Was die Eltern des zehnjährigen Mädchens, das im September in Edenkoben entführt und missbraucht worden ist, zu sagen hatten, ist nicht bekannt. Zuschauer und Journalisten mussten den Saal für eine halbe Stunde verlassen. Aussagen zu den Umständen der Tat und deren Folgen würden die Persönlichkeitssphäre des Mädchens betreffen, so die Begründung. Auch das Kind selbst ist bislang nicht als Zeugin geladen.
Mehrere Polizistinnen und Polizisten wurden am Montag nacheinander als Zeugen aufgerufen – sie alle waren am 11. September vergangenen Jahres an der Verfolgungsjagd und der Festnahme des Angeklagten beteiligt. Alle wurden von der Vorsitzenden Richtern gebeten, nicht den Namen des Mädchens zu nennen.
So lief die Rettung des Mädchens
"Das war wie in einem Auto-Videospiel", sagt eine Polizistin, die zusammen mit ihrem Polizeihund im Auto das Fahrzeug des Mannes als erste entdeckt hatte. Vor Gericht schildert sie die Verfolgungsjagd, die damals bei einem Kreisel im Norden von Edenkoben begann und erst zehn Kilometer vor der französischen Grenze bei Langenberg im Kreis Germersheim mit der Festnahme endete. Das Mädchen war dabei im Auto – und wurde von den Einsatzkräften gerettet.
Halsbrecherische Verfolgungsjagd mit 120 km/h
"Es gab viele brenzlige Situationen", schildert die 43 Jahre alte Polizistin. Andere Verkehrsteilnehmer hätten Manöver fahren müssen, um einen Zusammenstoß mit dem Auto des Angeklagten zu verhindern. Egal ob auf der Bundesstraße, der Autobahn oder direkt in den Dörfern – mehrmals sagt die Polizistin, der Mann habe "abartig viel Gas gegeben" oder "er war wirklich wahnsinnig schnell unterwegs." Durch eine Autobahn-Baustelle sei er "locker mit 120 km/h durchgefahren". Auf einer Landstraße habe er sich zwischen einem Lkw und dem Gegenverkehr durchgedrückt. Auch eine Straßensperre in Kirrweiler habe ihn nicht aufgehalten.
Seine kriminelle Karriere begann 1979 Missbrauch in Edenkoben: So oft stand der mutmaßliche Täter schon vor Gericht
Wer macht so etwas? Das ist eine der Fragen, die um den Missbrauchsfall von Edenkoben (Kreis Südliche Weinstraße) kreisen. Dem SWR liegt das letzte Urteil gegen den Beschuldigten vor. Es taucht tief in die Vergangenheit des mutmaßlichen Täters ein.
Polizistin: "Die Leben der anderen waren ihm scheißegal!"
Anschaulich erzählt die Polizeibeamtin, wie der Wagen des Angeklagten am Ende der Verfolgungsjagd langsamer wurde – eventuell habe es einen technischen Defekt gegeben – und dann zum Stehen kam. "Ich war echt sauer auf ihn, die Leben der anderen waren ihm scheißegal".
Vater des Mädchens dankt den Polizisten
Als die Polizistin fertig ist, wendet sich der Vater des Mädchens an sie. Er sagt: "Danke, dass sie meine Tochter da rausgeholt haben. Dass sie da so hartnäckig drangeblieben sind." Auch bei den anderen Polizisten wird er sich später bedanken.
Eindrücklich ist auch die Schilderung eines weiteren Polizisten. Er hatte in Kirrweiler (Kreis Südliche Weinstraße) zusammen mit einem Kollegen mit ihrem Streifenwagen eine Straßensperre errichtet. Als das Auto des Angeklagten auf sie zugerast sei, habe er nur noch geschrien: "Wir müssen raus!" Er und sein Kollege seien dann Richtung Gehweg gerannt. Aufhalten konnten sie den Flüchtenden nicht – er war zwischen dem quergestellten Polizeiwagen und einer Grundstücksmauer durchgerast.
Vollbremsungen und Ausweichmanöver verhinderten Unfälle
Auch dieser Polizist berichtet von hohen Geschwindigkeiten von bis zu 180 km/h und davon, dass viele andere Fahrzeuge stark abbremsen mussten, um Unfälle mit dem Fluchtauto zu verhindern. Dieser Zeuge war es auch, der dem Mann vor seiner Festnahme einen Schlag ins Gesicht verpasst hatte – der Angeklagte hatte sich geweigert, sich festnehmen zu lassen und aus seinem Auto auszusteigen.
Vor Gericht wurden alle Polizistinnen und Polizisten auch gebeten, nichts von dem zu berichten, was das Mädchen ihnen erzählt hat. Eine junge Polizistin berichtet nur, die Zehnjährige habe direkt nach ihrer Befreiung gefasst, aber geschockt gewirkt.
Wie auch zum Auftakt stützt der Angeklagte auch am zweiten Prozesstag seinen Kopf ab. Er schaut meistens zur Richterbank. Hin und wieder redet er mit seiner Verteidigerin.
Im Falle einer Verurteilung wird nicht alles auf den Tisch kommen
Außerdem hat das Gericht am Montag einem Antrag der Oberstaatsanwältin stattgegeben. Ein Großteil der Fälle, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, werden nicht weiter behandelt. Weil sie neben den anderen Vorwürfen nicht ins Gewicht fallen. Unter anderem betrifft das das Fahren ohne Fahrerlaubnis und das unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Auch die Anklage der Frankenthaler Staatsanwaltschaft vom September 2023 wird eingestellt. Damit müssen mehrere Zeugen nicht vor Gericht erscheinen.
So geht es weiter
Diesen Mittwoch und Freitag werden aber erst einmal weitere Zeugen im Edenkoben-Prozess vernommen. Zwei Termine in der kommenden Woche sind gestrichen worden. Wie es danach weitergeht, hängt dann vor allem vom Zustand des Angeklagten nach einer anstehenden Operation ab: Er muss nach eigenen Angaben wegen einer Krebserkrankung in der kommenden Woche operiert werden. Drei Wochen lang darf ein Prozess maximal unterbrochen werden.
Zum Prozessauftakt Anfang März hatte der Angeklagte, ein 62-Jähriger aus Neustadt, zugegeben, das Kind entführt und sexuell missbraucht zu haben.