Zug mit Hindernissen

Demonstration und Gegendemonstration am Hambacher Schloss

Stand

Unter dem Motto "FreiEinig" sind am Pfingstsonntag etwa 600 Menschen auf das Hambacher Schloss gezogen. Die Initiative "Hambach 24" hatte zu der Demonstration aufgerufen.

Die Organisatoren hatten im Vorfeld mit bis zu 5.000 Menschen gerechnet. Letztlich nahmen laut Polizei etwa 600 Personen an der Demonstration teil. Der Zug startete verspätet. Es gab eine Diskussion um die Trommeln. Die Ordnungsbehörde hatte nur 15 genehmigt, erschienen waren 20 Trommler.

Demonstration mit Trommlern in Neustadt Hambach am 19. Mai 2024 (Bildquelle: SWR)
Diskussion um die Anzahl der Trommler im Demonstrationszug.

Blockade durch Gegendemonstranten

Auf dem Weg zum Schloss wurde am Sonntag auch der Demonstrationszug von Gegnern der Initiative "Hambach 24" durch eine Sitzblockade unterbrochen. Der Weiterzug verzögerte sich etwas um eine halbe Stunde, bis die Gegendemonstranten weggetragen waren.

Demonstration und Gegendemo in Neustadt Hambach am 19. Mai 2024 (Bildquelle: SWR)
Sitzblockade an der engsten Stelle auf dem Weg zum Hambacher Schloss.

Im Vorfeld Gegendemonstration am Pfingstsamstag

Bereits am Samstag hatte das Bündnis "Neustadt bleibt bunt" eine Gegendemonstration organisiert. Die Kundgebung stand unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt - Auf zum Hambacher Schloss". Organisator Wolfgang Müller sagte, man wende sich gegen "Querdenker, Freidenker, Reichsbürger, Mitglieder der sogenannten dieWeissen, AfD-Mitglieder, Rechtsradikale und Rechtsnationale". Diese hätten das Hambacher Schloss in den vergangenen zwei Jahren für sich vereinnahmt.

Dagegen wollten die Demonstranten ein Zeichen setzen und daran erinnern, dass das Schloss 1832 Schauplatz des Hambacher Festes war. Bei diesem hatten Bürger Freiheit, Demokratie und nationale Einheit gefordert. Sogenannten Reichsbürgern und anderen Personen gehe es dagegen darum, "unsere parlamentarische Demokratie" abzuschaffen, so Müller.

Wie die Stadtverwaltung in einer Bürgerversammlung Ende April mitteilte, fanden in den vergangenen drei Jahren von Neustadt-Hambach hoch zum Hambacher Schloss rund 300 Demonstrationen statt. Seit einigen Monaten finden diese alle zwei Wochen sonntags statt. Ab Juni sollen sie jede Woche samstags stattfinden.

Die Initiatve "Neustadt bleibt bunt" hat eine Gegen-Demo zum für am Sonntag angekündigten Demozug zum Hambacher Schloss organisiert.
Rund 350 Personen folgten am Samstag dem Demoaufruf von Wolfgang Müller.

Initiative reagiert auf Kritik zu Reichsbürgern und Trommlern

Auf die Kritik, dass bei ihren Demonstrationen auch Reichsbürger beteiligt waren, reagiert die Pressesprecherin der Initiative Hambach 24, Katja Knoch, im Interview mit dem SWR. Man habe nicht die Meinung der Reichsbürger - und könne sie vielleicht für verrückt erklären, sie seien aber nicht per se gewalttätig. Und: "Wenn bei uns jemand friedlich diese Meinung vertritt und mitläuft und sich unterordnet, dann darf er bei uns mitlaufen. Auch wenn ich diese Meinung nicht teile, ist es die Meinungsfreiheit, die bei uns auch auf dem Hambacher Schloss gelebt werden soll", so Knoch.

Auf die Kritik an den lauten Trommlern, die die Demonstrationszüge begleiten und an der Häufigkeit der Demonstrationen reagierte die Initiative zwar mit Verständnis, entgegnete aber, es ginge nicht anders, um Aufmerksamkeit zu generieren.

Die Weißen am 28. Mai marschieren zum Hambacher Schloss
Am 28. Mai 2023 sind die Weißen zum Hambacher Schloss marschiert.

Was ist die Initiative "Hambach 24"?

Die Initiative "Hambach 24" ist aus dem Umfeld der sogenannten "Weissen" entstanden. Einer der Organisatoren von "Hambach24" ist nach wie vor als zweiter Vorsitzender im Impressum von "Die Weissen e.V." gelistet. Die "Weissen" sind rund um einen Neustadter Unternehmer entstanden und haben in den vergangenen Jahren immer wieder rund ums Hambacher Schloss demonstriert.

Dazu kommt, dass die Organisatoren auch damals schon auf den Demonstrationen aufgetreten sind. "An der Demonstration nahmen mehrere Personen aus dem Spektrum der 'Delegitimierer', Rechtsextremisten sowie 'Reichsbürger und Selbstverwalter' teil", so die Einschätzung des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes.

