut anläuft und die Stadt Alzey mit der Firma Lilly viel Freude haben wird.
Das Interview führte Alexander Dietz vom SWR Studio Mainz.