"Die Bereitschaft, Asylsuchende aufzunehmen, tendiert gegen Null", sagt Fritz Brechtel, Landrat vom Kreis Germersheim. Einige Gemeinden hätten kein einziges Zimmer mehr für Geflüchtete frei. Deswegen bittet der Landrat jetzt Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsidentin Malu Dreyer um Hilfe. "Das Wasser steht uns bis zum Hals."
Gleichzeitig wendet sich Brechtel auch an die Einwohner des Landkreises Germersheim. "Wenn Sie eine Möglichkeit sehen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, melden Sie sich bitte unbedingt bei Ihrer Stadt oder Verbandsgemeinde", heißt es in dem Aufruf des Kreises auf seiner Internetseite und in den sozialen Medien. "Bitte geben Sie sich einen Ruck", sagt Landrat Brechtel.
Richtige Wohnungen statt Sammelunterkünften
Rund 320 zusätzliche Asylsuchende erwartet der Kreis im ersten Halbjahr 2023. Zur Not könnten rund 60 Menschen vorübergehend in der leerstehenden Bienwaldschule in Wörth wohnen. Aktuell baut die Stadt das Obergeschoss des Gebäudes aus, um dort weitere 60 Menschen unterbringen zu können. Das sei aber nur die absolute Notlösung, sagt Brechtel. Die Menschen sollen schnellstmöglich in richtige Wohnungen umziehen können.
Germersheim ist kein Einzelfall
So wie dem Kreis Germersheim geht es den meisten Städten und Kreisen in der Region. Jetzt ruft auch der Kreis Südliche Weinstraße seine Einwohner dazu auf, freien Wohnraum zu melden. "Wir sind in der humanitären Pflicht, die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, sicher unterzubringen", sagt Landrat Dietmar Seefeld. "Die Verbandsgemeinden befinden sich in Sachen Wohnraum aber am Anschlag."
Die Stadt Ludwigshafen setzt jetzt wieder auf eine Sammelunterkunft und bereitet eine ehemalige Lagerhalle im Stadtteil Mundenheim vor, um dort Geflüchtete unterbringen zu können. Die Halle hatte die Stadt schon 2015 genutzt, als besonders viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Sie ist seitdem im Besitz der Stadt. In Frankenthal sucht die Verwaltung im Moment noch eine geeignete Halle, um eine Sammelunterkunft einzurichten. Im Gespräch seien mehrere Sporthallen.
In Landau habe sich die Situation Ende letzten Jahres zugespitzt. Vor einiger Zeit hatte auch Landau einen Aufruf an seine Bewohner gestartet. Allein im Dezember habe die Stadt mehr als 60 geflüchtete Menschen aufgenommen, sagt eine Sprecherin. "Wir sind immer gut damit gefahren, Menschen in von uns angemieteten Wohnungen unterzubringen. Das ist künftig nicht mehr ausschließlich möglich." Die Stadt hat eine ehemalige Druckerei und ein ehemaliges Hotel als Flüchtlingsunterkünfte hergerichtet. Auch das seien aber nur Notlösungen.
Neustadt hat laut Stadtverwaltung noch ein paar freie Kapazitäten. Die Stadt geht aber schon jetzt aktiv auf Menschen zu, die früher schon einmal Wohnraum zur Verfügung gestellt haben.
Nur noch wenige Ukrainer
Dabei kämen immer weniger Menschen aus der Ukraine in die Pfalz. "Die Menschen kommen aus Syrien, der Türkei, dem Iran, Somalia und Pakistan", sagt etwa eine Sprecherin des Kreises Südliche Weinstraße. Diese Menschen werden als Asylsuchende erfasst und haben damit einen anderen Status als die Ukrainer. Für Menschen aus der Ukraine fänden sich zum Teil noch Wohnungen. "Aber auch hier ist die Bereitschaft der Bevölkerung, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, im Vergleich zu Kriegsbeginn, deutlich gesunken", sagt Fritz Brechtel, Landrat des Kreises Germersheim.
Um der Lage Herr zu werden, bemüht sich der besonders betroffene Kreis Germersheim nach eigenen Angaben auch um Wohncontainer. Da hätten die Geflüchteten immerhin eigene vier Wände. Jedoch liege die Lieferzeit aktuell bei rund sechs Monaten, sagt die Kreisverwaltung. Der Markt sei leergefegt. Um die Zeit zu überbrücken, bis die Container geliefert werden können, sei es zwingend nötig, privaten Wohnraum zu nutzen.
In Speyer gar keine Probleme
Zwischen all den Städten und Kreisen, die nicht wissen, wie sie mit dem knappen Wohnraum fertig werden sollen, sticht die Stadt Speyer heraus. "Die Stadtverwaltung informiert, dass von Seiten der Stadt derzeit kein Wohnraum für geflüchtete Menschen aus der Ukraine gesucht wird, da aktuell ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen", heißt es auf der Seite der Stadt.