Seit Wochen protestieren Landwirte in ganz Deutschland gegen Sparpläne der Bundesregierung. In ganz Rheinland-Pfalz waren am Sonntagabend Landwirte und Winzer mit ihren Traktoren unterwegs, um ab 21 Uhr die Zentrallager der großen Einzelhandelsketten zu blockieren. Aus mindestens zehn Lagern von Lidl, Aldi, Netto, Edeka und Globus sollte dann kein Lastwagen mehr in Richtung Supermarktfilialen unterwegs sein können. Wie lange die Blockaden dauerten, war von Ort zu Ort unterschiedlich, je nach Auflage der Ordnungsbehörde.
Wie Andreas Jung vom Zusammenschluss "Landwirtschaft verbindet Rheinland-Pfalz e.V." dem SWR in Koblenz sagte, sollten die Lager blockiert werden, bevor um 22 Uhr das sonntägliche Lkw-Fahrverbot endet. Damit soll Druck auf die Einzelhandelsketten ausgeübt werden, da sie die Preise der landwirtschaftlichen Produkte größtenteils bestimmen. Jung betonte, dass dies nur der Auftakt sein werde. Wenn die Konzerne nicht zu Gesprächen bereit seien, könnten die Blockaden auch über Tage hinweg ausgeweitet werden. Die Kundinnen und Kunden im Supermarkt würden jetzt noch nichts von der Aktion merken. "Diese Auswirkungen würden wir uns wünschen, sie finden aber so nicht statt", so Jung. Dafür seien die Lager vor Ort zu gut gefüllt.
Koblenz: Proteste bis Montagvormittag
In Koblenz demonstrierten bis zum Montagmorgen etwa 500 Bauern vor dem Lidl-Lager. Dort gab es am Auslieferungslager von Lidl am Sonntag eine der größten und wohl auch spektakulärsten Aktionen. Es wurde ein Traktor an einem Kran hochgezogen, um damit zu veranschaulichen, dass die Landwirtschaft nach Ansicht der Landwirtinnen und Landwirte am "seidenen Faden" hängt. Viele Menschen verfolgten die Aktionen der Landwirte bis in die Nacht hinein.
Heuballen geht in Bingen in Flammen auf
Etwa 70 bis 80 Landwirte hatten sich nach Polizeiangaben in Bingen versammelt. Die Landwirte luden auch Heuballen ab. Einer der Heuballen ging in Flammen auf. Wie sich das Feuer entzündete, ist noch unklar. Gegen 3 Uhr beendeten die Landwirte die Blockade und zogen ab.
Auch Blockade in Wöllstein
Von Sonntagabend bis Montagfrüh hatten Landwirte auch ein Zentrallager im Gewerbegebiet von Wöllstein (Kreis Alzey-Worms) blockiert. Laut Polizei war eine Versammlung von 30 Fahrzeugen angemeldet worden, schlussendlich seien circa 50 vor Ort gewesen. Offiziell angemeldet war ein Zeitraum von 21 bis 0 Uhr.
Bauern: Konzerne sollen sich bei Politik für Landwirtschaft einsetzen
Der Verein "Landwirtschaft verbindet Rheinland-Pfalz e.V." fordert faire Preise für die Erzeuger und eine stärkere Beteiligung am Gewinn. "Es ist es ja nichts Neues, dass die Lebensmitteleinzelhändler die Preise systematisch gering halten für die Landwirte", so Jung. Aber er will nicht nur eine angemessene Bezahlung. Die Handelsunternehmen müssten auch ihren Einfluss auf die Politik geltend machen und sich in Berlin für die Landwirtschaft vor Ort einsetzen. Die Politik müsse ein System schaffen, das auskömmliche Preise für die Urproduzenten, die heimische Landwirtschaft, ermögliche.
Außerdem kritisieren die Landwirte, dass die Einzelhändler mittlerweile unhaltbare Lieferanforderungen stellen würden. "Lidl, Aldi, Rewe, Edeka und Co. haben keine Kühlregale für Obst und Gemüse. Das Risiko ist komplett auf die Produzenten verlagert, sogar die Rücknahmen erfolgen auf Kosten der Lieferanten", so der Verein in einer Mitteilung.
Treffen mit der Landesregierung
Am Montagnachmittag waren die Präsidenten der beiden rheinland-pfälzischen Bauern- und Winzerverbände - Michael Horper, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau und Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, sowie Eberhart Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd - dann zu einem Gespräch bei Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP). Die Landesregierung sagte den Landwirten dabei unter anderem zu, sich für Entbürokratisierung einzusetzen.
Die Bauernverbändebegrüßten es, dass das Gesetz zur schrittweisen Abschaffung der Steuervorteile beim Agrardiesel noch nicht beschlossen wurde. Eigentlich sollte der Bundesrat vergangenen Freitag darüber abstimmen - jetzt soll dies erst am 22. März passieren. Die Unionsländer hatten die Vertagung in der vorbereitenden Sitzung zum Bundesrat überraschend gegen die SPD-Seite durchgesetzt - dies war möglich, weil u.a. Rheinland-Pfalz als SPD-Land nicht anwesend war.
Man werde die zusätzliche Zeit nutzen, um weiter mit der Politik zu sprechen, sagte Horper. Es seien nach wie vor Kompromisslösungen beim Agrardiesel denkbar. Was die Vorgänge im Bundesrat betrifft sprach Dreyer erneut von einem groben Foul. Die Unionsseite habe ungeschriebene Regeln gebrochen und die Abwesenheit der rheinland-pfälzischen Vertreterin missbraucht. Die Bevollmächtigte des Landes, Heike Raab, sei in Brüssel gewesen und habe es nicht rechtzeitig zurück nach Berlin geschafft.
Der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Baldauf kritisierte, Dreyer versuche der Union den Schwarzen Peter zuzuschieben. Die Bundesregierung wolle immer mehr Gesetze im Eilverfahren durchpeitschen. Die Union habe im Bundesrat lediglich dafür gesorgt, dass das Haushaltsfinanzierungsgesetz das geordnete Verfahren durchlaufe – ohne verkürzte Frist.