Der Saalbau in Neustadt an der Weinstraße bei den Pfälzischen Weinbautagen ist am Dienstag proppevoll. Etwa 1.000 Winzerinnen und Winzer drängen sich dort. Selbst die Treppen werden als Sitzgelegenheiten genutzt. Am Dienstag geht es um Pflanzenschutz, am Mittwoch ist die Vermarktung Thema. Doch im Foyer und in den Gängen beherrscht ein anderes Thema die Gespräche: Alles dreht sich um die Proteste der Landwirte.
Winzer: "Wir wurden endlich gehört"
Eigentlich wollten die Landwirte durchsetzen, dass die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel erhalten bleibt. Doch am Montag erteilte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den 8.500 in Berlin demonstrierenden Bauern eine Absage und beharrte darauf, die Vergünstigung bis 2026 komplett abzuschaffen.
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Winzer Boris Kranz aus dem südpfälzischen Ilbesheim ist darüber enttäuscht. Außerdem "sind die Aussagen der Politiker, die getroffen wurden, sehr vage", zieht Kranz eine eher negative Bilanz. Gut findet er, dass die Anliegen der Landwirte und Winzer "endlich gehört wurden" und dass die Regierung "gesprächsbereit" ist. Die Ursache für die Proteste sieht der Winzer "im länger angestauten Frust über Regelungen in der Branche".
Zusammenhalt ist wichtig
Der 64 Jahre alte Pfälzer Weinbaupräsident Reinhold Hörner aus Hochstadt (Kreis Südliche Weinstraße) ist nach der Protestwoche vor allem vom Zusammenhalt der Landwirte beeindruckt. Er sei inzwischen 45 Jahre im Geschäft, aber so einen Teamgeist habe er noch nie erlebt. "Es zeigt, dass wir doch noch eine Macht sind", so der Winzer. Und sie seien nicht alleine nach Berlin zum Protest gefahren. "Alle Selbstständigen, der ganze Mittelstand hat uns unterstützt", lautet sein Fazit.
Bürokratie nervt die Winzer
Was der Weinbaupräsidenten an der aktuellen Situation der Winzer nervt, ist der viel kritisierte zu hohe bürokratische Aufwand. Er sieht die Ankündigung der Bundesregierung, den Aufwand für die Landwirte reduzieren zu wollen, kritisch. Weniger Bürokratie? Diese Ankündigung könne man sich "abschminken", nach ähnlichen Versprechungen in der Vergangenheit seien jedes Mal drei neue Aktenordner im Regal seines Betriebs gelandet. Sein Sohn sei im Betrieb pro Woche drei Tage lang am Schreibtisch beschäftigt, um mit den Ämtern zu kommunizieren. Dabei würden alle drei Jahre die Regelungen geändert: "Diese Über-Bürokratie ist der Wahnsinn", sagt Hörner. Neidisch ist er auf die Winzer im französischen Elsass. Diese hätten es einfacher und mit weniger Vorschriften zu kämpfen.
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Keine Zeit mehr für Weinberg und Keller
Winzer Ralf Anselmann aus dem südpfälzischen Edesheim geht mit seiner Kritik noch einen Schritt weiter. Wenn er nicht Mitarbeiter hätte, die sich ausschließlich um die Bürokratie und Verwaltung kümmern würden, hätte er gar keine Zeit mehr für die Arbeit auf dem Weinberg oder im Keller, sagt er. Daher ist der Winzer skeptisch, ob es wirklich zum Bürokratie-Abbau kommt. "Ich sorge mich, dass das nur ein Lippenbekenntnis ist, um die Proteste zu beruhigen - und sich die Politiker dann doch wieder etwas mehr um die Buchung ihres Sommerurlaubs kümmern!", lautet seine harsche Kritik. Versöhnlich stimmt den Winzer allerdings, dass die Proteste "zumindest in der Öffentlichkeit ein recht großer Erfolg waren und sie gut organisiert gewesen sind".