Pilgerin aus RLP im Interview

Israel-Rückkehrerin: "Wir saßen zusammen und beteten, als plötzlich Kampfhubschrauber zu hören waren."

Stand
Interview
Karolin Arnold

Marion C. war auf einer Pilgerreise in Israel, als die Hamas am 7. Oktober Israel angegriffen hat. Im Interview berichtet sie, wie sie die Situation vor Ort erlebt hat - und von den Problemen bei der Rückreise.

SWR Aktuell: Wie haben Sie den 7. Oktober, den Tag des Angriffs, erlebt?

Marion C.*: Ich habe an dem Morgen eine Whatsapp-Nachricht von meiner Schwester erhalten, ob ich noch in Israel sei und wie es mir und meinem Mann geht. Ich war ziemlich überrascht, weil ich dachte: "Was will sie denn, warum sollte es uns schlecht gehen?" Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts mitbekommen über den Angriff und haben dann im Rahmen unserer Morgenrunde die Nachricht über die Ereignisse erhalten. Wir waren dann natürlich erschrocken, haben aber erstmal unser Tagesprogramm weitergeführt, da wir ja ein ganzes Stück weg waren. Wir haben uns schon gefragt: Was passiert da? Aber Angst und Panik in der Gruppe war da erstmal nicht zu spüren.

SWR Aktuell: Seit wann sind Sie wieder aus Israel zurück?

Marion C: Ich bin seit gestern Abend (Anmerkung der Redaktion: Freitag, 13. Oktober) wieder zurück zuhause, nachdem unser Flug von Tel Aviv gegen 19:50 Uhr in Frankfurt gelandet ist.

SWR Aktuell: Wo waren Sie in Israel in den letzten Tagen?

Marion C.: Wir haben am 3. Oktober mit der Pilgerreise begonnen und waren dann bis Freitagmorgen, also bis zum 6. Oktober, in Mitzpe Ramon. Von dort aus sind wir dann weitergefahren zum See Genezareth in das Pilgerhaus vom Deutschen Verein im Heiligen Land in Tabgha. Da waren wir dann auch bis zum Rückflug. Eigentlich wollten wir noch nach Jerusalem umziehen, was wir dann aber aufgrund der unsicheren Lage nicht gemacht haben.

SWR Aktuell: Hat sich die Stimmung in der Gruppe über die folgenden Tage verändert?

Marion C.: Das hat sich schon verändert, weil sich die Situation im Land zugespitzt hat. Zum Beispiel waren wir sonntags in Nazareth und haben auf der Fahrt schon sehr viel Militär plötzlich gesehen. Wir haben gesehen, wo scheinbar junge Reservisten oder Menschen vom Militär ihre Autos am Straßenrand geparkt haben. Auch auf einer Wiese inmitten von Kühen haben Autos geparkt und hintendran hat man dann plötzlich ganz viele Panzer gesehen. Ich kenne es von früheren Aufenthalten in Israel, dass man durchaus immer wieder Militärpräsenz sah, aber in diesem Ausmaß hatte ich das noch nie gesehen. Dadurch wurde uns auch klar, dass sich die Situation im Land sehr verändert. Da kam dann natürlich schon eine gewisse Beunruhigung auf.

Wir haben uns gefragt: Wie geht es weiter, wie sicher sind wir? Aber wir haben uns von unserem Reiseveranstalter und den Menschen vor Ort sehr gut betreut gefühlt und viel Zuspruch und Informationen bekommen. Deshalb hatten wir das Gefühl, dass da im Hintergrund jemand ist, der aufpasst und schaut, wie es für uns weitergeht. Am Montag den 9. Oktober wurde unsere Rückflüge von der Lufthansa gecancelt.

SWR Aktuell: Wie haben Sie sich gefühlt als ihre regulären Flüge gestrichen wurden?

Marion C.: Das war dann natürlich erstmal Entsetzen und Angst die aufkam. Wir stellten uns die Frage: Wie kommen wir wieder nach Hause? Es kam dann aber schnell die Rückmeldung vom Deutschen Verein im Heiligen Land, dass neue Flüge für uns gesucht würden. Bereits am Abend gab es die erste Information, dass neue Flüge gebucht werden konnten. Dann waren wir erstmal beruhigt.

