Ein Notfall für die DRK-Klinik Alzey: Die Leitstelle hat die Patientin im Rettungswagen hier zugewiesen. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht: nicht in diesem Oktober, nicht in Rheinland-Pfalz. Wegen Personalmangels war die Notaufnahme in Alzey vier Tage lang für solche Zuweisungen gesperrt.
"In dieser Woche war es so, dass wir tatsächlich am Montag einige Krankmeldungen hatten", sagt der Chefarzt der Abteilung für Akut- und Notfallmedizin, David Garcia Bardon. "Es gab einige Mitarbeiter, die akut an Corona erkrankt sind und nach Hause gehen mussten, so dass wir einen akuten pflegerischen Mangel hatten."
Dramatische Personalnot
Am 10. Oktober wurde die Klinik "schwarz gemeldet" - das heißt, für neue Zuweisungen gesperrt. Das sei der letzte Alarmruf einer überforderten Klinik, heißt es. Garcia Bardon betont, vor der Pandemie habe es das nie gegeben. Doch heute sei die Personalnot dramatisch.
Die Hygienemaßnahmen gegen das Coronavirus verursachen Mehrarbeit, gleichzeitig fallen viele Mitarbeitende erkrankt aus. "Es ist wirklich kurz vor knapp, weil auch gerade die Kollegen nicht mehr können nach zwei Jahren Pandemie und den Job auch verlassen", erklärt Sascha Gropengießer, der stellvertretende Pflegerische Abteilungsleiter. "Es ist wirklich kurz davor, dass das Gesundheitssystem vor dem Kollaps ist."
Viele Patienten müssen isoliert werden
Derzeit müssen viele Patienten isoliert werden, weil sie mit Corona infiziert sind. Das bringt die Alzeyer Klinik auch finanziell in Bedrängnis, denn ein Großteil der Betten kann deshalb nicht belegt werden. Statt drei Patienten darf nur ein Infizierter im Zimmer liegen. So sank die Auslastung der Klinik auf 40 Prozent.
Weniger Patienten heißt weniger Behandlungen - und ohne Behandlungen keine Vergütung. "Wir sind im Moment in den roten Zahlen, weil wir einfach von dieser Kostenlawine und dem Erlös-Rückgang erdrückt werden", sagt Michael Nordhoff, der Kaufmännische Direktor der Klinik. "Und wir brauchen politische Unterstützung. Die kann nur so aussehen, dass wir kurzfristig Ausgleichszahlungen bekommen." Ansonsten könne die Alzeyer Klinik nicht mehr lange überleben.
Auch im Westpfalz-Klinikum stehen viele Betten leer
Die gleichen Probleme hat auch das Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern, das fast acht Mal so viele Betten hat wie Alzey. Trotz der viel bemühten "milden Verläufe" gibt es erhöhten Aufwand, etwa auf der Isolierstation: Statt Covid-Patienten mit schweren Verläufen liegen hier derzeit viele Infizierte mit schweren Grunderkrankungen.
Weil auch in Kaiserslautern der Krankenstand hoch ist, können hier 250 Betten nicht belegt werden. 250 Patienten weniger, die versorgt werden können, aber auch entsprechend weniger Einnahmen. "Wir sind immer noch in einem leistungsorientierten System", betont Thorsten Hemmer, der Geschäftsführer des Klinikums. "Ich glaube, die Pandemie hat gezeigt, dass ein Krankenhaus in der jetzigen Phase nicht mehr wirklich unter ökonomischen Gesichtspunkten betreibbar ist, weil wir diese Einengung haben." Die Politik müsse den Kliniken dringend helfen, fordert Hemmer. Die Kliniken bräuchten schnell einen Ausgleich für ihre laufenden Kosten.
Hoch-Vorschlag "wenig hilfreich"
Auch die Pflegekräfte hoffen auf Maßnahmen der Politik, denn lange lasse sich die Motivation der Belegschaft sonst nicht mehr durchhalten. "Die Uhr tickt. Es ist eigentlich schon fünf nach zwölf", sagt Marco Krauß, der stellvertretende Bereichsleiter Pflegedienst. "Nicht nur für die Notaufnahmen, nicht nur für die Intensivstation, sondern tatsächlich für den Gesamtbereich der Klinik."
Wenig hilfreich sei dabei der Vorschlag des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministers Clemens Hoch (SPD), Mitarbeiter ohne Covid-Symptome könnten auch infiziert arbeiten gehen. "Wir haben diese Frage auch mal intern geprüft und mit unserem Haftpflichtversicherer gecheckt. Der würde das im Moment gar nicht zulassen", so Hemmer. Die Gefahr, die ein Versicherer dadurch sieht, ist natürlich, dass ein infizierter Mitarbeitender das auch an Patienten weitergeben könnte. "Und die Frage ist, wer ist da schuldhaft für diese Infektion?"
Besucherstopp am Brüderkrankenhaus Trier
Auch im Brüderkrankenhaus in Trier grassiert das Virus - so sehr, dass ein Besucherstopp gilt. Aufgrund der Personalnot durch Krankheitsfälle stehen selbst auf der Intensivstation Betten leer. Wo möglich werden Operationen verschoben und es wurde sogar einmal eine komplette Station geschlossen.
Zurzeit sei eine chirurgische Station teilweise außer Betrieb, erläutert Pflegedirektor Jörg Mogendorf. Das sei längst nicht nur ein finanzielles Dilemma. "Das ist absolut auch ein ethisches Problem. Unser Auftrag ist nicht, die Betten zu sperren. Unser Auftrag ist, Patientinnen und Patienten zu versorgen, zu behandeln und demzufolge auch zu pflegen."
Hoffen auf die Politik
Auch hier hoffe man auf die Politik und auf Kompensationszahlungen, sagt der Sprecher des Direktoriums, Markus Leineweber. Und auf Maßnahmen im Alltag wie die Maskenpflicht, damit künftig weniger Personal erkrankt. "Es wäre auch gut, wenn die Maßnahmen, die in den Krankenhäusern ergriffen werden - wie etwa Maskenpflicht und Besucher-Einschränkungen - auch auf größere Akzeptanz stoßen würden. So ist es sehr schwierig, wenn es außerhalb überhaupt keine Einschränkungen gibt, die akzeptiert werden müssen."