In der Nacht zum 15. Juli 2021 hatte die Flutwelle im Ahrtal gewütet. In dem 1.000 Einwohner-Ort Mayschoß herrschte Chaos, auch in den Tagen danach. Die Flut hatte 158 Gebäude zerstört, Straßen und Brücken weggerissen, Strom- und Wasserleitungen demoliert. Der damalige Ortsbürgermeister Hubertus Kunz erinnert sich an die Verwüstung: "Die Flut hat uns von einer Stunde auf die andere ins Mittelalter gebeamt." Mayschoß war komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Er selbst hatte die Flutnacht auf dem Dach seines Hauses gemeinsam mit seiner Frau und der Katze verbracht.
Hilfe in Form eines schlammverschmierten Feuerwehrfahrzeugs
Er wollte sich gerade mit anderen Verantwortlichen im Ort zu einer Krisensitzung treffen, da tauchte plötzlich "in der schwärzesten Stunde des Ortes" ein schlammverschmiertes rotes Geländefahrzeug der Feuerwehr aus Neustadt an der Weinstraße auf. Zwei Neustadter Feuerwehrleute hatten sich mit ihrem Fahrzeug durch den Wald nach Mayschoß durchgekämpft. Sie sondierten die Lage und setzten eine Lkw-Karawane mit Hilfsgütern aus der Pfalz Richtung Mayschoß in Bewegung. Es begann eine beispiellose Hilfsaktion, an die sich die Bürger der Ahrtal-Gemeinde noch immer mit großer Dankbarkeit erinnern.
Rettende Infrastruktur binnen zwei Tagen
Feuerwehrleute aus Neustadt, Speyer und Landau bauten binnen zwei Tagen gemeinsam mit unzähligen weiteren Helfern aus der Pfalz eine Sanitätsstation auf, sowie Wasseraufbereitungsanlagen, Stromaggregate, eine Ortsbeleuchtung, ein Handynetz, eine Medikamenten-Ausgabe und ein Zelt mit Duschen. Außerdem stationierten sie einen Rettungshubschrauber im Ort. Die BASF lieferte große Wassertanks, das Daimler-Werk in Wörth zwei nagelneue Unimogs. Die Bundespolizei Bad Bergzabern stationierte sechs Polizisten in Mayschoß, die nachts für Sicherheit im zerstörten Dorf sorgten.
"In diesem absoluten Chaos, in dieser Stunde Null, haben wir dank der Pfälzer erlebt, was innerhalb kürzester Zeit möglich ist", schwärmt Alt-Bürgermeister Hubertus Kunz. "Wir waren nach zwei Tagen infrastrukturell so ausgerüstet, wie nie zuvor in der 1.000-jährigen Geschichte von Mayschoß." In anderen von der Katastrophe betroffenen Orten sei es nicht annähernd so gut gelaufen, ergänzt der damalige Ortsbürgermeister.
Ortsbürgermeister empfand Aufsichtsbehörde als Bremser
Dort, wo die Aufsichtsbehörde ADD das Sagen hatte, habe die Bürokratie im Mittelpunkt gestanden. "Als die ADD wieder Zugriff auf uns hatte – Gottseitdank erst acht Wochen später – mussten wir jedes Mal, wenn wir etwas brauchten, einen dreifachen Antrag schicken per Fax.", so Kunz.
Mayschoß will Kontakte in die Pfalz pflegen
Die ersten Wochen mit den Pfälzer Helfern werden die Mayschoßer Bürger nie vergessen. Es sei schade, dass man die Kontakte nicht mehr so pflegen könne. "Das tut mir in der Seele weh", sagt der 72-Jährige. Er hat aus Altersgründen sein Amt aufgegeben. Seine Amtszeit war eigentlich schon im September 2021 ausgelaufen, aber in der Krisenzeit fand sich kein Nachfolger. Der fand sich erst im vergangenen Januar und seither kann Kunz sich wieder mehr um die Familie kümmern.
Im Sommer plant Hubertus Kunz aber eine Reise in die Pfalz: Er will Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel, Speyers Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler und viele andere Unterstützer besuchen, um sich nochmal zu bedanken; nicht nur für die Hilfe vor Ort im zerstörten Mayschoß, auch für die vielen Geld- und Sachspenden aus der Pfalz. "Es ist mir ein immenses Anliegen, mich nochmal zu zeigen und zu sagen: 'Freunde, wir haben Euch nicht vergessen.'"