Jürgen Herold ist einer der drei Betroffenenbeauftragten in der unabhängigen Untersuchungskommission des Bistums Mainz - und hat selbst Erfahrungen mit sexueller Gewalt im Bistum machen müssen. Die Studie sei das Beste, was er bisher in diesem Umfeld gelesen habe, sagt er. Aus Angst erkannt zu werden, lässt sich Herold grundsätzlich nicht von vorne filmen oder fotografieren.
Aufklärungsstudie vorgestellt Mindestens 400 Missbrauchsfälle im Bistum Mainz
Sexuelle Gewalt im Bistum Mainz ist jahrzehntelang verharmlost, verschwiegen und nicht angemessen verfolgt worden. Bischof Kohlgraf nennt die Studienergebnisse erschreckend.
Zu diesem Urteil kommt Jürgen Herold, nachdem er die mehr als tausend Seiten gelesen hat. Anders als andere Studien sei sie verständlich und gut nachvollziehbar geschrieben. Als Betroffener und Mitglied der unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Mainz kannte der 62-Jährige schon viele Vorfälle. Trotzdem sei auch ihm einiges nochmal deutlich geworden, erzählt er.
Unzufrieden ist Herold damit, dass fast nur Fälle aus den Akten berücksichtigt wurden. Seiner Meinung hätte das Bistum Mainz noch aktiver versuchen müssen, herauszufinden, was in den Gemeinden vorgefallen ist. Ein Fragebogen, der im Rahmen der Studie verschickt wurde, hatte relativ wenig Rücklauf.
Nicht jeder will das Geschehene wahrhaben
Oft gibt es in den Gemeinden noch eine starke Abwehrhaltung, sagt Stephanie Rieth. Seit April ist die Theologin Teil der Bistumsleitung und zuständig für die Aufarbeitung. Präventionsmaßnahmen würden teilweise für einen Sturm der Entrüstung sorgen, erklärte sie. Davon wolle man sich aber nicht entmutigen lassen.
Noch ein langer Weg für das Bistum Mainz
Es müsse noch viel mehr geschehen, um zu sensibilisieren im Umgang mit dem Thema Missbrauch - und zwar auf allen Ebenen. Inzwischen habe das Bistum das Personal in den Koordinationsstellen Intervention, Aufarbeitung und Prävention verstärkt und die Ressourcen nahezu verdoppelt.
Weiterhin Misstrauen bei Betroffenen
Trotz dieser Anstrengungen steht für Jürgen Herold fest: Er würde sich heute als Betroffener nicht mehr an eine der offiziellen Anlaufstellen des Bistums wenden. Zu negativ ist ihm eine Erfahrung aus dem Jahr 2010 in Erinnerung. "Ich selbst stehe ja auch mit dem Bistum in Kontakt, auch um Unterstützungsleistungen für Therapien zu bekommen. Wenn ich dann von einem Justiziar beantwortet bekomme, weisen Sie uns nach, dass Sie wirklich noch Bedarf haben, dann schauen wir, was wir da machen. Das finde ich ziemlich beschämend.“
Pauschale Entschädigung für Opfer gefordert
Jürgen Herold fordert deswegen eine vom Bistum unabhängige Meldestelle und schlägt eine entsprechend hohe pauschale Entschädigung für jeden Betroffenen vor. "Die Hürde ist sonst für viele zu hoch." Die von Herold geschilderten Erfahrungen und Bedenken möchte Stephanie Rieth ernst nehmen und über eine externe Meldestelle nachdenken.
Dass einige Betroffene keinen Kontakt mehr zur Institution Kirche haben wollen, liegt nach Meinung von Jürgen Herold auch daran, dass unklar ist, welche Führungskräfte was genau wussten. Auch Generalvikar Udo Markus Bentz musste auf der Pressekonferenz die Frage beantworten, wie viel er in seiner Zeit als Regens und als Sekretär unter Bischof Karl Lehmann wirklich mitbekommen hat. Er sehe heute vieles kritisch, erklärte Bentz.
Missbrauchsstudie erst der Anfang
Für Jürgen Herold waren die Ausführungen des Weihbischofs auf der Pressekonferenz nicht zufriedenstellend. Seiner Meinung sei Bentz der Frage ausgewichen und hätte nicht klar gesagt, was er wirklich gewusst habe. Dass Stephanie Rieth und Bischof Kohlgraf es ernst meinen mit der Aufarbeitung, diesen Eindruck hat Jürgen Herold als Betroffener aber. Die Studie ist für ihn ein Meilenstein, sie sei aber nur ein Anfang.