Das Schienennetz zwischen Mannheim und Karlsruhe zählt zu den wichtigsten Bahnverbindungen Europas. Der Abschnitt gehört zum sogenannten Mittelrhein-Korridor, auf dem Güter zwischen den Regionen und den Hochseehäfen Rotterdam und Genua transportiert werden. Die bestehende Strecke ist stark überlastet, an der Neubaustecke plant die Bahn offiziell seit November 2020.
Bislang wurde die Diskussion überwiegend in Baden-Württemberg geführt. Aber nun schwappt das Problem auch in die Pfalz. Zwei mögliche Streckenvarianten würden linksrheinisch verlaufen und südlich von Speyer den Rhein unterqueren. Oberirdisch würde die Strecke teils entlang der B9 verlaufen - in einer Region, die ohnehin schon von Lärm geplagt ist.
Dagegen formiert sich jetzt immer mehr Widerstand. Seit dem Frühsommer ist in Limburgerhof eine Bürgerinitiative aktiv, die Anfang Juli in einer Versammlung über die Planungen der Bahn und die Folgen informiert hat. Auch in Speyer haben sich Bürger gegen das Projekt zusammengetan, beide Gruppen haben sich inzwischen zusammengeschlossen. Der Name der Initiative: "David - Keine Schwerlasttrasse durch die Vorderpfalz" ist alles andere als zufällig gewählt. Immerhin geht es gegen den "Goliath" Deutsche Bahn. Die BI David hat nach eigenen Angaben einen großen Zulauf an Mitgliedern. Man habe bereits mehr als 1.500 Unterschriften gesammelt.
Zwei Varianten für mögliche Bahntrassen durch die Pfalz
Von anfangs gut 50 möglichen Streckenverläufen prüft die Bahn derzeit noch acht. Zwei davon würden linksrheinisch verlaufen. Betroffen wären der Ludwigshafener Stadtteil Rheingönheim sowie die Gemarkungen von Limburgerhof, Neuhofen, Waldsee, Speyer, Heiligenstein und Mechtersheim. Bei diesem Streckenverlauf würden die Güterzüge Mannheim und Ludwigshafen in einem zwölf Kilometer langen Tunnel unterqueren und ab Ludwigshafen-Rheingönheim oberirdisch parallel zur Bundesstraße 9 Richtung Süden fahren.
BI: "Milliardenteurer Schildbürgerstreich"
Die BI David spricht von einen "milliardenteuren Schildbürgerstreich", der jede Menge Natur zerstören und das bundesweit größte Trinkwasserreservoir bedrohen würde. Auch die Politik vor Ort ist alarmiert. Andreas Poignée (CDU), Bürgermeister von Limburgerhof, fürchtet erhebliche Eingriffe in Naturschutz-Zonen und lehnt die geplanten Linienführungen vehement ab.
Etliche Varianten auf der baden-württembergischen Seite wurden aus Naturschutz-Gründen bereits verworfen, unter anderem weil dort der vom Aussterben bedrohte Feldhamster betroffen wäre. In der Pfalz wären zwar keine Hamster bedroht - aber etliche Gebiete, die nach europäischen Richtlinien schützenswert sind.
Tunnel unter Mannheim und Ludwigshafen?
Neben der Lärmbelastung einer oberirdischen Streckenführung durch die Pfalz gibt es nach Ansicht von BI-Sprecher Volker Ziesling noch einen weiteren Knackpunkt - die Untertunnelung in Mannheim und Ludwigshafen, die für beide linksrheinischen Varianten nötig wäre. Zusammen mit der zweiten Rheinunterquerung bei Mechtersheim kämen gut 20 Kilometer Tunnel zusammen - die Kosten dafür wären "völlig unkalkulierbar", sagte Ziesling der "Rheinpfalz". Das Bahnprojekt "Stuttgart 21" wäre dagegen "Peanuts".
