Seit 30 Jahren arbeitet der Westerwälder Jürgen Philippi aus Moschheim als Auktionator zwischen Köln und Frankfurt. Noch nie habe er so viele Firmenpleiten erlebt wie im Moment, sagt er. Nahezu drei mal mehr seien es als in der Zeit vor Corona. "Wegen der wirtschaftlichen Situation in Deutschland sind für uns die Bearbeitungen der Insolvenzen und der Firmenliquidationen kaum noch zu bewältigen", sagt Philippi.
Auch die Industrie und Handelskammer (IHK) in Koblenz formuliert in einem Brandbrief an verschiedene Politiker, dass alle Signale in der Wirtschaft derzeit auf Rot stünden und viele Unternehmen und Jobs bedroht seien. Jürgen Philippi erlebt das hautnah mit. In seiner Lagerhalle in Moschheim häufen sich Heizkörper, Duschwannen, Motorsägen, Fahrräder oder Bürostühle. Auf dem Hof stehen Bagger, Unimogs oder Radlader - alles aus Firmenauflösungen und -insolvenzen.
Wie arbeitet der Auktionator?
Philippi wird von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder einem Gericht beauftragt und erstellt vor Ort zunächst ein Gutachten über das Firmenvermögen. Wenn dann ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wird zunächst geschaut, ob jemand Interesse daran hat, die Firma weiterzuführen. Ist das nicht der Fall bleibt nur noch die öffentliche Versteigerung des Betriebsvermögens.
"Wenn der Firmenbesitz eingezogen wird, fließen oft auch Tränen", sagt Philippi. Die Gründe für die Firmeninsolvenzen oder -auflösungen, seien vielfältig. Viele Inhaber würden angeben, es sei schwer gute Mitarbeiter zu finden. Die seien in Deutschland oft auch zu teuer, die Arbeitsmoral sei schlecht. Anderen fehlten derzeit die Aufträge, wie zum Beispiel der gesamten Branche, die normalerweise mit dem privaten Hausbau ihr Geld verdient.
Vielen Firmen fehlen die Aufträge
"Aufgrund der Zinssituation und der extrem gestiegenen Kosten baut kaum noch jemand ein privates Haus und davon sind dann ganz verschiedene Unternehmen betroffen: angefangen beim Tiefbauer, dem Maurer, dem Dachdecker, dem Heizungsbauer, dem Gartenlandschaftsbauer - das sind immer mehr die keine Aufträge mehr haben und die Mitarbeiter müssen halt bezahlt werden", sagt Philippi. Wieder andere kapitulierten vor der überbordenden Bürokratie in Deutschland. Sie lösen ihre Firma auf und gehen lieber ins Ausland.
Mallorca statt Westerwald
Jürgen Philippi hat beispielsweise ein 500.000 Euro teures Spezialfahrzeug in der Versteigerung. Es stammt von einem Kanalsanierer aus dem Westerwald. Der möchte in Zukunft nicht mehr für deutsche Kommunen arbeiten. Immer wieder habe er monatelang auf sein Geld warten müssen. Jetzt macht er Kanalsanierung auf Mallorca, wo er nach eigenen Angaben von den Kommunen 30 Prozent Vorschuss für seine Arbeiten bekommt.
Vom Bagger bis zum Klodeckel - Auktion am 26. Oktober in Moschheim
Alles, was Auktionator Philippi nach Insolvenzen oder Firmenaufgaben bekommen hat, wird öffentlich versteigert. Zum nächsten Mal am kommenden Samstag ab 11 Uhr im Gemeindezentrum von Moschheim im Westerwald. Insgesamt 450 Positionen kommen unter den Hammer - von Baggern und Radladern im Wert von fünf Millionen Euro, über eine Werkbank für 60 Euro bis zum Klodeckel für zehn Euro. Interessierte können sie am Auktionstag vorab in den Hallen des Auktionators oder im Onlinekatalog besichtigen.