Behrouz Asadi ist im Iran geboren und war bis 2022 Leiter des Hauses der Kulturen und Interkulturelle Zusammenarbeit und Kommunikation der Malteser. Er organisiert in Mainz Demonstrationen und Informationsveranstaltungen aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat. Asadi kam 1975 für ein Geographie-Studium nach Mainz, und ahnte nicht, dass vier Jahre später in seiner Heimat der Schah gestürzt werden wird und Ayatollah Chomeini einen islamischen Staat errichten würde - fernab von Demokratie und Menschenrechten.
SWR Aktuell: Herr Asadi, welche Bedeutung hat der Friedensnobelpreis für Narges Mohammadi für die Iraner in Rheinland-Pfalz?
Behrouz Asadi: Der Preis hat eine ganz große Bedeutung für den Kampf für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie im Iran. Narges Mohammadi ist eine tapfere Frau und ein Symbol für Freiheit und Demokratie. Das soll die Weltgemeinschaft anerkennen und das muss man hören. In der Diaspora ist das absolut Gesprächsthema und eine riesige Freude.
SWR Aktuell: Sie können die Lage vor Ort gut einschätzen: Stärkt die Auszeichnung die Freiheitsbewegung oder besteht die Gefahr, dass das Regime sogar mit mehr Repression reagiert?
Asadi: Nein. Wir denken, das Ende des iranischen Regimes hat begonnen. Jeder Schrei nach Demokratie soll im Keim erstickt werden. Über 20.000 politische Gefangene, 600 getötete und hingerichtete Menschen in den letzten Jahren, die nichts anderes gemacht haben, als friedlich auf die Straße zu gehen. Aber trotz allem gibt es Proteste. Der Preis ist eine Stärkung der zivilen Gesellschaft. Er bedeutet, dass man keine Angst vor dem Regime haben muss. Die Weltgemeinschaft hat erkannt, dass es so mit dem Regime nicht weitergeht.
SWR Aktuell: Was kann die Weltgemeinschaft denn noch tun?
Asadi: Wir haben heute als Gemeinschaft der deutschen Exiliraner*innen einen offenen Brief an die Bundesregierung und Außenministerin Baerbock formuliert. Darin weisen wir darauf hin, dass im Umfeld des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung regimetreue iranische Lobbyisten tätig sind. Natürlich treten sie nicht offiziell in Erscheinung, sondern arbeiten im Auftrag anderer Projekte. Die eigentliche Aufgabe dieser Leute besteht jedoch darin, das iranische Regime direkt und indirekt insgeheim salonfähig zu machen. Wir fordern die Entfernung aller Lobbyisten des iranischen Regimes aus diesem Umfeld.
SWR Aktuell: Sie haben auf verschiedenen Ebenen Kontakte in den Iran. Wie ist die Lage derzeit?
Asadi: Die Lage ist sehr, sehr bedrückend. Das Regime versucht, mit Militärapparat, Revolutionsgarden und Sittenpolizei die Straßen zu beherrschen. Beispiel: Vor drei Tagen wurde ein Mädchen in der Straßenbahn von Sittenpolizisten geschlagen und man hört, dass sie in einem Militärhospital im Koma liegt. Die Mutter wurde festgenommen, weil sie darauf bestanden hat, ihr Kind zu besuchen, eine 16-Jährige. Das Regime versucht, mit allen Mitteln jegliche freie Meinungsäußerung, freies Bewegen, das Recht von Frauen, sich zu bekleiden, wie man möchte, zu unterdrücken. Aber das Volk ist aufgestanden.
SWR Aktuell: Inwiefern?
Asadi: Vorige Woche wurden allein im Südwestiran 150 Menschen festgenommen und 100 verletzt, weil sie am Jahrestag des "blutigen Freitags" demonstriert haben. Das Regime versucht mit aller Brutalität, den Schrei nach Demokratie zu ersticken. Aber die unterschiedlichen Formen der Proteste im Iran, auch im Ausland, zeigen: Das können sie nicht.
SWR Aktuell: Wie lange geben Sie dem Regime noch?
Asadi: Ich hoffe, wenn wir uns als Iraner einig sind im Wechsel hin zu Demokratie und Menschenrechten und die Weltgemeinschaft sich von diesem Regime distanziert, dann kann es bis nächstes Jahr eine andere Situation im Iran geben. Nämlich dass sich die Menschen mit Freude in Freiheit begrüßen können. Die Frauen könnten frei leben und anziehen, was sie möchten, nachdem sie 44 Jahre unterdrückt waren. Die Zeit ist gekommen.
SWR Aktuell: Was können Sie von hier aus dazu beitragen?
Asadi: Wir versuchen, die Menschen zu unterstützen, vor allem die Familien der politischen Gefangenen. Wir versuchen, die Menschen mit Augenverletzungen durch unsere Initiative behandeln zu lassen, wenn sie wegen politischer Verfolgung nicht im Iran behandelt werden können - hier oder in Nachbarstaaten wie der Türkei oder anderen europäischen Ländern. Wir haben Kontakte auf verschiedenen Ebenen. Heutzutage ist jede Iranerin und jeder Iraner auf der Straße selbst ein Reporter geworden. Sie versuchen, Aufnahmen zu machen, ins Ausland zu schicken und zu zeigen: Schauen Sie mal, wie das Regime mit dem eigenen Volk umgeht.
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