Mehrere hundert Kinder und Erwachsene verfolgen fasziniert, wie der Engel mit blonden Locken und in weißem Gewand den Hirten die frohe Botschaft verkündet. Maria und Josef betrachten währenddessen im Stall liebevoll ihren neu geborenen Sohn. Das weihnachtliche Schauspiel der "lebenden Krippe" ist an den Adventswochenenden für viele Besucherinnen und Besucher des Andernacher Weihnachtsdorfes auf dem Marktplatz ein Highlight. Zwei kleine Mädchen in der ersten Reihe sind sich einig: "Am schönsten sind immer der Engel und die Maria!"
Darstellerin seit 30 Jahren dabei
Maria heißt im echten Leben Katja Kesselem. Die Andernacherin ist seit der ersten Aufführung der Krippe dabei: "Ich war damals zwölf Jahre alt, hatte lange blonde Haare und wurde gefragt, ob ich den Engel spielen möchte. Jetzt spiele ich seit 30 Jahren den Engel oder die Maria".
Wie alle Krippenspieler ist Katja Kesselem Mitglied der Andernacher Prinzengarde. Denn es waren tatsächlich Karnevalisten, die Anfang der 90er-Jahre die Idee hatten, eine lebende Krippe in Andernach aufzuführen. Viele hätten sie damals belächelt, erinnert sich Spielleiter Thomas Manstein: "Da gab es schon Leute, die gesagt haben, seid ihr verrückt? Ihr seid doch Karnevalisten und könnt doch gar nicht besinnlich."
Erfolgreiche Premiere der "lebenden Krippe" Andernach
Die Mitglieder der Prinzengarde ließen sich nicht beirren. 1991 bauten sie zum ersten Mal einen Stall auf dem Andernacher Marktplatz und führten das Laienspiel nach dem Lukas-Evangelium auf. Bereits die erste Aufführung sei ein Erfolg gewesen, so Manstein. Deshalb beschlossen die Karnevalisten, weiter zu machen.
Mehr als 120.000 Zuschauer haben laut Manstein das Laienspiel in den vergangenen drei Jahrzehnten verfolgt. Jedes Jahr spielen 40 Mitglieder der Prinzengarde wechselweise mit. Nachwuchsprobleme gebe es bislang keine, sagt Spielleiter Manstein.
Krippen-Anlage in Andernach wurde immer größer
Die Fläche für die haushohe Krippe mit dem Lagerplatz für die Hirten und Unterstände für zwei Esel und mehrere Schafe betrage mittlerweile rund 120 Quadratmeter. Zwei Wochen brauchen die Krippenbauer der Prinzengarde laut Manstein, um die Anlage aufzubauen. Eine weitere Woche dauere es, bis alles dekoriert sei.
Die Andernacher Karnevalisten haben gezeigt, dass sie "besinnlich können." Allerdings habe es in den vergangenen 30 Jahren auch mal kleine Zwischenfälle gegeben, erinnert sich Manstein: "Früher hatten wir in der Krippe noch eine Kuh. Die ist aber zwei Mal beim Transport ausgebüxt. Das war nicht ganz ungefährlich, deshalb machen wir das nicht mehr." Auch Schafe oder Ziegen seien ab und zu entwischt. Einmal habe eine Ziege ein Loch ins weiße Engelsgewand gefressen.
Meistens geht aber alles ohne Pannen über die Bühne. Und die Darstellerinnen und Darsteller können ihre Auftritte genießen. Für Katja Kesselem hat die "lebende Krippe" auch nach 30 Jahren noch eine große Bedeutung: "Wenn ich auf den Marktplatz komme, ist das wie ein Stück Heimat und wenn ich die leuchtenden Kinderaugen jedes Jahr sehe, weiß ich, dass wir das Richtige tun."