Bahn will Anfang 2024 über Gütertrasse entscheiden
Die Verantwortlichen der Deutschen Bahn wollen im ersten Halbjahr 2024 entscheiden, welche Bahntrasse zwischen Mannheim und Karlsruhe tatsächlich gebaut wird. Die DB wartet nach eigenen Angaben noch auf die Zugzahlenprognose 2040 des Bundes. Davon hängt ab, welche der Optionen für eine Trassenführung weiter verfolgt wird.
Sind in Mannheim zwei neue Gleise nötig, weil die Zahlen steigen, dann rückt die linksrheinische Variante in den Vordergrund, so die Einschätzung von Tilman Otto, einem Sprecher der Bürgerinitiative David. Dann werde wohl in Mannheim und Ludwigshafen untertunnelt und in der Vorderpfalz gebaut. Ottos Hauptargument gegen eine solche Streckenführung ist - neben den Naturschutz-Aspekten - ein ganz simples: Aus seiner Sicht rechnet sich die linksrheinische Variante schlicht nicht.
Diskussion über Gütertrasse auch in der Politik
Inzwischen ist die Diskussion über eine mögliche Gütertrasse in der Pfalz auch in der rheinland-pfälzischen Landespolitik angekommen. Michael Wagner (CDU), Mitglied im Landtagsausschuss für Wirtschaft und Verkehr, hat das Thema im Ausschuss zur Sprache gebracht. Die Menschen in seinem Wahlkreis (Speyer) seien verunsichert von den Plänen der Bahn. Die Landesregierung müsse den Bürgerinnen und Bürgern sehr transparent sagen, ob sie diese Trasse will oder nicht.
Auch Christian Schreider (SPD), Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Ludwigshafen/Frankenthal, sieht die Pläne der Bahn kritisch. Vor allem mit Blick auf unkalkulierbare Kosten. Er könne nicht verstehen, so Schreider im Bundestag, dass die Bahn "ernsthaft auch völlig überdimensionierte Varianten prüft. Die zwei riesige und teure Tunnel unter dem Rhein vorsehen, darunter den theoretisch größten Deutschlands, die keine Anbindung an den Rangierbahnhof und keine Anbindung an den ICE-Bahnhof Mannheim beinhalten."
Dialogforum der Bahn zur Gütertrasse seit 2020
Der offizielle Startschuss für das Bahnprojekt Mannheim-Karlsruhe fiel am 12. November 2020. In einem "Dialogforum Mannheim-Karlsruhe" sind neben der Deutschen Bahn die vom Bauprojekt betroffenen Organisationen vertreten, wie die Verkehrsministerien von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, die betroffenen Kreise, Städte und Kommunen, Verkehrs- und Wirtschaftsverbände, Umwelt- und Naturschutzverbände, Vereine und Bürgerinitiativen.
Eine wesentliche Rolle in den Planungen spielt der so genannte Raumwiderstand - die betroffenen Gebiete werden nach Schutzbedürftigkeit in Zonen eingeteilt. Je höher der Raumwiderstand, desto größer sind die Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt in diesem Bereich. Die Planer der Bahn haben zunächst Grob-Korridore für mögliche Strecken erarbeitet und nach und nach diverse Varianten aussortiert.
Im Juni 2022 hatte die Bahn noch 50 verschiedene Planvarianten im Rennen, die Stück für Stück abgearbeitet wurden. Dabei mussten laut Bahn Umweltschutz, Streckenlänge und eine detaillierte Kosten-Nutzen-Rechnung untersucht werden. Übrig blieben schließlich acht mögliche Linienführungen, davon eben zwei durch die Pfalz.
Kosten für mögliche Gütertrassen noch nicht beziffert
Angesichts der dafür erforderlichen Tunnelbauten stellt sich natürlich auch die Frage nach den Kosten - Stichwort "Stuttgart 21". Auf SWR-Anfrage hält sich die Bahn bedeckt. In dieser "sehr frühen Planungsphase kann es sich dabei nur um eine sehr grobe Schätzung handeln", so eine Bahn-Sprecherin. Zahlen wurden nicht genannt. Das nächste Treffen des Dialogforums ist für Anfang Oktober 2023 geplant.