Veton Osmani betreibt eine kleine Schreibwarenhandlung im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof. In der Pause kommen die Kinder aus der Grundschule Gräfenau, um bei ihm Süßigkeiten zu kaufen. Die Schule liegt direkt um die Ecke. Er bekommt die Probleme der Kinder mit: "Sie haben zu kurz Zeit, um die Sprache zu lernen." Kinder könnten zwar schnell lernen, doch auch die bräuchten Zeit. "Wenn wir ein Einwanderungsland werden wollen, dann muss man diese Problematik anders angehen", glaubt Osmani.
Zu wenig Plätze in Ludwigshafener Kitas
Zwei Häuser weiter ist der Kindergarten der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen (ÖFG). Hier versuchen Erzieherinnen und Erzieher den Kindern aus migrantischen Familien spielerisch deutsch beizubringen, bevor sie in die Schule kommen. Denn viele können die Sprache noch nicht.
Das Problem: Mehrere Sprachförderprogramme von Bund und Land für Kinder sind eingestellt worden. Simone Muth ist Bereichsleiterin Kindertagesstätten (Kita) bei der ÖFG: "Das ist für uns ein schwerer Verlust, durch die Programme hatten wir Personal on Top."
Bildung Sprach-Kitas – Wie geht es weiter mit der Sprachförderung?
Die Sprach-Kitas gelten als sehr erfolgreich, damit kleine Kinder gut Deutsch lernen können. Trotzdem soll das Programm auslaufen. Wie geht es weiter mit der Sprachbildung?
Das Problem beginnt schon bei den fehlenden Kita-Plätzen
Außerdem kämen Kinder erst spät in den Kindergarten - weil sie beispielsweise erst mit fünf Jahren nach Deutschland kommen oder es für sie bisher einfach keinen Platz in einer Kita gab - trotz Rechtsanspruch.
In Ludwigshafen fehlen laut Stadtverwaltung fast 2000 Kita-Plätze. Oft fehlt bei eingewanderten Familien das Verständnis für das deutsche Bildungssystem. Das Wichtigste für die Kinder sei aber: "Wir brauchen gezielte Sprachförderprogramme", sagt Simone Muth. Die Kinder müssten für die Schule fit gemacht werden.
Gräfenau-Grundschule in den Schlagzeilen
Dass Sprachprogramme fehlen, bekommen auch Kinder und Schulleitung der Grundschule Gräfenau zu spüren. Die Schule ist in die Schlagzeilen gekommen, weil voraussichtlich 40 Kinder die erste Klasse wiederholen müssen.
Rund 98 Prozent der Kinder an der Schule haben einen Migrationshintergrund, viele haben Sprachprobleme. Die Schule sieht viel Förderbedarf bei den Kindern. Aber auch die Eltern sollten sensibilisiert und geschult werden, sagt Mächtle. Viele Kinder kämen nur unregelmäßig zum Unterricht. "Wir haben seit Jahren eine Mängelverwaltung", sagt Barbara Mächtle.
Mangelnde Deutschkenntnisse trotz Kita
Einige Straßen von der Schule entfernt ist ein kleiner Lebensmittelladen. Eine Frau steht darin, sie spricht selber kaum Deutsch. Ihr Bruder hilft beim Übersetzten. Sie erzählt von ihrem Sohn, der im vergangenen Jahr die erste Klasse an der Grundschule Gräfenau wiederholen musste.
Gut fand sie das nicht, aber es sei notwendig gewesen. Obwohl ihr Sohn vorher im Kindergarten war, hätten seine Deutschkenntnisse für die Schule nicht ausgereicht. "Es ist gut, dass mein Sohn die Klasse wiederholt hat", sagt die Mutter. "Jetzt kommt er gut mit."
Stadtteil geprägt von "Migration und vielen Kindern"
Gegenüber der Schule ist der "Treff International". Hier versuchen Sozialarbeiter, Lernrückstände bei Kindern und Jugendlichen aufzufangen. "Der Stadtteil ist von Migration und vielen Kindern geprägt", sagt Ibrahim Yetkin, der die Einrichtung leitet. Hier gibt es Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe.
"Wenn die Kinder nur unter gleichsprachigen Kindern aufwachsen, sprechen die natürlich auch kein Deutsch im Alltag." Damit verpassten die Kinder die Startchancen, die sie bräuchten.
Bis zu einem gewissen Grad können die Mitarbeitenden im "Treff International" das auffangen, doch wenn es um die Versetzung in die nächste Klasse geht, sind auch ihre Möglichkeiten ausgereizt. Im "Treff International" werden Kinder ab der 2. Klasse unterstützt.
Eltern: zu viele offene Baustellen an den Grundschulen
Im Hemshof und an den Ludwigshafener Grundschulen gibt es viele offene Baustellen. Das zeigt der Brandbrief, den Eltern zusammen mit Schulleiterinnen und Schulleitern am Dienstag an die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) geschrieben haben. Ihre Forderungen: Mehr Personal, kleinere Klassen, dauerhaft zwei Lehrkräfte in den ersten Klassen, schulübergreifende Sprachklassen, mehr Schulsozialarbeit und auch mehr Sprachförderung in den Kitas.
Zuvor schon hatte das Bildungsministerium angekündigt, spezielle Förderprogramme zu starten. Doch darin sieht Schulleiterin Barbara Mächtle keine Entlastung für sich und ihrer Kolleginnen und Kollegen.
"Es ist eine Minute vor Zwölf" Eltern und Leiter von Grundschulen in Ludwigshafen: Brandbrief ans Land
In der Diskussion um die Gräfenau-Grundschule in Ludwigshafen melden sich erstmals Eltern zu Wort. Gemeinsam mit den Leitern der städtischen Ludwigshafener Grundschulen haben sie einen Brandbrief geschrieben.
Bildungsministerin wehrt sich gegen Vorwürfe
Im Interview mit dem politischen Landesmagazin des SWR "Zur Sache Rheinland-Pfalz" hat sich Bildungsministerin Hubig gegen die Vorwürfe gewehrt. Das Ministerium werde zusätzliche Stunden anbieten, an Samstagen und nach dem Unterricht. Das habe die Ministerin auch schon angekündigt.
Woher das Personal konkret kommen soll, lässt sie offen. Doch Hubig zeigte sich optimistisch, zusätzliche Lehrkräfte zu finden und verwies dabei auf einen neu geschaffenen Lehramtsstudiengang in Trier. Des Weiteren gäbe es die Möglichkeit, Personal über Quer- und Seiteneinsteiger zu gewinnen, so Bildungsministerin Hubig.