Symbolbild: Das Frauenhaus in Bad Kreuznach hilft Frauen, die körperliche oder psychische Gewalt erfahren haben.

Eine Betroffene berichtet über ihr Schicksal

Geschlagen und gedemütigt - Frauenhaus Bad Kreuznach gibt Halt

Stand
Autor/in
Sibylle Jakobi

Jede vierte Frau erfährt in ihrer Partnerschaft Gewalt. Ein Zufluchtsort für viele ist das Frauenhaus in Bad Kreuznach.

Die Zahlen sind erschreckend. 155 Frauen wurden laut Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet. Doch die Gewalt, die Frauen tagtäglich erleben, hat viele Gesichter. Körperliche Gewalt ist das eine, aber psychische oder ökonomische Gewalt, Stalking oder sexualisierte Gewalt, das sind andere.

Hinter den Zahlen und Schlagwörter stecken grausame Geschichten. Die 47-jährige Anne (Name geändert) hat uns ihre erzählt.

Vom Traummann zum Monster

Anne ist eine attraktive, intelligente Frau. Sie kam aus einer problematischen Beziehung und findet ihren vermeintlichen Traummann. "Jemand, der auf mich eingegangen ist, mit dem ich reden konnte, der fürsorglich war," erzählt sie. Anne glaubte an das große Glück. Bis sie schwanger wurde. "Dann fing alles an," sagt sie.

Anne konnte ihm seitdem nichts mehr recht machen. Er hat sie erniedrigt und klein gemacht, sagt sie. Und sie war allein. Die Kontakte zu ihren Freunden waren abgebrochen. Sie durfte nichts mehr ohne ihn machen. Dann bekommt sie ein zweites Kind von ihm. "Da war ich noch im Glauben, wenn ich mich ändere, dann wird es auch besser."

Ihr Alltag wird zur Hölle

Er wirft ihr vor, sein Kaffee sei nicht heiß genug und dass sie nicht lange genug neben ihm auf dem Sofa gesessen habe. Ein anderes Mal kauft er nur ein Steak, obwohl sie zu zweit sind. Sie brauche keins, sie sei sowieso zu dick, sagt er. "Ich hab` die Knochen zum Abnagen bekommen", erinnert sich Anne.

Außerdem droht er ihr die Kinder wegzunehmen. Er weckt die Kleinen Mitten in der Nacht, um ihnen zu erzählen, wie böse ihre Mama ist.

Verzweifelt schrie sie um Hilfe

Inzwischen ist Anne auch finanziell von ihm abhängig. Ihren eigenen Job, Freunde, ihr Leben hat sie aufgegeben. Und es gibt niemanden, mit dem sie hätte reden können. Sie hat sich selbst verloren, sagt sie heute.

Ihr Mann wirft Teller, er schlägt sie, sie fliegt durch die Gegend, erzählt Anne. In einer dieser Situation steht die Wohnungstür in dem Mehrfamilienhaus offen. Sie nutzt die Chance und ruft um Hilfe.

Ich hab` um Hilfe geschrien, aber es kam niemand.

Das Frauenhaus Bad Kreuznach war ihre Rettung

Sechs Jahre lang macht sie das mit. Bis sie endlich den Absprung schafft. Dafür muss sie die Kinder zurücklassen. Und später gerichtlich erstreiten, dass die Kinder jetzt im sogenannten Wechselmodell eine Woche bei ihr und eine Woche beim Vater leben.

Im Frauenhaus findet sie Hilfe: "Im Frauenhaus war ich sicher, das ist Heimat nach wie vor. Das ist, wie nach Hause kommen." Ein Jahr lang hat sie im Frauenhaus gelebt, wieder Hoffnung bekommen und jede Form der Unterstützung, sagt Anne. Inzwischen lebt sie in einer eigenen Wohnung und blickt nach vorne.

Anne hat ein neues Leben

Sie beginnt Pläne zu machen, gönnt sich Pausen und ist für ihre Kinder da. Ihr Leben ist nicht leicht, sie kämpft weiter um ihre Kinder. Die Chancen sie ganz bei sich zu haben, sieht sie aber als gering an. Deshalb versucht sie, ihnen das Leben vorzuleben, das sie selbst lebenswert findet. Sie sind viel draußen in der Natur, entdecken zu Dritt die Welt, hören Musik oder beschäftigen sich mit Kunst und Naturwissenschaften.

Frauen, die wie sie Gewalt erleben, sagt sie: "Traut Euch, es gibt Menschen, die helfen! Alles was kommt ist besser."

Bad Kreuznacher Frauenhaus vergrößert sich

Das Frauenhaus in Bad Kreuznach musste in der Vergangenheit immer wieder hilfesuchende Frauen weiterschicken, weil einfach kein Platz mehr frei war, sagt Leiterin Petra Wolf.

Ab dem kommenden Frühjahr kann das Frauenhaus in Bad Kreuznach aber zwei zusätzliche Plätze anbieten. In einem Anbau entsteht gerade ein barrierefreies Appartment mit zwei Zimmern. Damit kann das Frauenhaus zukünftig mehr hilfesuchende Frauen aufnehmen.

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