"Es war kein normales Jahr und es lässt sich auch keine typische Bilanz ziehen." Mit diesen Worten eröffnet Cornelia Weigand die Pressekonferenz anlässlich ihres ersten Dienstjahres im Kreis Ahrweiler. Denn nach der Flutkatastrophe sei das einfach noch eine ganz andere Form der Arbeit. Ihr erstes Jahr habe sich entsprechend auch größtenteils um Themen der Flut und des Aufbaus gedreht.
Weigand betonte, dass es nicht nur um den Wiederaufbau gehe, sondern auch darum, den Kreis für die Zukunft aufzustellen. Entsprechend seien Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Energiewende und Katastrophenschutz ebenfalls im Fokus. Eine Herausforderung sei hier oft die Finanzierung. Grund sei, dass die Fördergelder in erster Linie für den Wiederaufbau gedacht seien, nicht aber für einen nachhaltigen Neubau. Eine Aufgabe des Kreises sei es daher aktuell und auch künftig, passende neue Finanzierungsformen dafür zu finden.
Auch abseits des Wiederaufbaus geht es um Zukunftsfragen
Aber auch für die nicht von der Flut betroffenen Kommunen im Kreis gehe es um Zukunftsthemen, so Weigand. Es gehe darum, den gesamten Kreis für künftige Generationen aufzustellen. Als Beispiele nannte die Landrätin hier unter anderem die Digitalisierung, die Bedarfsplanungen für KiTa-Plätze sowie die Frage nach mehr Wohnraum.
Auch das Thema Gesundheitsvorsorge sei laut Weigand akut. Hintergrund ist, dass seit Ende vergangenen Jahres feststeht, dass die einzige Klinik in Adenau, das St. Josef-Krankenhaus, Ende März dicht gemacht wird. Hier laufen laut der Landrätin aktuell Gespräche darüber, wie es danach weitergehen soll. Aber auch für 2023 werde das alles bestimmende Thema der Wiederaufbau und die Hochwasservorsorge sein.
Absolute Mehrheit schon im ersten Wahlgang
Die erste Landratswahl nach der Flutkatastrophe endete am 23. Januar 2022 mit einer echten Überraschung. Die parteilose Cornelia Weigand war die eindeutige Siegerin im Kreis Ahrweiler, in dem traditionell die CDU den Landrat stellte. Als parteilose Bewerberin erhielt Weigand aber schon im ersten Wahlgang 50,2 Prozent der Stimmen und setzte sich so deutlich gegen den CDU-Kandidaten Horst Gies (28,2 Prozent) durch.
Weitere Kandidaten waren Christoph Schmitt (SPD), der als überparteilicher Kandidat angetreten war, sowie der parteilose Kandidat Axel Ritter. Nach ihrer Wahl sagte die neue Landrätin dem SWR, sie habe "Respekt vor der Aufgabe."
Weigand ist Nachfolgerin des langjährigen CDU-Landrates Pföhler
Cornelia Weigand wurde damit zur Amtsnachfolgerin von Jürgen Pföhler (CDU), der den Kreis Ahrweiler 21 Jahre lang geführt hatte. Er trat kurz nach der Flut zurück. Auf eigenen Antrag wurde er wegen Dienstunfähigkeit im Herbst 2021 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Deshalb wurde die Landratswahl vor Ablauf seiner Amtszeit nötig. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt immer noch gegen Pföhler im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe.
Offener Brief an Bund und Land machte Weigand bekannt
Die Biologin Cornelia Weigand bekam nach der Flut bundesweite Aufmerksamkeit, als sie in einem offenen Brief an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) einen Sonderbeauftragten auf Bundesebene für den Wiederaufbau des Ahrtals forderte.
Zu diesem Zeitpunkt war sie noch Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, die schwer von der Flut getroffen worden war. Auch ihr eigenes Haus hatte unter Wasser gestanden.
Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 2023: Bürgermeister an der Ahr erwarten Fortschritte beim Wiederaufbau
Trotz Personalmangel, unzähligen Baustellen und Fragen beim Hochwasserschutz blicken die Kommunen an der Ahr bei vielen Wiederaufbauprojekten zuversichtlich auf 2023.
Cornelia Weigand: Klinken putzen in Berlin und Mainz
Bei ihrer Antrittsrede zur Amtseinführung am 18. Februar 2022 sagte Weigand sie wolle eine "schrittweise Wiederherstellung normaler Lebensverhältnisse" erreichen. Dieses Ziel ist im Ahrtal bislang nicht erreicht worden und Landrätin Weigand selbst geht davon aus, dass der Wiederaufbau noch jahrelang dauern wird.