Verfassungsschutz beobachtet die "Weissen"

Für Pfingstsonntag hatte der Verfassungsschutz nicht ausgeschlossen, dass auch "einzelne 'Reichsbürger', Rechtsextremisten und/oder Personen, die dem Phänomenbereich 'Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates' zugeordnet werden können, an der Veranstaltung teilnehmen." Das teilte die Behörde auf SWR-Anfrage mit.

Stein: "Es geht um die Vereinnahmung des Hambacher Schlosses"

Einer, der sich mit Extremismus in der Pfalz auskennt, ist Rüdiger Stein, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Ludwigshafen. Der Gewerkschafter beobachtet extremistische Bewegungen seit etwa 30 Jahren. Wir haben bei ihm nachgefragt.

SWR Aktuell: Herr Stein, was erwarten Sie für dieses Wochenende am Hambacher Schloss?

Rüdiger Stein: Wir vermuten, dass am Wochenende wahrscheinlich viele Menschen aus ganz Deutschland nach Hambach kommen. Da kommen viele aus der Verschwörungsszene, Impfgegner- und Gegnerinnenszene, Querdenkenszene. Die Menschen wollen dort ein "Freiheitsfest" feiern. Es wird um die Vereinnahmung des Hambacher Schlosses und auch des Hambacher Festes gehen, auf das sich die Menschen ja dann beziehen. Wir sind gespannt, welche Mischung da zusammenkommt.

SWR Aktuell: Was wollen diese Menschen erreichen?

Stein: Diese Szene befindet sich nach eigener Aussage im Widerstand, das heißt, im Widerstand gegen das System. Sie meinen damit, dass sie gegen das Grundgesetz, die Bundesrepublik Deutschland, gegen die Regierung oder auch gegen Behörden im Widerstand sind. Und dieser Widerstand geht dann soweit, dass man auch sagt: So wie die Bundesrepublik ist, kann es nicht bleiben, das muss verändert werden. Und das macht das Ganze gefährlich, weil das nämlich nichts mehr mit der Demokratie in dem Sinn zu tun hat, auf die sie sich ja immer berufen! Da gehts dann ganz einfach darum, wie man das System ihren Vorstellungen entsprechend verändern kann.

SWR Aktuell: Die Demonstranten sagen ja, sie wollen das System demokratisch revolutionieren. Wie ist das aus Ihrer Perspektive einzuordnen?

Stein: Da kann man natürlich sagen, die Demonstranten wähnen sich in einer Diktatur. Und es wird dann von "Fürsten-Willkür" gesprochen, obwohl wir gar keine Fürsten haben. Oder es wird gesagt, man fühle sich in der Tradition von 1832 - dem Jahr des Hambacher Festes - und möchte dann auch entsprechende Umwälzungsprozesse in Gang setzen. Die Frage ist natürlich, wo das dann hin geht, beziehungsweise, was man damit dann auch verknüpft.

SWR Aktuell: Die Organisatoren versuchen sich ja von extremistischen Bewegungen wie den Reichsbürgern zu distanzieren?

Stein: Im Gegensatz zu 2023 merkt man eine gewisse Professionalisierung. Sie haben gemerkt, wenn sie Reichsbürger ganz offen bei sich mitführen, dann ist das schwierig. Also sagt man, dass diese Menschen ganz wichtig sind, aber sie versuchen, diese Gruppen eher im Hintergrund zu halten. Aber sie distanzieren sich auch nicht richtig von ihnen. Man macht dann eben so allgemeine Erklärungen.

SWR Aktuell: Wie ordnen Sie die Veranstalter politisch ein?

Stein: Eine Person bezieht sich zum Beispiel auf die Pegida-Bewegung, dass sie das sehr beeindruckt habe und dass Pegida ein Antreiber gewesen wäre, sich zu engagieren im Widerstand. Andere kommen und sagen, "ich komme ja eigentlich aus der Friedensbewegung und wir müssen Frieden mit Russland halten." Was viele vereint ist der Anti-Amerikanismus und natürlich ganz viele Verschwörungserzählungen, wie dem sogenannten Great Reset bzw. dem Bevölkerungsaustausch, die da dann auch wieder eine Rolle spielen. Das merkt man bei den unterschiedlichen Rednerinnen und Rednern, dass da doch sehr viele Verschwörungstheorien gepflegt werden.

(Anm. der Redaktion: Pegida e.V. ist vornehmlich ein Bündnis, das sich gegen die angeblich drohende Ausbreitung des Islamismus in Deutschland und Europa einsetzt. Die Bewegung ist vom sächsischen Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft worden.)

SWR Aktuell: Wie kommt man noch an diese Menschen noch ran?

Stein: Man redet mit den Leuten, so weit das möglich ist. So lang man ihrer Meinung ist, kommt man auch ins Gespräch, aber wenn man dann doch Mal auch dagegen argumentiert oder sagt, nein, das ist eine Verschwörungstheorie - dann merkt man , dass die Leute recht schnell in Rage kommen.

Man sollte natürlich immer versuchen ins Gespräch zu kommen, aber es gibt dann natürlich auch Momente, wo man dann merkt: Das hat keinen Zweck mehr.

Die Leute leben in einer Blase in ihrer Welt und wollen dann auch, dass ihre Weltsicht nach außen hin von allen anderen so geteilt wird - um dann am gemeinsamen Ziel zu arbeiten.

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