Seit dem Start des Hauses des Jugendrechtes 2014 ist die heutige Oberstaatsanwältin Kirsten Mietasch in unterschiedlichen Funktionen Teil des Projekts. Zum zehnjährigen Jubiläum hat sie mit SWR Aktuell über Sinn und Zweck der Einrichtung gesprochen:
SWR Aktuell: Im Haus des Jugendrechts in Koblenz sitzen unter anderem Vertreter von Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendhilfe unter einem Dach zusammen - warum?
Kirsten Mietasch: Dadurch, dass die wesentlichen Protagonisten zusammensitzen, führt es dazu, dass die Verfahren der straffällig gewordenen Jugendlichen einfach verkürzt werden - auch durch die kurzen Wege und am Ende kommt es zu einer schnellen Entscheidung. Das können ein Urteil oder andere Auflagen sein. Das heißt, die Strafe folgt auf dem Fuße.
SWR Aktuell: Warum ist das wichtig?
Mietasch: Wenn Verfahren zu lange dauern, sieht man häufig, dass in der Zwischenzeit eine Entwicklung bei den Jugendlichen stattgefunden hat, die nicht immer positiv sein muss. Dann führt das dazu, dass der Jugendliche sich am Ende des Tages möglicherweise auch mehreren Anklageschriften stellen muss. Und da ist die Sanktion ja häufig eine größere. Wenn man in kurzer Zeit eine Sanktion, ein Urteil herbeiführen kann, dann weiß der Jugendliche: Okay, jetzt habe ich hier die rote Karte gezeigt bekommen und muss auch etwas tun. Das Handeln hat direkte Konsequenzen.
SWR Aktuell: Wegen welcher Delikte kommen die Jugendlichen denn ins Haus des Jugendrechts - ist da in den vergangenen zehn Jahren ein Trend erkennbar?
Mietasch: Wirklich einen Trend kann man nicht erkennen. Im Jugendbereich ist das ganz, ganz verschieden: Man kann ganz einfache, niederschwellige Delikte begehen, wie Fahren ohne Fahrerlaubnis oder Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz oder Diebstahl im kleineren Umfang. Oft passiert das aus der Gruppe heraus, zum Beispiel als Mutprobe. Wir haben aber auch durchaus Raubstraftaten, das kann auf dem Schulhof sein, das kann aber auch schon im größeren Umfeld in der Innenstadt sein.
SWR Aktuell: Welche Auflagen gibt es dann, damit die Jugendlichen möglichst nicht mehr straffällig werden?
Mietasch: Das kann alles sein, von dem wir denken, dass es dem jeweiligen Jugendlichen hilft, nicht mehr straffällig zu werden: Aufsatzschreiben, ein Täter-Opfer-Ausgleich. Natürlich die Sozialstunden, von denen die meisten wahrscheinlich schon mal gehört haben. Das können aber auch ein Anti-Aggressionstraining oder soziale Trainingskurse sein.
Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe arbeiten zusammen Straffällige Jugendliche: So arbeitet das Haus des Jugendrechts in Koblenz
In Neuwied hat am Freitag ein Haus des Jugendrechts aufgemacht. Seit Jahren gibt es dieses Kooperations-Projekt in Koblenz: Welche Erfahrungen hat man damit seit 2014 gemacht?
SWR Aktuell: Außerdem gibt es im Haus des Jugendrechts Koblenz ja auch das Projekt "Gitterstunde". Was hat es damit auf sich?
Mietasch: Das ist ein Projekt, das in der Zusammenarbeit mit der Caritas und mit der JVA geschaffen wurde und dient einfach dazu, den Jugendlichen zu zeigen, was passiert, wenn man sich weiter strafbar macht. Dann ist nämlich die nächste Stufe die Jugendstrafe und die endet natürlich in der Jugendstrafanstalt. In dem Projekt können die Jugendlichen sich dann schon mal den Knastalltag anschauen und auch mit einem Häftling dort vor Ort sprechen. Das zeigt große Wirkung.
SWR Aktuell: Zehn Jahre gibt es das Haus des Jugendrechts jetzt in Koblenz - würden Sie es als Erfolgsprojekt bezeichnen?
Mietasch: Auf jeden Fall. Den Erfolg sieht man in den Fallzahlen zum Teil oder darin, dass ein Jugendlicher oder eine Jugendliche nicht mehr mehrfach hier auftaucht und kein Intensivtäter mehr ist. Das spürt man und ich denke, das gibt unserem Ansatz Recht. Dass wir eben nicht einfach nur Sozialstunden verhängen, sondern zusammen mit allen Akteuren auf den konkreten Fall schauen und zusammen überlegen, was kann hier die beste Lösung sein, welches Projekt kann man vielleicht für eine spezielle Gruppe entwickeln? Das werden wir auch in Zukunft weiter so machen.
Das Interview führte SWR Aktuell-Redakteurin Maike König.