Ambitionierte Pläne hatte die französische Automotive Cells Company, kurz ACC. Der Bau der Batteriezellenfabrik in Kaiserslautern hätte eigentlich im August starten sollen. 2025 wollte das Unternehmen dann eigentlich schon Batterien für Elektroautos produzieren. Doch diese Pläne verzögern sich. Das Unternehmen bestätigt gegenüber dem SWR, dass es bei dem Großprojekt auf dem Opel-Gelände "eine Pause" einlegt. Zuvor hatte die "RHEINPFALZ" darüber berichtet.
Auch Fabrik in Termoli liegt vorerst auf Eis
Auch beim Bau einer Fabrik im italienischen Termoli werde es wegen der Entwicklung neuer Technologien eine "Pause" einlegen, erklärte das Unternehmen am Dienstag. "ACC passt seine Strategie zur Beschaffung von Batterien an, um sein Portfolio um neue, kostengünstige Zellchemikalien zu erweitern", erklärte ACC-Chef Matthieu Hubert. Hintergrund sei auch "die veränderte Marktnachfrage nach kostengünstigeren Fahrzeugen".
Das erste ACC-Werk in Frankreich produziert derzeit sogenannte NMC-Batterien (Nickel-Mangan-Cobalt). Im E-Auto-Bereich setzen sich aber zunehmend LFP-Batterien (Lithiumeisenphosphat) durch, die zwar weniger leistungsstark, dafür aber langlebiger und günstiger sind. Diese technologischen Entwicklungen erforderten "eine weitere Forschungsphase in den kommenden Monaten", erklärte Hubert.
Bund und Land zeigen sich zuversichtlich
Bund und Land äußerten sich am Dienstag zuversichtlich, dass die Fabrik doch noch gebaut wird. Vom Wirtschaftsministerium in Berlin heißt es, die Bundesregierung gehe davon aus, dass die Batteriefabrik in Kaiserslautern gebaut werde. Eine Sprecherin der Mainzer Staatskanzlei sagte, die Landesregierung sei am vergangenen Mittwoch über den Baustopp informiert worden. Die vorgesehenen Fördermittel stünden weiterhin im Haushalt bereit.
Land und Bund hatten zugesagt, die Investition auf dem Opel-Gelände mit insgesamt knapp 450 Millionen Euro zu fördern - davon sollte das Land etwa 51 Millionen Euro übernehmen. Nach SWR-Informationen wurden davon bisher gut drei Millionen Euro ausbezahlt.
SWR-Wirtschaftsredakteurin Jutta Kaiser sagte am Dienstagabend, sie sehe auch die Gefahr, dass die Batteriezellfabrik gar nicht weitergebaut werde. Das Unternehmen ACC rechne damit, dass sich die Baukosten verdoppelt haben. Gleichzeitig habe sich die Nachfrage nach E-Autos abgeschwächt.
Trotz der hohen Investitionen müsse man am Ende fragen, ob das Werk in Kaiserslautern wettbewerbsfähig sei, sagt auch der Automobilexperte Stefan Bratzel von der FH Bergisch-Gladbach. Die Kompetenzen der Hersteller aus China seien bislang deutlich höher.
Gestiegene Kosten und zu geringe Nachfrage nach E-Autos
Den Baustopp der milliardenschweren Batteriezellfabrik für E-Autos kann die Wirtschaftsförderung Kaiserslautern nachvollziehen. Die Voraussetzungen für eine solche Fabrik in Deutschland seien schlechter geworden, erklärt Geschäftsführer Stefan Weiler. Zu wenig Ladesäulen, keine finanzielle Förderung beim Kauf, eine geringe Nachfrage und die Tatsache, dass China billigere E-Autos baut: Aus kaufmännischer Sicht sei der Baustopp die richtige Entscheidung, so Weiler. Trotzdem betont er: "Wir werden eine Batteriezellenfabrik bekommen, da bin ich mir sicher, nur die Größe kann variieren."
Grund für Weilers Zuversicht: Erst vor kurzem hat das Unternehmen in Nordfrankreich eine erste Batteriezellenfabrik eingeweiht: "Dass in Deutschland Energie teurer ist als in Frankreich, war von Anfang an klar und bekannt - das war auch schon so, als die Entscheidung für den Standort Kaiserslautern gefallen ist." Für Kaiserslautern spreche die gute Anbindung und die Forschung in der Stadt.