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SWR Aktuell: Am Ende haben Sie einen Rückflug bekommen, der von der Bundesregierung über die Lufthansa organisiert wurde. Wie ist das abgelaufen?

Marion C.: Die Ersatzflüge, die uns vom Veranstalter gebucht worden waren, wurden wieder zurückgezogen, da das Auswärtige Amt nun die Organisation übernehmen würde. Uns wurde vom Veranstalter dann mitgeteilt, wir müssten uns auf die Krisenvorsorgeliste ELEFAND eintragen und würden dort in Kürze neue Informationen zum Rücktransport erhalten. Damit war das Entsetzen wieder massiv, die Angst wieder da. Am 11. Oktober haben wir dann die Information bekommen, dass wir ab 18 Uhr eine Hotline erreichen können, um Flüge zu buchen. Nachdem dort ab 18 Uhr ständig besetzt war, kam ich dann in eine Warteschleife. Diese lief scheinbar endlos weiter, ohne, dass jemand das Gespräch annahm. Dann gab es plötzlich Luftalarm.

Während des Alarms war ich weiter in der Warteschleife von der Lufthansa. Irgendwann war der Alarm vorüber und wir durften zurück ins Zimmer. Ich wurde dann nach genau einer Stunde und 23 Minuten aus der Warteschleife geworfen. Da dachte ich, das kann jetzt nicht wahr sein.

Wir saßen zusammen und beteten, als plötzlich Kampfhubschrauber zu hören waren.

In der Nacht gelang es ab 2 Uhr die Daten der ersten 13 Teilnehmer für einen Flug an die Hotline durchzugeben, bis plötzlich die Telefonverbindung zusammengebrochen ist. Ein erneuter Kontaktversuch zur Hotline gelang ab 4 Uhr morgens und es konnten dann nach und nach bis circa 8 Uhr alle Teilnehmer der Gruppe für einen Flug registriert werden.

Dann sind wir völlig übernächtigt erstmal frühstücken gegangen und konnten etwas gelassener die restlichen Tage verbringen. Auf dem Weg zum Flughafen hatten wir aber bestmöglichen Support von unserem Reiseveranstalter und Guide vor Ort. Auch die Crew der Lufthansa hat sich sehr gut um uns gekümmert und Versorgung geboten.

SWR Aktuell: Was war das einschneidenste Erlebnis, dass Sie aus den letzten Tagen in Israel im Kopf haben?

Marion C.: Also das einschneidenste Erlebnis war das massive Aufgebot an Militär zu sehen. Außerdem der Moment als uns die Schutzräume gezeigt worden sind und klar war, um was es jetzt geht.

Was aber auch noch ein einschneidendes Erlebnis war, war unser Gottesdienst am Donnerstagabend. Wir haben diesen im Freien, direkt am Ufer des Sees gemacht. Wir saßen da zusammen und beteten, als plötzlich in der Luft die Fluggeräusche von Kampfhubschraubern zu hören waren. Das war ein absolut surreales Erlebnis.

SWR Aktuell: Haben Sie aktuell noch Kontakt zu Menschen in Israel?

Marion C.: Nein, im Moment nicht. Wir haben uns vom Reiseleiter verabschiedet. Er ist selbst betroffen, insofern, dass die Familie in Tel Aviv lebt. Er hat uns auch erzählt, dass schon Angehörige von Freunden umgekommen seien. Sicher wird der Kontakt zu ihm und auch zu unserem langjährig bekannten Fahrer erhalten bleiben und wir werden zu gegebener Zeit nachhören, wie es ihm geht.

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SWR Aktuell: Wie haben sie sich gefühlt, als sie am Flughafen ankamen?

Marion C.: In Tel Aviv habe ich mich sehr sicher gefühlt, weil ich weiß, dass der Flughafen sehr gut abgesichert ist. Die Sorge, die uns allen im Nacken saß, war eher, ob der Flug wirklich stattfindet oder ob er kurzfristig gecancelt wird. Aber als wir gemerkt haben, das funktioniert alles, war das ein Gefühl der Erleichterung. Die Anspannung fiel von mir ab und die Tränen kamen.

*Der vollständige Name der Gesprächspartnerin ist der Redaktion bekannt. Marion C. lebt in der Nähe von Bingen.

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