Einem Mitarbeiter der Generaldirektion Kulturelles Erbe wird vorgeworfen, 21 Schädel bewusst falsch datiert zu haben. Gegenüber dem SWR hatte er das im Oktober bestritten. Damals hatte das Innenministerium in Mainz die ersten Vorwürfe bekannt gemacht. Jetzt kommen 18 weitere mögliche Fälle dazu.
Dazu gehören auch der sogenannte "Neandertaler von Ochtendung" und das "Schlachtfeld von Riol", teilte Innenstaatssekretärin Simone Schneider am Montag in Mainz mit. Alle Verdachtsfälle werden demnach jetzt systematisch abgearbeitet.
Neandertaler-Schädel wohl aus dem Frühmittelalter
Der angebliche Neandertaler-Schädel sei den Untersuchungen zufolge 160.000 bis 170.000 Jahre jünger als angenommen, sagte Innenstaatssekretärin Simone Schneider der Nachrichtenredaktion dpa. Ein externes Labor habe das Alter des Schädelfragments mittels Radiocarbonmethode (C14) bestimmt. Die Ergebnisse datieren demnach das Fragment ins Frühmittelalter (7./8. Jahrhundert nach Christus) und nicht in die Altsteinzeit.
Die archäologische Datenbasis für das "Schlachtfeld von Riol" - angeblich Fundort einer historisch bezeugten Schlacht aus dem 1. Jahrhundert nach Christus Geburt - habe sich bei der Überprüfung als unzureichend herausgestellt. Worum es bei den anderen 16 Verdachtsfällen gehe, sei noch unklar, so Schneider weiter.
Disziplinarverfahren gegen den Archäologen aus Koblenz
Bereits im Oktober hatte das Ministerium bekanntgegeben, dass der Archäologe verdächtigt wird, mindestens 21 Schädel oder Schädelteile bewusst falsch datiert zu haben. Ein Disziplinarverfahren wegen bewusster Manipulation gegen den Landesbeamten laufe. Er ist den Angaben zufolge bereits seit längerem von der Arbeit freigestellt.
Untersuchungen ergaben, dass nur zwei der Schädel tatsächlich aus dem 5. Jahrhundert vor Christus stammen, während die anderen aus dem Mittelalter oder der Neuzeit sind. Momentan ist nicht öffentlich bekannt, wie viele Projekte noch untersucht werden, an denen der Archäologe beteiligt war.
Umfang des Archäologie-Skandals noch unklar
Aufgrund konkreter Anhaltspunkte, dass der Archäologe bewusst geschichtsträchtige archäologische Funde manipuliert haben könnte, hatte das Land externe Fachleute hinzugezogen. Sie sollen helfen, das genaue Ausmaß der betroffenen Funde zu klären. Der Umgang mit den Ergebnissen wird derzeit geprüft. Auslöser der Überprüfungen war eine vertrauliche Anfrage einer Universität, die Zweifel an der Dissertation des Mannes aufkommen ließ.
Wissenschaft und Öffentlichkeit werden informiert
Innenstaatssekretärin Schneider betonte, dass man die Öffentlichkeit und die Wissenschaft fortlaufend über die Ergebnisse der Untersuchungen informieren werde, um weiteren wissenschaftlichen Schaden abzuwenden. An der Aufklärung sind laut Ministerium verschiedene Experten aus anderen Bundesländern beteiligt.