Stefan Weiler will auch weiterhin nach Kräften helfen, dass das Batteriezellwerk in Kaiserslautern gebaut wird: "Wir haben eine tolle Forschungslandschaft in Kaiserslautern, die sehr viel im Batteriezellbereich macht." Diese Forschungslandschaft will er weiterhin mit ACC und Politik zusammenbringen. "Wir überlegen uns gemeinsam, was neue Ansätze sein könnten", so der Geschäftsführer.
In der Vergangenheit hatte auch ACC immer wieder die Vorzüge des Standortes betont. "Wir haben hier in Kaiserslautern eine starke Universität, wir haben Institute in großer Anzahl. Ich bin der Meinung, wir müssen das nutzen, um die Westpfalz zu einer Modellregion für Elektromobilität auszubauen", sagte Deutschlandchef Peter Winternheimer im Juni vergangenen Jahres dem SWR.
Kaiserslauterer Landrat Leßmeister überrascht von Stopp
Die Tendenz hat sich schon abgezeichnet aufgrund der zurückgehenden Nachfrage bei den Elektrofahrzeugen", sagt Ralf Leßmeister (CDU), der Landrat des Kreises Kaiserslautern. Ein kompletter Stopp sei für ihn aber doch überraschend. Es sei eine Unternehmensentscheidung, die offensichtlich auf Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein ruhe.
"Wir denken hier als Stadt und Landkreis als Wirtschaftsregion", sagt Leßmeister - und fügt an: "Wir haben große Hoffnungen in dieses Werk gesetzt, insbesondere was Zulieferbetriebe und neue Unternehmensbereiche angeht. Deshalb hoffen wir, dass das Werk Ende des Jahres oder 2025 kommt."
Baustopp bei Batteriezellfabrik ist "harte Entscheidung"
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves hat wegen der aktuellen Situation bereits Gespräche mit dem ACC-Betriebsrat, der IG-Metall und auch mit Politiker-Kollegen geführt, wie er dem SWR sagt. Einerseits habe er dabei "sehr besorgte und frustrierte" Rückmeldungen erhalten. "Was ich absolut verstehen kann", so Mieves. Nach dessen Informationen arbeiten derzeit 116 Menschen bei ACC in Kaiserslautern.
Meinung Pause beim Batteriezellwerk Kaiserslautern: Ein Nackenschlag, aber Hoffnung
Dass der Bau des Batteriezellwerks auf Eis liegt, ist eine schlechte Nachricht für die Region. Es kann aber auch eine Chance sein, meint SWR-Reporter Sebastian Stollhof.
"Es ist erst einmal eine sehr harte Entscheidung, dass wir jetzt einen vorübergehenden Stopp in Kaiserslautern haben", sagt Mieves. Er habe bei den Verantwortlichen aber auch Zuversicht gespürt, dass man grundsätzlich am Standort Kaiserslautern festhalten wolle - "wenn auch zu einem deutlich späteren Zeitpunkt".
Im Februar wurde das Fremdkapital noch erhöht
Noch im Februar hatte ACC mitgeteilt, dass das Unternehmen zusätzliches Fremdkapital in Höhe von 4,4 Milliarden Euro für den Bau der drei Gigafactories in Frankreich, Deutschland und Italien sowie für Forschung und Entwicklung erhalten wird - von einem Konsortium aus Geschäftsbanken sowie den drei Anteilseignern Stellantis, Mercedes-Benz und Saft. Nun geht es anscheinend vor allen Dingen um die Frage, welche Batteriezell-Technologie auch vom Markt nachgefragt wird.
2.000 Arbeitsplätze will ACC in Kaiserslautern schaffen
Bis spätestens Anfang 2025 will das Unternehmen laut RHEINPFALZ entscheiden, wie es in Kaiserslautern weitergehen soll. Bis Ende nächsten Jahres hätten ursprünglich 750 Menschen im Werk in Kaiserslautern arbeiten sollen. 2030 dann sogar 2.000.
Gigafactory soll Module für rund 600.000 Elektrofahrzeuge produzieren
In der "Gigafactory", so die offizielle Bezeichnung, hätten ursprünglich Zellen und Module für rund 600.000 Elektrofahrzeuge pro Jahr von rund 2.000 Mitarbeitern produziert werden sollen. Die Automotive Cells Company ist eine Kooperation, ein so genanntes Joint Venture, der Automobilkonzerne Stellantis (Peugeot, Opel) und Mercedes-Benz sowie Total Energies/Saft.