Deshalb musste Cornelia Weigand zusammen mit den Bürgermeistern aus dem Ahrtal in ihrem ersten Jahr auch immer wieder Politiker in Berlin und Mainz davon überzeugen, dass die Menschen im Tal für den Wiederaufbau mehr Zeit und Personal brauchen.
Weigand hat die Aufgaben der Kreisverwaltung neu strukturiert
Für den Wiederaufbau ändert sich im Kreishaus etwas: Weigand hat damit begonnen die Organisation in dem Haus neu zu strukturieren: Seit Anfang Februar gibt es dafür den neuen Fachbereich "Aufbau/Nachhaltigkeit", in dem nach Angaben der Kreisverwaltung fünf Abteilungen gebündelt werden: Strukturentwicklung, Bauen, Umwelt, Förderprogramme/Landwirtschaft und Wirtschafts- und Tourismusförderung.
Das Ziel sei es, Synergien zwischen den einzelnen Abteilungen besser zu nutzen, so Weigand. Es gehe darum, Abstimmungen zu vereinfachen und Prozesse zu beschleunigen. Außerdem möchte die Landrätin den Katastrophenschutz im Kreishaus neu organisieren.
Kritik im Kreistag Ahrweiler
Gegenwind bekam Cornelia Weigand bei ihrer Arbeit aus dem Kreistag: Die Fraktionen von CDU, FDP und SPD haben sich zuletzt immer wieder darüber beklagt, dass die Landrätin zu wenig über die Fortschritte beim Wiederaufbau informieren würde. Die Grünen, die zweitgrößte Fraktion im Kreistag, sahen das aber nicht so.
Bürgermeister im Ahrtal sind unterschiedlicher Meinung
Auch der Ortsbürgermeister der kleinen Ortsgemeinde Schuld im Ahrtal, Helmut Lussi (CDU), hatte sich zuletzt kritisch zur Arbeit von Cornelia Weigand geäußert. Er sagte, er habe sich mehr Präsenz von ihr als Landrätin im oberen Ahrtal gewünscht. Weigand sei trotz Einladungen einiger Kollegen noch nicht persönlich vor Ort erschienen.
Es gibt aber auch positive Stimmen: Der ebenfalls parteilose Bürgermeister von Sinzig, Andreas Geron, sagte dem SWR, die Stadt arbeite an vielen Stellen gut mit dem Kreis zusammen - beispielsweise bei Projekten des Klimaschutzes oder auch der Gewässerwiederherstellung nach der Flutkatastrophe. Auch bei der Verlängerung der Fristen beim Wiederaufbau hätten die Kommunen gemeinsam mit dem Kreis ein wichtiges Ziel erreicht.
Begrenzte Möglichkeiten der Hilfsorganisationen für das Ahrtal Warum 187 Millionen Euro Spendengelder für Flutopfer noch nicht verteilt sind
Zwei große Hilfsorganisationen haben noch mehr als 187 Millionen Euro Spendengelder für die Opfer der Flutkatastrophe 2021. Warum wird das Geld nicht verteilt?
Der Bürgermeister der Gemeinde Grafschaft, Achim Juchem (CDU), lobte die Zusammenarbeit mit Landrätin Weigand vor allem mit Blick auf die Flutfolgen, die Belastungen durch den Krieg in der Ukraine sowie den bestehenden Fachkräftemangel. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Brohltal, Johannes Bell (FWG), nannte Weigand eine verständnisvolle Gesprächspartnerin.
Ihr Nachfolger in Altenahr, Dominik Gieler (CDU), bezeichnete sein Verhältnis zu Weigand als "normales Arbeitsverhältnis". Nach ihrer Wahl zur Landrätin kandidierte er parteilos für das Amt zum Verbandsbürgermeister. Auf Weigand angesprochen, teilte er dem SWR schriftlich mit: "Cornelia Weigand kennt meine Erreichbarkeiten und sie weiß, dass ich trotz meines vollen Terminkalenders, immer zu konstruktiven Gesprächen bereit bin." Diese habe es auch schon gegeben.
Das sagen die Bürger zu Weigands Arbeit
Wer sich im Tal umhört, bekommt von den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder positive Rückmeldungen auf die Arbeit von Landrätin Weigand. Viele Menschen schätzen ihre unaufdringliche Art und würdigen ihren Einsatz. Sie wissen vor allem, dass der Wiederaufbau des Ahrtals immer weiter eine Mammutaufgabe ist.
Dazu kommt, dass Weigand für den gesamten Kreis Ahrweiler zuständig ist. Es gibt neben dem Wiederaufbau auch andere Themen, um die sich die Landrätin kümmern muss: Zum Beispiel die Schließung des Krankenhauses in Adenau und die Schließung der Gynäkologie und Geburtsstation im Krankenhaus in Bad Neuenahr.