- Bund zahlt Kommunen 7.500 Euro pro Asylbewerber
- Kommunen werden entlastet
- Schnellere Bearbeitung von Asylverfahren
- Leistungen werden gekürzt
- Bezahlkarte statt Bargeld
- Asylverfahren außerhalb Europas werden geprüft
- Kommission zur Steuerung der Migration
Am frühen Dienstagmorgen verkündete Olaf Scholz (SPD) zum Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin, dass der Bund pro Asylbewerber eine jährliche Pauschale von 7.500 Euro zahlen wolle. Nach monatelangem Streit haben sich Bund und Länder damit über die künftige Aufteilung der Flüchtlingskosten geeinigt. Aus dem Beschlusspapier geht hervor, dass der Bund diese Pauschale für Menschen zahlen will, die in Deutschland erstmals einen Asylantrag stellen.
In der ersten Hälfte des Jahres 2024 soll es zusätzlich eine Abschlagszahlung von 1,75 Milliarden Euro geben. Die Länder hatten laut der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor dem Gipfeltreffen 10.500 Euro pro Flüchtling im Jahr vorschlagen.
Dreyer: "Maßnahmenpaket zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen"
Derzeit ist ein starker Anstieg der Asylanträge zu verzeichnen. Allein bis September dieses Jahres wurden nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Deutschland 233.744 Erstanträge auf Asyl gestellt - und somit deutlich mehr als im gesamten Vorjahr. Zudem hat Deutschland mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, die kein Asyl beantragen müssen.
"Nach langen und harten Verhandlungen haben wir uns auf ein ganzes Maßnahmenpaket zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen geeinigt und auch eine tragfähige Finanzierung beschlossen, die für unsere Kommunen wichtig ist", sagte Dreyer in der Nacht. Länder und Kommunen würden um rund 3,5 Milliarden Euro entlastet.
Schnellere Bearbeitung von Asylverfahren
Ein weiterer Beschluss des Bund-Länder-Treffens: Die Asylverfahren sollen künftig deutlich schneller abgearbeitet werden. Die erste Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge soll demnach im Regelfall nach sechs Monaten vorliegen, ein Gerichtsverfahren in erster Instanz ebenfalls nach sechs Monaten abgeschlossen sein.
Bei Bewerbern aus Staaten mit einer niedrigen Anerkennungsquote von unter fünf Prozent sollen die Verfahren noch schneller gehen: Behörden und Gerichte sollen hier nur jeweils drei Monate Zeit bekommen.
Insgesamt lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Asylverfahren bis zu einer behördlichen Entscheidung laut Bundesregierung im vergangenen Jahr bei 7,6 Monaten. Bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung nach Einsprüchen und Gerichtsverfahren dauerte es fast zwei Jahre.
Leistungen für Asylbewerber werden gekürzt
Zudem sollen die Leistungen für Asylbewerber, die seit mehr als eineinhalb Jahren in Deutschland sind, eingeschränkt werden. Wenn sich ein Asylverfahren lange hinziehe, sollten nicht 18, sondern 36 Monate lang Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlt werden, sagte Scholz.
Bislang steigen nach 18 Monate die Sätze ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe. Dieser Schritt soll künftig später erfolgen, was im Effekt eine Kürzung der staatlichen Leistungen bedeutet. Laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) könnten die geplanten Einschränkungen zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro führen.
Nach dem Bund-Länder-Treffen Einigung zu Flüchtlingen: Reaktionen aus RLP
Nach langem Streit haben sich Bund und Länder auf ein neues System zur Finanzierung der Asylpolitik geeinigt. Außerdem sollen die Flüchtlingszahlen deutlich reduziert werden.
Die bisherigen Barauszahlungen an Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen eingeschränkt werden. Das soll den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen minimieren. Hierzu soll eine Bezahlkarte eingeführt werden. Bis zum 31. Januar 2024 soll dafür ein Modell erarbeitet werden.
Bund will Asylverfahren außerhalb Europas prüfen
Die Bundesregierung will zudem prüfen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde sich auf eine Formulierung für die Abschlusserklärung geeinigt. Sie lautet demnach: "Die Bundesregierung wird prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann."
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte bereits vergangene Woche einen neuen Vorstoß für Asylverfahren außerhalb der EU gemacht. Am Montag hatten sich die Regierungschefs von CDU und CSU dann zusammen mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) hinter den Vorschlag gestellt.
Ärger unter den Bundesländern
Dies geschah sehr zur Überraschung und zum Ärger der SPD-geführten Länder. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte, sie sei überrascht worden von Forderungen, die teils gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstießen. Dadurch habe es vor dem Bund-Länder-Gipfel neuen Beratungsbedarf gegeben. Die Folge: Das Treffen im Kanzleramt verzögerte sich um gut drei Stunden.
Denkbar wären bei Asylverfahren außerhalb der EU zwei Varianten: Entweder die Möglichkeit für Migranten, in Transitstaaten, also auf dem Weg nach Europa, Asylanträge für Deutschland zu stellen. Oder die Rücksendung Schutzsuchender aus Deutschland in Länder außerhalb Europas, wo sie dann ihr Asylverfahren durchlaufen würden. Letztere Variante strebt die britische Regierung derzeit mit Ruanda an. Ein Gericht hat sie aber zunächst gestoppt. Das Berufungsverfahren läuft noch.
Kommission zur Steuerung der Migration
Zur besseren Steuerung der Migration soll zudem eine Kommission gegründet werden. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, soll ein breites gesellschaftliches Bündnis gemeinsam Lösungen zur Steuerung der Migration und zur Verbesserung der Integration mit dem Ziel der Bewahrung des gesellschaftlichen Friedens erarbeiten. Daran könnten zum Beispiel Kirchen und Gewerkschaften, Wissenschaftler und auch Vertreter von Organisationen teilnehmen, die sich für die Belange von Asylbewerbern einsetzen, hieß es.
Entscheidung über Deutschland-Ticket 2024
Die Entscheidung über die Zukunft des Deutschlandtickets haben Bund und Länder vorerst vertagt. Bei den Beratungen im Kanzleramt wurde vereinbart, dass nicht ausgegebene Zuschüsse aus diesem Jahr auch 2024 verwendet werden können. Im kommenden Jahr werde man dann "rechtzeitig" über die weitere Finanzierung entscheiden, auch über eine mögliche Preiserhöhung.
Die Finanzierung des 49-Euro-Tickets für die bundesweite Nutzung des Nahverkehrs ist bis 2025 so geregelt, dass jährlich drei Milliarden Euro zur Verfügung stehen - getragen je zur Hälfte von Bund und Ländern. Uneins waren beide Seiten über die Finanzierung möglicher Mehrkosten. Die Länder sind bereit, diese weiterhin hälftig zu tragen. Der Bund weigert sich bislang.
Ministerpräsidentin Dreyer hatte sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, das Ticket zu sichern. Es sei gerade im Pendlerland Rheinland-Pfalz für so viele Menschen eine riesige Entlastung. "Deshalb halte ich es für essenziell, drei Millionen Studierenden die Nutzung des Deutschlandtickets zu ermöglichen. Das gleiche gilt für die Nutzung über das Jobticket", äußerte sich Mobilitätsministerin Katharina Eder (Grüne).
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