Pflegepersonal kümmert sich um Corona-Patienten auf einer Intensivstation.

Corona in Krankenhäusern

"In den Corona-Jahren haben viele Pflegemitarbeitende aufgehört"

Stand
INTERVIEW
Carolin Wollschied

Während viele Menschen kaum noch durch die Corona-Pandemie eingeschränkt sind, sind viele Pflegerinnen und Pfleger täglich mit dem Virus konfrontiert: Masken, Schutzkleidung und die Arbeit gegen das Virus gehören zum Alltag.

SWR Aktuell hat mit einer Krankenschwester aus Rheinland-Pfalz gesprochen, die anonym bleiben möchte. Seit 1991 arbeitet sie in ihrem Beruf, hat häufiger die Bereiche gewechselt und arbeitet nun in der Geriatrie.

SWR Aktuell: Sie arbeiten als Krankenschwester. Wie ist die Lage bei Ihnen auf der Station zurzeit?

Ich muss mit jedem uneinsichtigen Besucher diskutieren. Sie fühlen sich berechtigt, wegen ihres negativen Schnelltests die Masken zu entfernen. Das ist echt grenzwertig - und so geht es jede Schicht. Einmal pro Woche werden bei uns alle Patienten ausnahmslos getestet. Fast alle Besucher ziehen im Zimmer aber die Masken runter. Dann reicht eine geöffnete Tür, etwas Durchzug und die Verteilung der Viren beginnt. Wir hatten jetzt den dritten Ausbruch auf unserer Station. Trotz aller täglichen Hygienemaßnahmen wurden diesmal fast alle Patienten positiv, ebenso die Kolleginnen und Angehörige der Ärzteschaft.

SWR Aktuell: Wie werden Patienten mit Corona von den Pflegern versorgt?

Die Pflege von Corona-Patienten ist hoch aufwendig. Vor jedem Betreten müssen FFP3-Maske, Haube, Schutzbrille, wasserundurchdringliche Schutzkittel und spezielle Handschuhe getragen werden. Vor Verlassen des Zimmers kommt das Einmal-Material in spezielle Säcke, draußen geht es dann mit Händedesinfektion weiter. Pro Schicht geht es unzählige Male ins Zimmer: Vitalzeichenkontrolle, Spritzen, Medikamentengaben, Essen verteilen und wieder einsammeln, Toilettengänge, ein Tässchen Kaffee, … Und jedes Mal muss die ganze Isolationskleidung an und aus.

"In den Corona-Jahren haben viele Pflegemitarbeitende aufgehört."

Wenn dann auch noch Mitarbeitende fehlen, verteilt es sich nur noch auf wenige Schultern. Eigentlich kann man sagen, dass sich, wenn die einen wieder gesund sind, die anderen krankmelden. In den Corona-Jahren haben viele Pflegemitarbeitende aufgehört. Ich habe noch nie so viele leere Spinde in der Umkleide gesehen.

SWR Aktuell: Wie würden Sie die vergangenen zweieinhalb Jahre mit der Corona-Pandemie in Ihrem Beruf beschreiben?

Anstrengend. Ermüdend. Kräftezehrend.

SWR Aktuell: Unter einem Beitrag von SWR Aktuell auf Instagram haben Sie geschrieben, dass Sie zu erschöpft sind, um auszugehen. Wie sehr leidet Ihr Privatleben unter der beruflichen Arbeit?

Ich möchte meine Familie nicht anstecken, indem ich Keime aus dem Krankenhaus mitbringe. Ebenso möchte ich mich nicht im Privatleben anstecken und infiziert zur Arbeit gehen. Im ersten Jahr haben wir alle Abstand gehalten. Keine Feiern, kein Essen gehen, kein Besuch. Das hat sich verfestigt. Ich telefoniere mit Freunden, aber ich treffe sie nicht mehr. Mittlerweile bin ich auch einfach zu müde, um mich nach dem Dienst aufzurappeln, um etwas zu unternehmen. Dann gehe ich lieber mit meinen Hunden in den Wald, um durchzuatmen und den Kopf frei zu bekommen. Viele Bekannte können das nicht nachvollziehen, deshalb sind die Kontakte eingeschlafen. Menschenansammlungen meide ich, das ist mir nach dem Dienst zu laut, zu anstrengend, zu viel.

SWR Aktuell: RLP-Gesundheitsminister Hoch hat gesagt, dass man Corona wie eine normale Krankheit behandeln soll und auf die Isolation verzichten kann. Was würden Sie Herrn Hoch gerne dazu sagen?

Dann muss eins klar sein: Es werden Menschen - besonders ältere, vorerkrankte Menschen - daran sterben. Das passiert auch in Grippewellen.

Ich bin der Meinung: Wenn er die Isolation beenden möchte, dann müssen auch die Maßnahmen in den Einrichtungen fallen - und er die Konsequenzen verantworten. Dann darf es keine Maskenpflicht mehr für einzelne Bereiche geben. Nicht im öffentlichen Nahverkehr, nicht in Pflegeheimen, nicht im Krankenhaus. Nicht die einen feiern lassen und die anderen unter die Hygieneregeln stecken und es ausbaden lassen.

"Die Bonuszahlungen für die Pflege kam bei vielen nicht an."

Dann sterben dann plötzlich viele Menschen, die vielleicht mit der Maskenpflicht und Isolationsmaßnahmen nicht erkrankt wären. Und natürlich werden dann in allen Einrichtungen auch Mitarbeitende erkranken. Er sollte sich schnell darüber Gedanken machen, wer die Patienten dann versorgt.

 SWR Aktuell: Welches Zeichen von der Politik würden Sie sich wünschen?

Die Zeit der Zeichen ist vorbei. Klatschen, Fernsehsendungen (Joko und Klaas) und Aktive (Fränzi, DocCaro) haben kein Umdenken für die Pflege erreicht. Die Bonuszahlungen für die Pflege kam bei vielen nicht an. Kaum einer kann sagen, ich habe einen ordentlichen Bonus erhalten. Gehalt, Arbeitszeiten, Verantwortung, Belastung: Das ist im absoluten Ungleichgewicht. Hier wünsche ich mir eine Änderung.

SWR Aktuell: Und was würden Sie sich als Krankenschwester von Ihren Mitmenschen wünschen?

Etwas mehr Respekt und Wertschätzung würde schon reichen. Der Angehörige, der bei der Pflegekraft einen Cappuccino bestellt, kann mir gestohlen bleiben.

SWR Aktuell: Viele kommentieren unter unseren Social Media Posts, dass sie sich ein Zurück zur Normalität wünschen. Was möchten Sie diesen Menschen sagen?

Die Normalität wünscht sich jeder zurück. Ich auch. Das heißt: Wir müssen mit Corona leben lernen. Aber bitte alle unter gleichen Voraussetzungen. Nicht die einen, die Oktoberfest und Fastnacht feiern, und die anderen, die unter anstrengendsten Bedingungen mit Isolationspflege dann die Scherben aufkehren.

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Carolin Wollschied