Gewalt gegen Frauen ist ein alltägliches Problem. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen arbeitet seit zehn Jahren mit einem speziellen Konzept, um Frauen in sogenannten Hochrisiko-Beziehungen zu helfen. Ghislaine Wymar beschäftigt dieses Thema als Polizistin und Polizeisprecherin des Polizeipräsidiums. Im Interview erzählt sie, dass Gewalt gegen Frauen alle Schichten betrifft.
SWR Aktuell: Was ist zu tun, wenn Zuhause der Lebenspartner zum Täter wird?
Ghislaine Wymar: Das Themenfeld häusliche Gewalt ist ein besonders wichtiges Thema für uns, weil das leider auch in manchen seltenen Fällen darin endet, dass die Frau getötet wird. Femizide sind ein Thema, und das sind oft Fälle, wo häusliche Gewalt vorangegangen ist.
SWR Aktuell: Wenn der Lebenspartner tötet - wie häufig kommt das vor?
Wymar: 2022 gab es im Bereich des Polizeipräsidiums Rheinpfalz nur ein Tötungsdelikt im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt. In den Jahren davor waren es deutlich mehr: da starben etwa vier bis sieben Frauen im Jahr durch gewalttätige Angriffe in engen sozialen Beziehungen. 80 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt sind Frauen, Männer sind häufiger die Täter. Im Präsidiumsbereich gab es 2022 insgesamt 2.460 Fälle von Gewalt in Beziehungen.
SWR Aktuell: Vor fast 10 Jahren hat das Polizeipräsidium Rheinpfalz eine neue Methode gestartet, wie bei solchen Polizeieinsätzen vorgegangen wird: Das sogenannte Hochrisikomanagement. Was war das Neue und was ist daran so wichtig?
Wymar: Bei Gewalt in Beziehungen benutzen Polizei-Kolleginnen und Kollegen bei Einsätzen inzwischen wissenschaftlich erarbeitete Fragebögen. Dann werden Mann und Frau, beziehungsweise die streitenden Partner, getrennt voneinander dazu befragt. Mit Hilfe der Fragen und Antworten kann berechnet werden, wie wahrscheinlich es ist, dass der Gewalttäter wieder rückfällig wird, oder die Gewalt weiter eskaliert. Da gehören Fragen dazu, wie reizbar der Partner ist, ob er vielleicht arbeitslos ist oder suchtgefährdet.
Bei hoher Wahrscheinlichkeit sprechen wir von "High-Risk"-Fällen. Wir setzen uns dann unmittelbar mit den verschiedensten Kooperationspartnern wie Staatsanwaltschaft, Interventionsstelle oder auch Sozialarbeitern zusammen und machen eine Fallkonferenz. Damit muss das Opfer jedoch einverstanden sein. Oft scheitert es daran, dass das Opfer nicht einverstanden ist. Wenn das Opfer bereit ist, dann können alle Beteiligten offen miteinander sprechen und helfen, wie zum Beispiel mit Therapieangeboten oder Anti-Aggressions-Programmen.
Natürlich haben wir früher auch Betroffenen von häuslicher Gewalt geholfen, aber dass man sich dann automatisch zusammensetzt und ausgetauscht hat, das war früher nicht der Fall, das hat sich jetzt schon sehr verbessert. Und das sollte auch den Betroffenen helfen, zu einer Entscheidung zu kommen: Möchte ich in der Partnerschaft bleiben?
SWR Aktuell: Gibt es häufiger Gewalt gegen Frauen in sozial benachteiligten Schichten?
Wymar: Statistische Daten über die soziale Herkunft der Täter und Opfer liegen mir nicht vor. Aber aus Erfahrung, ich bin jetzt 25 Jahre bei der Polizei, kann ich sagen: Gewalt in engen sozialen Beziehungen betrifft alle sozialen Schichten und alle Nationalitäten. In einer höheren sozialen Schicht ist jedoch eventuell die Scham noch größer, dass man den sozialen Status verliert und auch das Ansehen. Wir versuchen allen Betroffenen die gleichen Möglichkeiten zu geben, dass sie sich Hilfe holen können.
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Hilfe bei häuslicher Gewalt
Wer von häuslicher Gewalt betroffen ist, kann Ansprechpartner in den Polizeidienststellen oder die Opferschutzbeauftragte des Polizeipräsidiums Rheinpfalz erreichen. Unter folgender Nummer können sich betroffene Frauen direkt melden: 0621 963-1154.
Eine weitere Anlaufstelle ist das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, erreichbar unter 08000 116 016 oder im Netz.